Die Realität ist: Eine Hochzeit bedeutet noch lange nicht, dass der Partner oder die Partnerin treu bleibt. Die Scheidungsraten sind seit den 1970er-Jahren in der westlichen Welt rapide angestiegen. Mittlerweile wird jede zweite Ehe geschieden. Das hat auch damit zu tun, dass Menschen heute unabhängiger sind und damit gängige Rollen- und Familienbilder überholt sind.
Heute leben Menschen nicht mehr zusammen, weil sie es aus wirtschaftlichen Gründen müssen, sondern weil sie mit der anderen Person zusammenleben wollen. Wenn auch nur für ein paar Jahre.
Persönliche Vergangenheit spielt eine Rolle
Viele Paare scheinen sich ihre Probleme allerdings oft nicht einzugestehen oder zu spät. Je nach Umfragen und Erhebungen vergehen so im Schnitt durchaus sechs Jahre, bis sich Paare professionelle Hilfe holen und sich zum Beispiel an eine Paartherapeutin wenden. Bis dahin ist es möglicherweise zu spät, um wieder zueinanderzufinden.
Wie lange eine Ehe hält, scheint auch einiges mit der persönlichen Vergangenheit zu tun zu haben. Scheidungskinder haben bestimmte soziale Verhaltensmuster kennengelernt und lassen sich ebenfalls überdurchschnittlich häufig scheiden.
Nicht nur die Kontrolle über Glücks- und Bindungshormone gibt also den Ausschlag über den Erfolg einer Beziehung, sondern auch Lernen, Erinnerung und Verhalten spielen eine Rolle. Immerhin: Die Psycholog:innen sind sich sicher, dass Spielraum besteht. Scheidungskinder können es besser machen als ihre Eltern, dafür müssen sie aber sich und ihre Vorstellungen hinterfragen.
Nach wenigen Jahren steht eine Entscheidung an
Forschende stoßen immer wieder auf Paare, die auch nach Jahrzehnten noch von einer frischen Liebe sprechen. Sie scheinen gegen den Coolidge-Effekt immun zu sein. Dieser beschreibt, wie der anfängliche Rauschzustand verfliegt und die Partner nach etwa vier Jahren plötzlich mit einer hormonellen und neurobiologischen Leere klarkommen müssen. Das Dopamin ist verflogen, die Euphorie längst nicht mehr da, stattdessen dominiert der Alltag und etwa die Frage, warum die leere Klopapierrolle noch in der Halterung steckt.
Liebe braucht Geduld
Statt Dopamin spielt schon nach wenigen Monaten vor allem das Hormon Oxytocin eine größere Rolle. Es vermittelt Geborgenheit und Vertrauen, reduziert Stress, Anstrengung und Aggression. Das sind die Vorzüge einer langfristigen Beziehung. Doch: Mit dem Wechsel von leidenschaftlichen Begegnungen zu vertrauter Zweisamkeit kommen viele Menschen oft nicht klar. Das fehlende anfängliche Feuer hinterlässt für sie nur eine Leere.
Liebe ist nach Aussagen von Wissenschaftler:innen und Therapeut:innen oft vor allem eins: Arbeit. Eine glückliche Beziehung steht nicht von Anfang an fest und ist danach unzerstörbar. Vielmehr muss jede:r Partner:in einiges investieren, um romantische und leidenschaftliche Gefühle, Zuneigung und emotionale Wärme auch über Jahre aufrechtzuerhalten.
Der Mathematiker John Gottman versuchte, das Funktionsprinzip einer Liebe in Zahlen zu fassen – nüchterne Wissenschaft für das emotionalste Thema. Am Ende seiner Studien kam er auf das Verhältnis 5:1, das Paaren Erfolg versprechen soll. Hatten Paare fünfmal mehr Momente positiv bewertet als negativ, dann waren sie glücklich – und blieben es auch.
Abwechslung und Adrenalin können Beziehungen stärken
Auf die Art und Weise des Miteinanders scheint es anzukommen, zu diesem Schluss kommen auch andere Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Sobald sich Menschen in einer Beziehung in negativer Weise übereinander lustig machen, sich nicht mehr ernst nehmen und anfangen zu belügen, beginnt die Liebe zu verfliegen.
Offenheit und Vertrauen, selbst in schwierigen Phasen, scheinen Beziehungen zu stärken. Die Liebesforscherin Helen Fisher hat auch einen sehr praktischen Tipp für Paare: Sie sollen aus ihrem Alltag ausbrechen, ihre Routinen immer mal wieder über Bord werfen und gemeinsam Neues und Aufregendes erleben. Schon für das Kennenlernen gilt: Je mehr Aufregung und Adrenalin in dieser Situation mitspielt, desto attraktiver finden sich die Personen.
Die meisten Paare verdrängen Probleme
Auch nach Jahren und Jahrzehnten kann dies Paare weiter zusammenschweißen. Ein gemeinsames Erleben kann ihnen dabei helfen, sich nicht zu verlieren oder auseinanderzuleben. Dabei sollten Paare trotzdem auf Freiräume achten. Jeden Augenblick, jede Aktivität nur noch mit dem Partner, beziehungsweise der Partnerin zu erleben, das kann auf Dauer ebenfalls unglücklich machen.
Schmetterlinge im Bauch sind irgendwann verschwunden. In der Natur überleben Arten wie der Distelfalter rund ein Jahr. Und auch “im Bauch” flattert es bei Verliebten meist nur ein Jahr, maximal bis zu drei, schätzen Forscher. Spätestens wenn die Symptome des Verliebtseins nachlassen, ranken die ersten Zweifel.
Wer der Anfangszeit aber nur hinterhertrauert, wird Opfer seiner Erwartungen. Dass die Verliebtheit abnimmt, erklären Forscherinnen und Forscher damit, dass sich das Gehirn an die anfänglichen Ausnahmezustände gewöhnt und der Körper statt für Reize der Anziehung für chemische Reize der Bindung empfänglich wird.