Die Notruf-App “Nora”: Mehr als nur ein weiteres staatliches Versagen

Die Notruf-App “Nora”: Mehr als nur ein weiteres staatliches Versagen

Es war ein kurzer Spaß. Zwei Tage nach dem offiziellen Start der Notruf-App Nora musste das Innenministerium von Nordrhein-Westfalen den Rückzug antreten. Zu hohe Download-Zahlen, verursacht durch den regionalen Ausfall der Notrufnummern 110 und 112, hatten die Infrastruktur zum Erliegen gebracht.

Notruf-App Nora: Ein Hoffnungsschimmer für Gehörlose

Die Nora-App wurde speziell für gehörlose und sprechbehinderte Menschen entwickelt. Sie bietet eine Alternative zum herkömmlichen Notruf, bei dem das Telefonieren unmöglich ist. Die App wurde unter Federführung des nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Reul entwickelt und soll in allen Bundesländern außer Berlin verfügbar sein.

Notrufe in Gebärdensprache

Die App ermöglicht es den Nutzer:innen, bei einem Notfall über eine Chatfunktion Kontakt zur Leitstelle aufzunehmen und relevante Informationen, wie den Gesundheitszustand oder mögliche Behinderungen, im Voraus zu hinterlegen. Zudem kann die App die hilfesuchende Person orten und die Rettungskräfte zum Einsatzort führen. Doch gerade die fehlende Integration von Videotelefonie in der App stößt bei vielen Gehörlosen auf Kritik.

Videotelefonie als Notwendigkeit

Für gehörlose Menschen ist die Deutsche Gebärdensprache die Muttersprache. Daher ist es für sie wichtig, sich mithilfe von Gebärdensprachdolmetscher:innen zu verständigen. Eine Videotelefonie-Funktion in der App würde dies ermöglichen. Der Deutsche Gehörlosen-Bund (DGB) kritisierte bereits im Juli, dass einige gehörlose Menschen auf schriftliche Formate verwiesen werden und keine Möglichkeit haben, die App in ihrer Muttersprache zu nutzen.

Fehlende Beteiligung von Menschen mit Behinderung

Laut Daniel Büter, politischer Referent beim DGB, wurden Menschen mit Behinderung nicht angemessen in die Entwicklung der Technologie einbezogen. Obwohl sie Empfehlungen aussprechen konnten, wurden ihre Bedürfnisse nicht angemessen berücksichtigt. Diese mangelnde Zusammenarbeit auf Augenhöhe führt zu minimalen Zugeständnissen seitens der Verantwortlichen.

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Fehler bei der Entwicklung der Nora-App

Es bleiben einige Fragen offen, wie zum Beispiel, warum die Videotelefonie-Funktion nicht in die App integriert wurde. Auch die Tatsache, dass die App nicht Open Source ist, wirft Bedenken auf. Transparenz und ein offener Quellcode sind wichtig, um Vertrauen zu schaffen. Die App wurde von der “bevuta IT GmbH”, einer Kölner Softwarefirma, entwickelt.

Mehr als nur ein weiteres staatliches Versagen

Die Probleme rund um die Nora-App reichen tiefer. Menschen mit Behinderung und ihren Bedürfnissen wird systematisch bei der Entwicklung von Technologien keine angemessene Beachtung geschenkt, selbst bei Anwendungen, die für sie gedacht sind. Im europäischen Ausland gibt es bereits erfolgreich umgesetzte Notruf-Apps, die Videotelefonie für gehörlose Menschen ermöglichen.

NRW-Innenminister Reul betonte zwar, dass die App auch Menschen ohne Behinderung helfen könne, indem sie zum Beispiel einen stillen Notruf absetzen könnten. Dennoch wurde das Innenministerium von den hohen Download- und Registrierungszahlen überrascht und die App vorerst aus den App-Stores genommen. Es ist offensichtlich, dass hier mehr Transparenz, eine verbesserte technische Infrastruktur und eine angemessene Einbindung der Betroffenen notwendig sind. Nur so können Notruf-Apps entwickelt werden, die wirklich den Bedürfnissen ihrer Zielgruppe gerecht werden.