Wünscht man sich beim Hund nicht in erster Linie Gesundheit und einen guten Charakter? Für viele Hundebesitzer scheint jedoch noch etwas anderes von großer Bedeutung zu sein: ein extravagantes und edles Aussehen mit einer außergewöhnlichen Fellfarbe. Aktuell sind besonders die “Blue Line” bei französischen Bulldoggen oder American Staffordshire Terriern sowie die Farben Silber, Charcoal und Champagner bei Labradoren sehr beliebt. Doch wie entstehen diese neuen Trendfarben, die nicht dem FCI-Rassestandard entsprechen?
Das Dilute-Gen und seine Folgen
Die außergewöhnliche Fellfärbung wird durch das sogenannte Dilute-Gen verursacht. Dieses Gen führt zur Verklumpung und Verkleinerung der Pigmentkörnchen und somit zu einer aufgehellten Fellfarbe. Beim Silber-Labrador handelt es sich beispielsweise um ein verdünntes Braun, beim Charcoal um ein aufgehelltes Schwarz und beim Champagner um ein versilbertes Gelb. Auf den ersten Blick mag nichts gegen silberne Labradore oder blaue Bulldoggen sprechen, doch das Dilute-Gen beeinflusst bei diesen Rassen nicht nur die Fellfarbe, sondern erhöht auch das Risiko für die Krankheit CDA (Color Dilution Alopecia).
CDA äußert sich durch starken Juckreiz, Haarausfall, Hautprobleme und schlecht heilende Wunden. Die Symptome sind so gravierend, dass ein normales Hundeleben nicht mehr möglich ist. “Es handelt sich um eine schwere Problematik, die für das Tier qualvoll und unheilbar ist”, erklärt Dr. Daniela Koppenhöfer, eine renommierte Veterinärbiologin und Autorin des Buchs “Labbylike”. Antibiotika und juckreizlindernde Medikamente können die Symptome nur vorübergehend lindern. Das ständige Kratzen führt zu chronischem Stress und kann schwerwiegende Folgekrankheiten wie Herz- und Immunsystemschäden verursachen.
“Blue Doberman Syndrome”
Nicht jeder Hund mit einer Sonderfarbe entwickelt CDA, aber jeder Hund mit CDA hat eine Sonderfarbe. Die Risiken und die damit verbundenen dramatischen Folgen werden jedoch von einigen Züchtern ignoriert oder sogar verleugnet. Sie implantieren das Dilute-Gen bewusst, um Welpen mit außergewöhnlichen Farben zu erzeugen, die oft zu überhöhten Preisen verkauft werden. “Bei genauer Betrachtung der Geschichte der Labradore stellt man fest, dass silberne Labradore in der Ursprungsbevölkerung nicht vorkamen”, erklärt Dr. Koppenhöfer. “Die Farbe wurde erst durch gezielte Züchtung in den USA eingeführt, um das visuelle Erscheinungsbild des Labradors aufzuwerten.” Der Labrador ist also kein natürlicher Träger des Dilute-Gens.
Ähnlich verhält es sich beim Dobermann. Die mit dem Dilute-Gen verbundene Erkrankung wird als “Blue Doberman Syndrome” bezeichnet. Die Zucht von blauen Dobermännern ist mittlerweile verboten und fällt unter das Qualzuchtverbot. Auch in anerkannten Zuchtverbänden der FCI und deren Untergruppen sind Hunde mit unnatürlicher verdünnter Fellfarbe schon immer verboten gewesen. Es gibt auch ein Ausstellungsverbot für alle Sonderfarben bei Labradoren und diese Tiere erhalten keine anerkannten Zuchtpapiere.
Der Weimaraner hingegen besitzt graues Fell als rassebestimmendes Merkmal, weist jedoch kein erhöhtes Risiko für CDA auf. “Der Weimaraner ist ein Jagdhund, seine graue Farbe dient der Tarnung. Er trägt das Dilute-Gen auf natürliche Weise und ist daher gesund”, erklärt Dr. Koppenhöfer. “Beim Labrador hingegen, der kein natürlicher Träger des Dilute-Gens ist, mutiert das Gen in Kombination mit anderen bisher unbekannten Genen und führt dadurch zu Krankheiten. Einfach ausgedrückt: Wenn wir ein bestimmtes Gen in einen dafür nicht vorgesehenen Körper einfügen, kann es zu schweren Schäden führen. Im Fall der Labradore mit Sonderfarben ist es leider CDA.” Ein seriöser Züchter führt daher keine Verpaarungen durch, bei denen Hunde mit verdünnter Fellfarbe entstehen können. Ein vorheriger DNA-Test gibt Auskunft darüber, ob eines der Elterntiere das Dilute-Gen trägt. Dies kann auch der Fall sein, wenn das Tier selbst keine verdünnte Fellfarbe aufweist. Die Überprüfung ist normaler Bestandteil der Zuchthygiene in anerkannten Zuchtverbänden.
Fest steht: Obwohl wir die Gesundheit eines Hundes nie vollständig beeinflussen können oder ihn vor jeder Krankheit bewahren können, können wir das Risiko minimieren, indem wir Tiere aus verantwortungsbewussten Zuchten erwerben, bei denen das Wohlbefinden des Hundes an erster Stelle steht.
Der Merle-Faktor – ein weiteres kritisches “Farb-Gen”
Das sogenannte Merle-Gen führt ebenfalls zu einer Aufhellung des Fells beim Hund. Im Gegensatz zum Dilute-Gen treten die Veränderungen jedoch nicht gleichmäßig auf, sondern in Form unregelmäßiger, zerrissener Flecken, vor allem bekannt beim Australian Shepherd. Das Merle-Gen, das einen Gendefekt darstellt, verändert nicht nur die Fellfarbe, sondern hat auch Auswirkungen auf die Augenfarbe. Die Zucht mit dem Merle-Gen ist bei bestimmten Rassen erlaubt, jedoch darf nur ein Elterntier das Gen tragen. Werden jedoch zwei Merle-Hunde miteinander verpaart, drohen schwerwiegende gesundheitliche Probleme wie Entwicklungsstörungen, Seh- und Hörprobleme bis hin zur Taubheit.
Abschließend bleibt festzuhalten: Wenn wir uns dafür entscheiden, einen Hund bei uns aufzunehmen, können wir seine Gesundheit leider niemals vollständig kontrollieren oder vor jeder Krankheit schützen. Dennoch können wir das Risiko minimieren, indem wir uns für Tiere aus verantwortungsbewussten Zuchten entscheiden, bei denen das Wohl des Hundes an erster Stelle steht.