Die verwirrende Welt der Geranien

Die verwirrende Welt der Geranien

Die Geranie ist zweifellos die unangefochtene Nummer eins unter den Sommerblumen. Jahr für Jahr beweisen Statistiken ihre Beliebtheit. Doch nur wenige wissen, dass Geranien eigentlich nicht das sind, was sie zu sein scheinen. Wenn man den Begriff “Geranie” bei Google eingibt, landet man auf Wikipedia beim Stichwort “Pelargonien”. Dort heißt es: “Die Pelargonien (Pelargonium), als Trivialname wird auch oft ‘Geranien’ verwendet, sind eine Pflanzengattung in der Familie der Storchschnabelgewächse (Geraniaceae). Der botanische Gattungsname ist aus dem griechischen Wort pélargos für ‘Storch’ abgeleitet und bezieht sich auf die Form der Früchte. Zu dieser Gattung zählen etwa 220 bis 280 Arten.”

Was wir gemeinhin als Geranien kennen, werden also botanisch korrekt Pelargonien genannt. Die Verwirrung um diese Bezeichnung geht auf den großen schwedischen Botaniker Carl von Linné (1707-1778) zurück, dem wir einen Großteil der wissenschaftlichen Pflanzennamen verdanken. Er ordnete unsere Balkonblume, die aus Südafrika stammt, der Gattung Geranium zu. Der Volksmund übernahm diesen Namen schnell, und bis heute hält er hartnäckig daran fest, obwohl der französische Botaniker Charles Louis L’Héritier de Brutelle die Pflanze bereits 1789 der Gattung Pelargonium zuordnete.

Beide Gattungen sind eng miteinander verwandt und gehören zur gleichen Pflanzenfamilie. Ein charakteristisches Merkmal sowohl von Geranien als auch von Pelargonien sind ihre langen, schnabelförmigen Früchte. Dennoch gibt es deutliche Unterschiede in der Blütenstruktur zwischen den beiden Gattungen. Bei Pelargonien bildet eines der Kelchblätter einen Sporn, der mit dem Blütenstiel verwachsen ist. Dadurch entsteht eine sogenannte zygomorphe Blüte, also eine Blüte mit zwei spiegelbildlichen Hälften und einer einzigen Symmetrieebene. Geranienblüten weisen dieses Merkmal nicht auf. Ein weiteres bemerkenswertes Unterscheidungsmerkmal ist die Art der Ausbreitung. Geranien können ihre Samen explosionsartig wegschleudern. Dies geschieht, indem sich ihre trockenen Früchte zusammenziehen und plötzlich mit einer korkenzieherartigen Bewegung aufplatzen. Die Wucht kann den Samen in die Erde schleudern oder sogar in das Fell eines zufällig vorbeikommenden Tieres bohren. Angesichts dieser ballistischen Fähigkeiten können Pelargonien nur neidisch werden.

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Diese feinen Unterschiede sind offensichtlich dem Systematiker Linné entgangen. Bereits seit 1561 waren der Blutrote Storchschnabel und der Braune Storchschnabel als Geranium unter den heimischen Gartengewächsen bekannt, zusammen mit vielen weiteren Arten, die hauptsächlich wild vorkommen. Keine von ihnen hat es je geschafft, eine Karriere als Balkonblume zu starten. Sie werden eher als bodendeckende Stauden angesehen, die sich unter Sträuchern oder in Steingärten ausbreiten.

Die Pelargonien, die im Laufe des 17. Jahrhunderts nach Europa gelangten, wachsen in ihrer Heimat Südafrika zu stattlichen Sträuchern heran. In klimatisch begünstigten Regionen Mitteleuropas kann dies auch gelingen, wie der Garten von John Michael Beaumont und seiner Frau Diana auf der Kanalinsel Sark zeigt. Dort kriecht eine efeublättrige Pelargonie vor einem viktorianischen Gewächshaus die graue Natursteinmauer empor und beansprucht eine Fläche von fast zehn Quadratmetern für sich. Bei uns ist diese Art als Hängepelargonie (Pelargonium peltatum) bekannt. An bayrischen Balkonen sorgt sie Jahr für Jahr mit ihren über einen Meter langen Trieben für Furore. Die Sorte “Schöne von Grenchen”, die 1947 entstanden ist, hat maßgeblich zu dieser beispiellosen Karriere als Balkonblume beigetragen.

Die aufrecht wachsende Art Pelargonium zonale kann auf eine noch viel längere Tradition zurückblicken. Sie ist an den halbkreisförmigen Streifen auf der Oberseite ihrer Blätter erkennbar. Bis zum Jahr 1880 hatten Züchter bereits über 6.000 Sorten dieser Art entwickelt. Die 1885 erscheinende Garten-Zeitung schrieb dazu: “Die ‘Zonale-‘ oder Scharlach-Pelargonien gehören zweifellos zu den dankbar blühendsten und beliebtesten Markt- und Modepflanzen, zur Topfkultur für Dekorationszwecke sowie zur Bepflanzung von Gruppen.” Schon vor über 100 Jahren waren sie bei Blumenliebhabern sehr beliebt. Bis heute gibt es kaum eine andere Sommerblume, die mit ihrer Blütenpracht mit den Pelargonien konkurrieren kann – und schon gar nicht mit den Geranien. Die Blütezeit von Geranien ist auf wenige Wochen begrenzt, zu kurz für den Balkon. Eine Ausnahme bildet nur die kürzlich entdeckte himmelblaue Geranium-Hybride “Rozanne”.

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