Die Preise für Gas sind in den letzten Monaten drastisch angestiegen, sowohl im Großhandel als auch für Privathaushalte. Doch warum ist Gas plötzlich so teuer geworden und wie setzt sich der Preis eigentlich zusammen?
Extremer Anstieg der Gaspreise im Großhandel
Die Entwicklung auf dem Gasmarkt sorgt bei den Gashändlern für Kopfschütteln. Noch nie zuvor haben sie einen derart verrückten Markt erlebt. An den Spotmärkten hat sich der Preis in diesem Jahr mehr als verdreifacht. Im Großhandel kostet Gas derzeit teilweise mehr als 70 Euro pro Megawattstunde. Vor der Corona-Krise lag der Preis zeitweise noch bei fünf Euro. Experten haben diese Dramatik nicht kommen sehen, wie Hanns Koenig vom Analyseunternehmen Aurora Energy Research betont.
Besonders hart trifft die Gaskrise Großbritannien, wo bereits neun Anbieter pleitegingen und 1,5 Millionen Briten teurere Verträge abschließen müssen.
Gaskrise erfasst auch Deutschland
Auch in Deutschland ist der Gaspreis drastisch gestiegen. Der erste Gasversorger, DEP Deutsche Energiepool, hat aufgegeben und den Gasvertrieb eingestellt. Doch wer ist schuld an der Gaspreis-Explosion: Gazprom und die russische Regierung, die Gaslieferungen nach Deutschland verknappt haben, oder haben sich die Versorger beim Einkauf verzockt? Um diese Fragen zu klären, ist es wichtig zu verstehen, wie der Gasmarkt funktioniert.
Drei Faktoren bestimmen den Gaspreis
Der monatliche Gaspreis für Privathaushalte setzt sich aus drei Faktoren zusammen: den Beschaffungskosten, den Entgelten für die Netznutzung sowie den Steuern und Abgaben. Je nach Datenquelle und Verbrauch variieren die Anteile dieser drei Faktoren etwas. Laut dem Bundesverband der Gas- und Wasserwirtschaft (BDEW) machten im Jahr 2020 die Beschaffungskosten 41 Prozent des Gaspreises aus. Die Steuern und Abgaben machten 33 bis 35 Prozent und die Netzentgelte gut ein Viertel (24 bis 26 Prozent) aus.
Steuern und Abgaben
Der Staat erhebt eine Gassteuer in Höhe von 0,55 Cent pro Kilowattstunde für die Belieferung von Haushaltskunden. Hinzu kommt noch die Konzessionsabgabe, die an die Kommunen geht. Zusätzlich wird eine Mehrwertsteuer von 19 Prozent erhoben.
Netzentgelte
Die Netzentgelte werden vom Netzbetreiber erhoben, da dieser für die Nutzung des Versorgungszugangs und die Messeinrichtung eine Gebühr an den Staat zahlen muss. Die Netzentgelte variieren je nach Standort stark und können sich um bis zu 600 Prozent unterscheiden.
Beschaffungskosten
Die größten Preisschwankungen gibt es bei den Beschaffungskosten. Sie sind abhängig von der Nachfrage auf dem Weltmarkt, den Witterungsbedingungen und geopolitischen Krisen. Der rasante Wiederaufschwung nach der Corona-Krise hat den Bedarf nach Energie, insbesondere Gas, deutlich erhöht. Vor allem verflüssigtes Gas (LNG) wurde kaum noch nach Europa geliefert, da in Asien höhere Preise gezahlt wurden. Der ungewöhnlich lange und kalte Winter in vielen Regionen der Welt führte dazu, dass die Lagerbestände relativ niedrig sind. Momentan sind die Gasspeicher in der EU nur zu rund 71 Prozent befüllt, in Deutschland sogar nur zu 64 Prozent.
Einkaufspreise im Großhandel haben sich verdreifacht
Die gestiegene weltweite Gasnachfrage spiegelt sich an der europäischen Strombörse wider. Der Börsenpreis pro Megawattstunde Gas erreichte ein Rekordhoch von über 44 Euro. Die Beschaffungspreise für Erdgas am Terminmarkt haben sich seit Jahresbeginn verdreifacht, die Preise für kurzfristige Beschaffung sogar verfünffacht. Während im August 2020 eine Megawattstunde Erdgas im Großhandel noch 4,80 Euro kostete, sind es jetzt rund 75 Euro.
Einige Versorger kündigen erste Preiserhöhungen an
Es zeichnet sich bereits ab, dass die Versorger die höheren Beschaffungskosten an die Endverbraucher weitergeben. Laut Verivox haben 38 Gasanbieter für September, Oktober und November Preiserhöhungen von durchschnittlich 13 Prozent angekündigt. Nach Auswertungen von Check24 haben sogar 50 Versorger ihre Preise erhöht oder werden es noch tun. Die Gas-Rechnungen dürften im Durchschnitt um 11,5 Prozent teurer werden. Ein Musterhaushalt zahlt derzeit 1516 Euro jährlich für Gas.
Die steigenden Energiepreise sind ein Grund für die derzeit höchste Inflationsrate seit Jahrzehnten. Privathaushalte müssen mehr für Strom und Gas bezahlen, während der Gaspreis im Großhandel explodiert ist. Die Ursachen liegen vor allem in den gestiegenen Beschaffungskosten, der weltweiten Gasnachfrage und geopolitischen Krisen. Derzeitige Preiserhöhungen bei den Versorgern sind die Folge und werden sich auf die Endverbraucher auswirken.