Versteckt irgendwo hinter den sanft geschwungenen Weinbergen und beeindruckenden Tälern Südtirols bereitet sich die deutsche Mannschaft auf die Weltmeisterschaft 2018 in Russland vor. Doch hinter dem Luxus des deutschen Trainingslagers liegen einige unbequeme Wahrheiten.
Hinter den Kulissen des Trainingslagers
Deutschland trainiert in der Sportzone Rungg in Eppan, dem Heimatstadion des italienischen Serie-C-Vereins FC Südtirol (dessen Saison noch im Gange ist). Die Einrichtungen sind exzellent und erfüllen zweifellos die hohen Standards einer Nationalmannschaft wie Deutschland. Renovierungsarbeiten haben den Standort im Vergleich zum vorherigen Aufenthalt der Mannschaft im Jahr 2010 weiter verbessert. Zwei Rasen- und drei Kunstrasenplätze, ein Fitnessstudio und ein Rehabilitationszentrum bilden den Kern des Geländes.
Der teure Luxus
Diese Einrichtungen übersteigen jedoch bei weitem die Anforderungen eines Drittligavereins. Wie die lokale Zeitung Südtiroler Tageszeitung berichtet, betrugen die Renovierungskosten 8,34 Millionen Euro (9,7 Millionen US-Dollar) – fast eine Million mehr als geschätzt. Obwohl die Region auch die drei anderen Fußballvereine beherbergt, die in Eppan aktiv sind, ist es schwer zu übersehen, dass solche Verbesserungen gerade rechtzeitig für Deutschlands Aufenthalt vorgenommen wurden.
Die Nacht der Arbeiter
Das Fünf-Sterne-Hotel Weinegg ist unabhängig von der Anwesenheit der deutschen Mannschaft ein beliebter Ort, daher sind die für ihre Ankunft vorgenommenen Verbesserungen vielleicht verständlicher. Doch um die Renovierungen rechtzeitig abzuschließen, mussten die Bauarbeiter die ganze Nacht durcharbeiten. Wie die Münchner Tageszeitung tz berichtete, hob der Bürgermeister der Stadt, Wilfried Trettl, ein Nachtarbeitsverbot auf, um einen komplett neuen Flügel mit 39 Suiten innerhalb von sechs Monaten fertigzustellen. Lediglich zwischen 1:30 und 4:30 Uhr war es ruhig, was für die Anwohner kaum ein Trost war.
Die Fans bleiben außen vor
Dasselbe gilt für die deutschen Fans, die größtenteils ausgesperrt wurden. Abgesehen von einer leichten Trainingseinheit vor geladenen Gästen – Freunde von Partnern und Sponsoren – haben sich die deutschen Spieler abgeschottet. Bei der Ankunft im Trainingslager ist der Mannschaftsbus direkt daran vorbeigefahren, das Hotel wurde abgesperrt und einige Fans hoffen noch immer darauf, dass sie über die besuchenden Medien von offenen Trainingssitzungen erfahren. Natürlich haben die sportliche Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft Vorrang und die Spieler können nicht ständig Autogramme geben, aber ein etwas geringerer Abstand zu den Fans, die extra nach Italien gereist sind, wäre sicherlich angebracht.
Die Möglichkeit von offenen Trainingssitzungen
Teammanager Oliver Bierhoff äußerte sich am dritten Tag des Trainingslagers zu diesem Thema. Der ehemalige deutsche Stürmer brachte die Möglichkeit von offenen Trainingssitzungen ins Spiel – wie es für deutsche Vereinsmannschaften üblich ist.
„Wir werden je nach Situation eine Entscheidung treffen“, sagte Bierhoff am Freitag und fügte hinzu, dass die Sicherheitsaspekte immer berücksichtigt werden. Zwischen den Zeilen lässt sich jedoch das Gefühl erkennen, dass die Fans möglicherweise noch eine Weile auf offene Trainingssitzungen warten müssen.
Der Handel zwischen Südtirol und dem DFB
Südtirol und der Deutsche Fußball-Bund (DFB) haben eine Marketingvereinbarung getroffen, die in der heutigen Fußballwelt durchaus Sinn ergibt. Die Konditionen sehen ungefähr wie folgt aus: Die Region gibt Geld aus, um sicherzustellen, dass es der deutschen Mannschaft an nichts mangelt – laut den von dem deutschen Privatsender Sport 1 gesammelten Zahlen kostet das Trainingslager der Gemeinde Eppan 550.000 Euro und der Region Südtirol 600.000 Euro. Im Gegenzug liefern 224 akkreditierte Medienvertreter nahezu rund um die Uhr Berichterstattung über das Team – in Eppan, Südtirol.
Die Perversion des Trainingslagers
Und doch erscheint es irgendwie pervers, dass diese autonome Provinz im Norden Italiens Steuergelder verwendet, um eine besuchende Fußballmannschaft zu beherbergen, während im Süden des Landes Arbeitslosigkeit und Schulden herrschen.
Deutschlands Weltmeisterschafts-Hashtag lautet “#zsmmn”, eine social-media-freundliche Version des deutschen Wortes “zusammen”. Es steht außer Frage, dass Deutschland zusammensteht, zumindest vorerst. Der Rest der Welt scheint jedoch in weiter Ferne zu liegen.