Demokratie ist die Herrschaft des Volkes. Doch wie genau diese demokratische Ordnung gestaltet wird, unterscheidet sich von Land zu Land. Die Schweiz praktiziert eine andere Form der Demokratie als die Vereinigten Staaten. Auch das britische, deutsche, niederländische, schwedische und französische Demokratiemodell sind unterschiedlich. Es gibt parlamentarische und präsidentielle, föderative und unitarische, konsens- und wettbewerbsorientierte Demokratien. Einen weiteren Unterschied bilden direkte und repräsentative Demokratien.
Direkte und repräsentative Demokratien
Direkte und repräsentative Demokratien beruhen auf dem Prinzip der Volkssouveränität. In direkten Demokratien treffen die Bürger alle politischen Entscheidungen selbst. Die Staatsgewalt liegt beim Volk. Es gibt jedoch in modernen Demokratien exekutive und rechtsprechende Institutionen, die aus technischen Gründen geschaffen wurden. In einigen politischen Einheiten, wie schweizerische Landgemeinden und Kantonen, werden öffentliche Angelegenheiten durch Volksversammlungen debattiert und durch Mehrheitsbeschlüsse entschieden. In modernen Nationalstaaten erfolgen Volksabstimmungen, um die Idee der Selbstregierung des Volkes umzusetzen. In beiden Fällen stellen die Verfassungen die demokratischen Grundsätze der Gewaltenteilung und der Unabhängigkeit der Justiz sicher.
Im Gegensatz dazu übernehmen in repräsentativen Demokratien gewählte Vertreter die Entscheidungsrolle. Demokratische Wahlen basieren auf offenem politischem Wettbewerb und bieten den Bürgern die Möglichkeit, zwischen verschiedenen Führungsangeboten zu wählen. Die politische Gemeinschaft überträgt ihren gewählten Vertretern die Befugnis, verbindliche Entscheidungen in ihrem Namen zu treffen. Die Volksvertreter sind den Wählern rechenschaftspflichtig und müssen deren Forderungen zur Kenntnis nehmen, abwägen und bei ihren Entscheidungen berücksichtigen. Am Ende einer Wahlperiode entscheiden die Wähler, ob die Regierenden ihre Erwartungen erfüllt haben und verlängern das Mandat oder wählen eine andere politische Gruppierung.
Repräsentative und direkte Demokratie in Deutschland – geschichtlicher Hintergrund
Lange Zeit wurde die moderne Form der Demokratie mit der repräsentativen Demokratie gleichgesetzt. Eine direkte Demokratie wurde als unvereinbar mit der Realität moderner Gesellschaften angesehen. In den letzten Jahren sind jedoch Forderungen laut geworden, die repräsentative Demokratie durch den Einsatz direktdemokratischer Verfahren zu modernisieren und den Bürgern darüber hinausgehende politische Entscheidungsrechte einzuräumen. Mit Ausnahme der CDU/CSU fordern alle im Bundestag vertretenen Parteien die Einführung direktdemokratischer Mitwirkungsmöglichkeiten auf Bundesebene.
Der Artikel 20, Absatz 2 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland gibt dieser Forderung eine gewisse Legitimität. Dort heißt es, dass alle Staatsgewalt vom Volke ausgeht und das Volk seine Ausübung in Wahlen und Abstimmungen sowie in besonderen Organen der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung wahrnimmt. Dennoch hat sich der parlamentarische Rat im Jahr 1949 eindeutig für eine repräsentative Demokratie entschieden. Volksabstimmungen auf Bundesebene sind nur für die Neugliederung des Bundesgebietes möglich, nicht jedoch für die Verfassung oder einzelne Gesetze.
Andere Regelungen gelten für die Länder und Kommunen. Die Verfassungen einiger alter Bundesländer und die Kommunalverfassungen enthalten direktdemokratische Verfahren. Die neuen Bundesländer haben direktdemokratische Verfahren seit Beginn fest in ihren Verfassungen verankert. Diese Reformen hatten auch Auswirkungen auf die alten Länder. Direktdemokratische Mitwirkungsrechte der Bürger wurden flächendeckend eingeführt.
Die direktdemokratischen Verfahren
Die direktdemokratischen Reformen seit 1990 haben das bisherige Entscheidungsmonopol der Institutionen und Akteure der repräsentativen Demokratie durchbrochen. Die formale Verteilung von Macht und Einfluss hat sich zugunsten der Bürgerschaft und zum Nachteil der Parlamente verändert. Die Stärke dieses Effektes hängt von den konkreten Verfahren, ihrer Ausgestaltung und der Beteiligung der Bevölkerung ab.
Direktdemokratische Verfahren umfassen unterschiedliche Formen der Mitwirkung der Bürger an politischen Entscheidungen. Es gibt Volksbefragungen, Volksinitiativen und Volksbegehren. Bei Volksbefragungen wird die Meinung der Bevölkerung zu einer bestimmten Frage erfragt. Die Initiative dazu geht in der Regel vom Parlament oder der Regierung aus. Volksbefragungen haben keine bindende Wirkung für das Parlament, können jedoch eine starke Wirkung haben, wenn es sich um ein bedeutsames Thema handelt und eine klare Mehrheit für eine bestimmte Alternative stimmt.
Volksinitiativen zwingen das Parlament dazu, sich innerhalb einer bestimmten Frist mit einer politischen Streitfrage zu beschäftigen und darüber zu entscheiden. Die Initiative geht von der Bürgerschaft aus, und das Parlament kann eine Lösung für das Problem finden.
Volksbegehren gehen einen Schritt weiter als Volksinitiativen. Hier kann das Recht zur verbindlichen Entscheidung entweder beim Parlament oder bei der Wählerschaft liegen. Die Durchführung von Volksbegehren erfordert in der Regel höhere formale Voraussetzungen als Volksinitiativen.
Die Einführung direktdemokratischer Verfahren in Deutschland hat das Machtgefüge verändert und mehr Bürgerbeteiligung ermöglicht. Damit wurde die Vielfalt der Demokratie weiter ausgebaut.