Führungskräfte und andere beurteilende Personen nehmen oft die Kompetenzen oder Eignung von Menschen verfälscht wahr. Unsere Gefühle, Werte und Vorstellungen beeinflussen unbewusst oder bewusst, wie wir Personen in Bewerbungs- oder Mitarbeitergesprächen bewerten. Dadurch entstehen Beurteilungsfehler. Diese führen dazu, dass Personen unter- oder überbewertet werden oder für eine Stelle nicht berücksichtigt werden.
Beurteilungen sind selten objektiv, sondern fast immer subjektiv. Das liegt an unserem Gehirn, das kognitive Abkürzungen nimmt, um die Vielzahl an Informationen zu verarbeiten. Dadurch entstehen Wahrnehmungsverzerrungen, Maßstabsprobleme und bewusste Verfälschungen. Zudem können kognitive Probleme dazu führen, dass Personen Dinge fehlerhaft wahrnehmen oder speichern.
Wahrnehmungsverzerrungen
Es gibt verschiedene Arten von Wahrnehmungsverzerrungen, die zu Beurteilungsfehlern führen können:
Halo-Effekt
Der Halo-Effekt tritt auf, wenn ein bestimmtes Merkmal einer Person überbewertet wird und andere Eigenschaften außer Acht gelassen werden. Zum Beispiel kann eine Mitarbeiterin sehr eloquent sein, aber weniger zuverlässig und organisiert. Ihre Eloquenz überstrahlt jedoch ihre Schwächen.
Nikolaus-Effekt
Der Nikolaus-Effekt tritt auf, wenn in der Beurteilung vor allem Ergebnisse oder Projekte berücksichtigt werden, die kurz vor dem Gespräch abgeliefert wurden. Andere Leistungen werden vernachlässigt.
Primacy-Effekt
Der Primacy-Effekt besagt, dass der erste Eindruck einer Person stärker gewichtet wird als spätere Eindrücke. Informationen, die zu Beginn eines Bewerbungsgesprächs wahrgenommen werden, prägen das Urteil stärker als später hinzukommende Informationen.
Kleber-Effekt
Der Kleber-Effekt tritt auf, wenn frühere Beurteilungen einen Einfluss auf die aktuelle Beurteilung haben, auch wenn sich die Mitarbeiter weiterentwickelt haben.
Lorbeer-Effekt
Der Lorbeer-Effekt besagt, dass frühere Erfolge einer Person auch in der aktuellen Beurteilung berücksichtigt werden, auch wenn sie keine weiteren Erfolge vorweisen kann.
Andorra-Effekt
Der Andorra-Effekt tritt auf, wenn Beurteiler sich an Meinungen und Bewertungen anpassen, die in der Gesellschaft vorherrschen. Dadurch kann sich eine “Self-fulfilling prophecy” erfüllen.
Hierarchie-Effekt
Mitarbeiter auf höheren Hierarchiestufen werden oft besser bewertet als Personen unter ihnen. Auszeichnungen oder akademische Titel können zu dieser Überbewertung führen.
Maßstabsprobleme
Es gibt auch verschiedene Maßstabsprobleme, die zu Beurteilungsfehlern führen können:
Tendenz zur Milde
Manche beurteilende Personen bewerten deutlich milder als andere und haben ein geringeres Anspruchsniveau.
Tendenz zur Mitte
Diese Beurteiler tendieren eher zu mittleren Werten in ihrer Einschätzung, unabhängig davon, ob die Personen besser oder schlechter sind.
Tendenz zur Strenge
Beurteiler mit einem hohen Anspruchsniveau bewerten Personen eher schlechter.
Antipathie-/Sympathiefehler
Beurteilende Personen bewerten Mitarbeiter sympathischer und geben ihnen eine bessere Beurteilung. Unsympathische Mitarbeiter erhalten hingegen eine schlechtere Beurteilung.
Beurteilungsfehler können schwerwiegende Konsequenzen haben. Sie können dazu führen, dass Angestellte keine Weiterentwicklungsmöglichkeiten erhalten, finanzielle Nachteile haben oder es zu Fehleinstellungen kommt. Zudem kann es zu einer hohen Personalfluktuation und einer Beeinträchtigung der Team-Performance kommen.
Um Beurteilungsfehler zu vermeiden, sollten beurteilende Personen sich bewusst machen, dass ihre Beurteilung subjektiv ist und ihre Denkmuster hinterfragen. Es kann hilfreich sein, Beobachtungen schriftlich festzuhalten und standardisierte Bewertungsbögen zu nutzen. Zudem sollten sich die Beurteilenden vorab auf die relevanten Kriterien einigen und regelmäßige Beobachtungen und Bewertungen durchführen.
Es ist wichtig zu erkennen, dass Beurteilungsfehler eine allgegenwärtige Gefahr sind und dass Bewusstsein und Vorsicht erforderlich sind, um sie zu vermeiden. Die richtige Beurteilung von Mitarbeitern und Bewerbern ist entscheidend für den Erfolg von Unternehmen. Also, sei achtsam und vertraue nicht immer deinem ersten Eindruck!