Nach dem Wiener Kongress von 1815 forderten Liberale und Demokraten eine Verfassung für den Deutschen Bund. Doch vor allem Preußen und Österreich hielten an ihrer absolutistischen monarchischen Staatsform fest. Ein Überblick zur Verfassungsgeschichte von 1848 bis 1871.
Verfassungen waren im 19. Jahrhundert ein zentrales Thema. Bis zum Erstarken der Sozialdemokratie sah vor allem das liberale Bürgertum in ihnen Garanten für Freiheit und Recht sowie demokratische Mitbestimmung und Gewaltenteilung. Viele große und kleine Kämpfe wurden ausgetragen, um sie zu erstreiten, danach zu erhalten und auszubauen.
Der deutsche Bund von 1815
Bereits 1814/15 erwartete man in Deutschland die Gründung eines modernen Verfassungsstaates, als auf dem Wiener Kongress nach dem Ende der Vorherrschaft Napoleons in Europa eine neue Friedensordnung errichtet wurde. Doch stattdessen schufen die Großmächte, darunter auch Österreich und Preußen, den Deutschen Bund mit dem Ziel, vor allem Ruhe, Frieden und Stabilität zu gewährleisten.
Metternichsche System und Gottesgnadentum
Im Deutschen Bund herrschte das “Metternichsche System”, benannt nach dem Staatsmann Metternich, der als führende Kraft angesehen wurde. Dieses System wurde im Zeitalter von Restauration (1815-1840) und Vormärz (1840-1848) zunehmend negativ beurteilt. Insbesondere Österreich und Preußen hielten starr an einer absolutistischen monarchischen Staatsform fest und betrachteten jedes Streben nach Volkssouveränität als unheilstiftend.
Liberale erstreiten erste Verfassungen
Die liberalen städtischen Eliten setzten auf die Errichtung von Verfassungen. Vor allem in süddeutschen Mittel- und Kleinstaaten wurden Verfassungen geschaffen. Doch bis zum Ende des Deutschen Kaiserreichs 1918 dauerte es, bis eine Parlamentarisierung der konstitutionellen Monarchie in Deutschland durchgesetzt war.
Verfassungsfrage wird zur “deutschen Frage”
Die Verfassungsfrage vermengte sich in Deutschland bis zur Reichsgründung von 1870/71 mit der “deutschen Frage”, dem Problem der Errichtung und Gestaltung eines National- und Zentralstaates. Die Idee eines “Großdeutschlands” scheiterte jedoch an der Gegenwehr der Habsburgermonarchie Österreich.
Preußischer Heeres- und Verfassungskonflikt
In Preußen entbrannte ein Machtkampf um die Heeresreform, bei dem der König und spätere Kaiser Wilhelm I. eine entscheidende Rolle spielte. Letztendlich konnte er seine Vorstellungen durchsetzen und das Heer als Grundlage für eine neue Außen- und Deutschlandpolitik etablieren.
Die Verfassung von 1871
Die Verfassung Deutschlands von 1871 schuf einen nationalstaatlichen und konstitutionellen Monarchie mit Gewaltenteilung und Rechtssicherheit. Preußen erhielt eine überragende Stellung, und der Bundesrat spielte eine wichtige Rolle als Gegengewicht zum Reichstag. Die Verfassung schuf somit die Grundlage für das Deutsche Kaiserreich, das bis zum Ende des Ersten Weltkriegs bestehen sollte.
Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Verfassungsgeschichte von 1848 bis 1871 von vielen Kämpfen und Kompromissen geprägt war. Vor allem Preußen spielte eine entscheidende Rolle in der Durchsetzung der Verfassungen, und das liberale Bürgertum musste sich mit einer Juniorpartnerschaft zufriedengeben. Dennoch legten diese Verfassungen den Grundstein für die Modernisierung Deutschlands und die Entwicklung hin zu einem Rechtsstaat.