Ein Schritt in Richtung Homunkulus

Ein Schritt in Richtung Homunkulus

Die Bio-Wissenschaften haben in den letzten Jahrzehnten erstaunliche Fortschritte gemacht. Entwicklungen, die in der Natur Hunderte Millionen Jahre gebraucht haben, wurden in kürzester Zeit von Biochemikern und Genetikern nachvollzogen. Die Geschwindigkeit in diesem Bereich ist vergleichbar mit der Luftfahrttechnik zur Zeit der Gebrüder Wright oder der Atomtechnik nach der ersten Atomkernspaltung.

Futuristische Vorhersagen, die noch in den 1960er Jahren utopisch erschienen, wurden durch die Ergebnisse aus den Labors längst überholt. Bereits in den 1970er Jahren wurden Ziele erreicht, die Experten für das Jahr 1990 erwartet hatten, wie die unbegrenzte Konservierung menschlicher Samenzellen und die Einpflanzung künstlich befruchteter Eizellen in die menschliche Gebärmutter.

Die neuesten Erfolgsmeldungen der Bio-Forscher und -Ingenieure bestätigen, dass wir uns anscheinend unaufhaltsam der “zweiten Genesis” nähern – der kommenden Kontrolle über das Leben. Unternehmen wie der Schweizer Pharmakonzern Sandoz oder große US-Firmen arbeiten daran, körpereigene Botenstoffe nachzubauen, die im menschlichen Gehirn Schmerz betäuben, Lust oder Wahn auslösen können.

In den USA laufen erste Versuche zur Korrektur angeborener Stoffwechselstörungen, indem das fehlende genetische Programm für die Produktion bestimmter Eiweißkörper in die Zellen der Patienten geschleust wird. Die Firma “Genentech” produziert bereits das Hormon “Somatostatin” und arbeitet an der Mengenproduktion von Insulin.

Ein schweizerisch-amerikanisches Biochemikerteam hat Mäusezellen mit Menschenzellen verschmolzen, um herauszufinden, welche Teile des genetischen Codes für bestimmte Aufgaben in der menschlichen Zelle verantwortlich sind. In den Mäusenachkommen war nur noch das Menschen-Chromosom 17 nachweisbar, das offensichtlich das genetische Programm für das Fell der Mäuse verändert hatte.

Auch das Klonen von Tieren ist bereits möglich. Aus den Darmzellen von Fröschen konnten Biochemiker bis zu 30 identische Kopien des Elterntieres herstellen. Nun wurde erstmals auch die ungeschlechtliche Fortpflanzung von Mäusen auf ähnliche Weise erfolgreich durchgeführt.

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Die Behauptung des US-Schriftstellers David Rorvik, dass ein amerikanischer Millionär eine Kopie von sich selbst austragen ließ, sorgte für Aufsehen in der Fachwelt. Obwohl diese Erzählung nicht verifiziert werden konnte, verriet die hitzige Reaktion der Experten ihre Unsicherheit. Zwar ist das Klonen von Menschen derzeit noch unmöglich, aber im Prinzip spricht kein Naturgesetz dagegen, dasselbe eines Tages auch beim Menschen zu machen.

Die Entwicklungen in den Bio-Wissenschaften laufen auf einen imaginierten Fluchtpunkt zu – die Vision vom künstlichen Menschen. Diese Vision spukt seit Jahrtausenden durch die Köpfe von Naturphilosophen, Alchemisten und Dichtern. Von den Idealmenschen des Altertums über den Golem der jüdischen Legende bis hin zum “Homunculus” des Paracelsus und der Kreatur Alraune aus Goethes “Faust”. Sogar der österreichische Dichter Robert Hamerling ahnte bereits im 19. Jahrhundert die Methode des britischen Gynäkologen Steptoe voraus.

Die Bio-Wissenschaften entwickeln sich rasant weiter und bringen sowohl faszinierende Möglichkeiten als auch ethische Fragen mit sich. Obwohl jedes einzelne Experiment zunächst weder einen unverzichtbaren Nutzen noch ein unkalkulierbares Risiko für die Menschheit darstellt, ist es wichtig, die Entwicklungen kritisch zu begleiten und ihre Auswirkungen zu bedenken.