Dsquared: Exzentrik hoch 2

Dsquared: Exzentrik hoch 2

Nö, von schlechtem Gewissen keine Spur. Dass Dean es nicht aus dem Bett geschafft hat und mit Verspätung zum Lunch gekommen ist – macht doch nichts. “Es war eine dieser Nächte!”, ruft er. Seinen Auftritt in einem Restaurant begleitet er mit einem theatralischen Schwenken seines Täschchens. Deans Bruder Dan lächelt schweigend. Zwillinge verstehen einander ohne Worte. Die Restaurantgäste haben was zu gucken: ein Twinset mit strahlend blauen Augen und Kurzhaarschnitt, beide um 1,60 Meter groß, 43 Jahre alt, in zerrissenen Jeans, weißen Oberhemden, schwarzen Stiefeln. Zwei identische Exzentriker mit Hündchen und bestgelaunt. Die Catens haben Grund zur Freude. Kaum eine Modemarke hat einen derart steilen Aufstieg erlebt wie die ihre: Dsquared.

Von der Nischenmarke zum Lieblingslabel der Stars

Dan und Dean sprechen gern und viel, am allerliebsten synchron, oft beendet der eine die Sätze des anderen. So ist es eben, versichern sie, wenn man sein Leben Seite an Seite verbringt. “Wir sind immer zusammen, wir arbeiten zusammen”, sagt Dean, “und wir haben denselben Geschmack.” Nicht nur in modischen Fragen, sondern auch – und hier wird die Sache komplizierter – bei den jeweiligen Partnern. “Da kommt es manchmal zu ulkigen Situationen”, meint Dan. “Wer mit mir ausgeht, der geht auch mit Dean aus. Und umgekehrt!” Nach einem Kurzbesuch an der renommierten Modeschule Parsons in New York und ersten Jobs in Toronto reisten sie im Alter von 25 nach Italien und schlugen sich mit dem durch, was sie am besten konnten: “Party machen, Hype aufbauen, Energie freisetzen.” Für die Modeschickeria zwischen Mailand und Riccione organisierte “D & D Productions” legendäre Themennächte, mal ging es um nasse Pyjamas, mal um Peitschen und Leder, die Supermodels kamen immer.

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1994 entwarfen sie eine 30-teilige Männerkollektion – ihre Cowboyhemden und bunt bedruckten T-Shirts kamen bestens an, besonders ihre scharf geschnittenen, extrem tief sitzenden Jeans. Unweigerlich bekam auch Madonna Wind von der Marke mit dem Motto “Born in Canada, Made in Italy”. 2001 durften sie die Sängerin für ihre “Drowned World Tour” ausstaffieren. Nun war Dsquared über Nacht von der Nischenmarke zum Lieblingslabel der Musiker und Fußballerfrauen geworden, und von dort war es zum Mainstream nicht mehr weit. Der Start ihrer Damenlinie 2002 war ein Selbstläufer, dann nahm sich mit Renzo Rosso, dem Besitzer der Firma Diesel, auch noch ein finanzstarker Partner der Zwillinge an. Mittlerweile liegen ihre Umsätze bei 86 Millionen Euro.

Schritt ins Erwachsensein

Auch das bürgerliche Publikum amüsierte sich, wenn die Catens ihren Laufsteg-Männern lederne Maulkörbe verpassten und Schlagstöcke zur Hand gaben, wenn sie mit Nutten-Chic provozierten, mit Bademeistern in Minibadehosen, mit Werbekampagnen voller Pornozitate. Nachdem vor drei Jahren der Vater gestorben war, luden die Catens all ihre Geschwister zum Defilee. 20 Jahre hatte der Vater mit den Zwillingen kein Wort gewechselt, erst kurz vor seinem Tod wieder mit ihnen gesprochen. Dean sagt: “Am Ende war er stolz auf uns, bestimmt.” Versöhnung und innerer Frieden? Was die beiden im Februar in Mailand an aktuellen Entwürfen präsentierten, deutet darauf hin, dass sie einen Schritt ins Erwachsensein getan haben. Erstmals verzichteten sie komplett auf Provokationen und zeigten eine schlichte, durchdachte Kollektion und eine reduzierte Farbpalette, die von der Kritik gefeiert wurde.