Die Wahrheit über die Kreuzigung Jesu

Die Wahrheit über die Kreuzigung Jesu

Jesus

Das Rätsel um den genauen Ort der Kreuzigung Jesu gibt weiterhin Rätsel auf. War es wirklich außerhalb der Stadtmauern von Jerusalem? Kann die Grabeskirche in der Altstadt tatsächlich der Ort sein, an dem Jesus gekreuzigt und begraben wurde? Ein Experte für das Neue Testament, Pater Olivier-Thomas Venard, ist sich sicher, dass es gute archäologische Gründe gibt, die Grabeskirche, die auf Kaiser Konstantin zurückgeht, als historischen Ort des Karfreitags zu akzeptieren.

Der Widerspruch der geografischen Lage des Hinrichtungsortes

Bei einem kürzlichen Vortrag an der Ecole Biblique stimmte er dem bestehenden archäologischen Konsens zu. Der scheinbare Widerspruch im Neuen Testament hinsichtlich des Hinrichtungsortes “außerhalb der Stadt” und der heutigen Grabeskirche kann leicht aufgelöst werden. Zur Zeit Jesu verlief die Stadtmauer im Bereich der Grabeskirche anders. Erst unter Herodes Aggripa I. in den Jahren 41 bis 44 wurde die dritte Stadtmauer von Jerusalem erbaut. Dadurch kam Golgota, ein längst aufgegebener Steinbruch außerhalb der alten Mauer, innerhalb der erweiterten Stadtmauern zu liegen. Die in der Grabeskirche gefundenen Gräber aus der Zeit Jesu belegen dies. Nach jüdischem Gesetz durften Verstorbene nie innerhalb der Stadt begraben werden, daher mussten sie zuvor dort bestattet worden sein.

Golgota oder das “Gartengrab”?

Golgota ist jedoch nur eine mögliche Option und seine Historizität ist noch nicht bewiesen. Konkurrenten wie das im 19. Jahrhundert entdeckte und besonders von Protestanten bevorzugte “Gartengrab” nördlich der heutigen Stadtmauer erfüllen ebenfalls die topografischen Kriterien des Neuen Testaments – in der Nähe, aber außerhalb der Stadt, eine erhöhte und belebte Stelle in der Nähe eines Gartens mit privaten Gräbern. Warum haben die Baumeister von Konstantin im 4. Jahrhundert gerade dieses Gebiet gewählt, um eine Basilika zu errichten, auf deren Überresten die heutige Kirche steht? Konnten sie sich auf eine christliche Überlieferung berufen?

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Nach einem Bericht von Eusebius von Caesarea, einem bedeutenden Kirchenhistoriker des 4. Jahrhunderts, war dem wohl nicht so. Laut ihm wurde der vergessene Ort “dank göttlicher Eingebung” entdeckt. Kritiker sehen dies als direkten literarischen Hinweis auf eine theologische Ausrede für eine historische Lücke: Zu Beginn des 4. Jahrhunderts, also 300 Jahre nach dem Karfreitag, wusste man nicht mehr genau, wo sich der Kreuzigungsort befand. Die Kenntnis über den genauen Ort war im Laufe der Zeit verloren gegangen.

Die Überlieferung in Jerusalem

Die Mehrheit der Archäologen interpretiert die Darstellung von Eusebius jedoch genau anders herum: Die vorhandene Überlieferung des Ortes musste fiktiv als unvollständig dargestellt werden, um den Ort und seine “Entdecker” literarisch aufzuwerten. Literarische Parallelen für solche Fiktionalisierungen lassen sich finden. Aber wie steht es um die Möglichkeit einer dreihundert Jahre alten Überlieferung in Jerusalem? Seit den 30er Jahren des 2. Jahrhunderts lag das behauptete Gelände der Kreuzigung und Bestattung Jesu unter dem von Kaiser Hadrian aufgeschütteten Tempelbezirk, der zu einer paganisierten Stadt geworden war und somit unsichtbar wurde. Dennoch konnte Melito von Sardes Mitte des 2. Jahrhunderts in einer Homilie behaupten, dass Jesus “in der Mitte Jerusalems” gekreuzigt wurde. Der ortsfremde Grieche, einer der ersten Pilger überhaupt in Jerusalem, konnte diese Aussage, die den Evangelien widersprach, nur deshalb machen, weil er sich auf eine christliche Tradition vor Ort stützen konnte, nach der der einst außerhalb der Stadt gelegene Kreuzigungsort nun innerhalb derselben zu finden war.

Aber wie alt könnte eine solche Überlieferung sein? Könnte eine Überlieferung, die auf die Anfänge zurückgeht, auch die Zerstörung Jerusalems durch die Römer im Jahr 70 n. Chr. überstanden haben? Lebten Christen, die als Überlieferungsträger in Frage kamen, danach immer noch in der Stadt? Ja, sagen die Befürworter. Eusebius berichtet von ununterbrochenen Abfolgen judenchristlicher Bischöfe in Jerusalem seit dem Jahr 35, also auch für die kritische Zeit zwischen 70 und 135.

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Frühe Christen hatten auch ein Interesse an der Verehrung des Grabes Jesu. Dies entsprach der weit verbreiteten Praxis der Verehrung von Heiligengräbern im frühen Judentum. Das Felsengrab Jesu konnte die erforderliche rituelle Reinigung für die Stadterweiterung unter Herodes Agrippa unbeschadet überstehen. Monumentale Gräber jüdischer Herrscher innerhalb der dritten Mauer sind ein Beispiel dafür.

Erst im 4. und 5. Jahrhundert kamen Deutungen von christlichen Autoren auf, wonach Hadrian seinen Tempelbezirk bewusst über einem jüdisch-christlichen Heiligtum errichten ließ, um das Gedächtnis daran auszulöschen und den Triumph Roms deutlich zu machen. Damit wäre die paganisierte Anlage über dem Grab Christi ein direkter Hinweis darauf. Aufgrund der vorhandenen lokalen Traditionen suchten die Architekten von Konstantin unter dem Tempelbezirk Hadrians nach dem Grab Jesu und wurden schließlich fündig.

Jesus

Quelle: Wo wurde Jesus gekreuzigt?