Die Lehnspyramide – Ein missverstandener Topos in den Schulbüchern

Die Lehnspyramide – Ein missverstandener Topos in den Schulbüchern

Das Mittelalter wird oft in Schulbüchern dargestellt, aber was ist mit der Genauigkeit dieser Darstellungen? Der verstorbene Mediävist Hartmut Boockmann hat bereits 1992 die gängige Darstellung der mittelalterlichen Gesellschaft kritisiert. In vielen Schulbüchern wird immer noch die sogenannte Lehnspyramide verwendet, die die mittelalterliche Gesellschaft als eine Dreiecksform mit König, Vasallen und Bauern darstellt. Doch Boockmann hat gezeigt, dass dies ein Missverständnis ist.

Die falsch verstandene Lehnspyramide: 1992…

Boockmann argumentierte, dass die Lehnspyramide in den Schulbüchern nicht die Realität des Mittelalters widerspiegelt, sondern eine Vorstellung, die im 18. Jahrhundert entstanden ist. Dennoch findet man die Lehnspyramide auch heute noch in vielen Schulbüchern.

… und heute in den Geschichtsschulbüchern

Auch nach über 20 Jahren hat sich kaum etwas geändert. Die Lehnspyramiden sind immer noch präsent, nun allerdings als Ständeordnungen. Jedoch sind nun Lehnswesen und Grundherrschaft in der Regel aus der Ständeordnung herausgelöst. Doch das ändert nichts an dem Missverständnis und vermittelt ein überholtes und primitives Bild des Mittelalters.

Der Wiedergänger “Ständeordnung”

Die Ständeordnung hat sich von ihrem ursprünglichen Modell des Lehnszusammenhangs gelöst und führt nun ein Eigenleben. Sie vermittelt ein Bild einer schwerfälligen Gesellschaft, in der jeder Mensch einem bestimmten Stand angehört und die Kirche bestimmt, wie die Gesellschaft aufgebaut ist.

Was in Quellen thematisiert wird, war nicht selbstverständlich

Es ist wichtig zu wissen, dass auch im Mittelalter selbst über die Ständevorstellungen nachgedacht und Kritik geübt wurde. Das Bild einer starren und primitiven Ständegesellschaft ist also nicht korrekt.

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“Ständegesellschaft” als funktionaler Teil der Fortschrittserzählung

Die Frage bleibt, warum die Schulbücher immer noch die Ständeordnung als festen Bestandteil der mittelalterlichen Gesellschaft darstellen, ohne auf zeitgenössische Kritik hinzuweisen. Das liegt wahrscheinlich daran, dass die Schulpläne und Geschichtsschulbücher den Schülern eine Fortschrittserzählung vermitteln, in der die Moderne als überlegen dargestellt wird. Die älteren Epochen werden dabei vernachlässigt und nur als dunkler Hintergrund für den Glanz der Moderne verwendet.

Weg mit überkommenen Mittelalterbildern!

Es ist an der Zeit, die überholten Vorstellungen des Mittelalters in Schulbüchern zu überdenken. Das Mittelalter sollte nicht nur beschrieben, sondern als Erzählung präsentiert werden. Es ist an der Zeit, den älteren Epochen ihre Geschichte zurückzugeben und die Schülerinnen und Schüler mit einer vielfältigeren Sichtweise auf die Geschichte vertraut zu machen.

Dieser Artikel wurde von Markus Bernhardt verfasst und erschien zuerst in Public History Weekly.