Elektroautos als potenzielle Stromspeicher und Netzstabilisatoren

Elektroautos als potenzielle Stromspeicher und Netzstabilisatoren

Elektroautos erfreuen sich in Deutschland einer wachsenden Beliebtheit. Mit rund 60.000 zugelassenen Batterie-elektrischen Fahrzeugen (Mai 2018) und einer jährlichen Steigerungsrate von 70 Prozent stellen sie eine bedeutende Entwicklung dar. Doch was passiert, wenn ein Teil dieser Fahrzeuge ihre Batteriekapazität dem Netzbetreiber zur Verfügung stellen würde? Könnten Elektroautos als Stromspeicher zur Netzstabilisierung dienen?

Potenzielle Kapazitäten von Elektroautos

Angenommen, die Gesamtkapazität eines Fahrzeug-Akkus beträgt 40 kWh. Davon könnte die Hälfte dem Netzbetreiber zur Verfügung gestellt werden, da nicht kontinuierlich die volle Kapazität benötigt wird. Bei 10.000 Elektroautos, die jeweils 20 kWh zur Verfügung stellen, ergibt sich eine Gesamtkapazität von 200.000 kWh bzw. 200 MWh. Dies entspricht etwa 14-mal der Kapazität des Schweriner Speichers, der 14,5 MWh umfasst und immerhin 11,9 Millionen Euro gekostet hat.

Wie könnte das funktionieren?

Stellen wir uns vor, das Elektroauto steht zuhause und ist mit einer privaten Ladestation verbunden. Sobald es angeschlossen ist, meldet es sich automatisch beim Netzbetreiber: Bereit! Über eine App gibt der Fahrer an, dass er beispielsweise am nächsten Morgen um 7 Uhr den Akku mindestens halbvoll haben möchte oder komplett aufgeladen. Währenddessen steht dem Netzbetreiber die Hälfte oder die gesamte Kapazität des Akkus zur Verfügung. Auf diese Weise könnte der Netzbetreiber einen Teil der regelmäßigen Spitzenlast zwischen 18 und 20 Uhr mit Strom aus den Akkus der angeschlossenen Elektroautos abdecken. Lediglich der Rest, der in der App festgelegt wurde, würde im Akku verbleiben. In Zeiten niedriger Nachfrage nach Mitternacht könnte der Netzbetreiber den Akku mit günstigem Strom aufladen. Das Ganze soll sicherstellen, dass der gewünschte Ladezustand zum eingestellten Zeitpunkt am nächsten Tag gewährleistet ist. Wer weiß, dass er am nächsten Tag nicht fahren wird, kann sogar zur Abdeckung der morgendlichen Spitzenlast beitragen und so auf die Bereitstellung von Regelleistung aus Braunkohlekraftwerken verzichten. Die teilnehmenden Elektroautos bilden gemeinsam ein Spitzenlastkraftwerk und bieten dem Netzbetreiber “Regelleistung” an. So nennen Netzbetreiber diese Leistung. Der Großteil des Ladens würde also zu Zeiten erfolgen, in denen Überschuss-Strom am Markt verfügbar ist, der nicht verschenkt oder gar exportiert werden müsste, wie es heute der Fall ist. In einigen Fällen muss der Stromproduzent sogar dafür zahlen, dass sein Strom abgenommen wird. Die in den Akkus gespeicherte Ladung könnte in Spitzenlastzeiten genutzt werden. Elektroautos könnten somit zur Netzstabilisierung beitragen. Dieses Verfahren wird von Netzbetreibern Vehicle-to-Grid (V2G) genannt.

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Technische Voraussetzungen

Zumindest der japanische Ladestandard ChadeMo (verwendet in Nissan und Kia-Fahrzeugen) unterstützt technisch das V2G-Verfahren. Der europäische Ladestandard CCS (Combined Charging System) bietet vermutlich ebenfalls die Voraussetzungen dafür. Es wird lediglich ein Wechselrichter benötigt, der den Gleichstrom aus dem Akku in Wechselstrom umwandelt, der in das Netz eingespeist werden kann. Zurzeit sind in Deutschland noch nicht alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt.

Attraktive Preisminderungen notwendig

Um die gewünschte Teilnahme und Unterstützung der Autobesitzer bei der Planung ihrer Fahrten sowie der Bereitstellung der Hardware zu gewährleisten, müsste der Netzbetreiber attraktive Preisminderungen beim Strom anbieten. Nur so könnte sichergestellt werden, dass eine ausreichende Anzahl an Elektroauto-Besitzern Verträge abschließt. Es bietet sich die Möglichkeit eines vielfachen Nutzens: Der Netzbetreiber erhält ohne größere Investitionen Akkuspeicher-Kapazität, die eine umfangreiche elektrische Regelleistung zur Stabilisierung der Netze und zur Ausgleichung der Nachfrage bieten kann. Gleichzeitig profitieren die Elektroauto-Besitzer von günstigem Strom.

Praktische Beispiele und Feldversuche

Die Niederlande haben bereits Feldversuche, bei denen Tesla-Fahrzeuge für die Steuerung des Zeitpunkts und der Intensität des Ladevorgangs verwendet wurden. Dabei ging es jedoch noch nicht um die Entnahme von Strom aus dem Akku. In Utrecht stehen bereits Ladesäulen, die sowohl das bidirektionale Laden als auch das Entladen unterstützen. Der örtliche Carsharing-Anbieter LomboXnet vermietet 50 Renault Zoe, die an 22 kW-Ladesäulen angeschlossen sind, wenn sie nicht unterwegs sind. Dabei werden sie geladen, wenn überschüssiger Strom günstig verfügbar ist, oder in freigegebenen Zeiträumen entladen, wenn der Strom knapp und teuer ist. Private Elektroauto-Besitzer können diesen Vorgang über die Jedlix-App steuern. In Dänemark wurden ebenfalls bereits V2G-Feldversuche mit dem Nissan Leaf durchgeführt, wobei laut Angaben eine jährliche Ersparnis von rund 1300 Euro für die Bereitstellung von Regelleistung erzielt wurde. In Großbritannien plant einer der größten Netzbetreiber, OVO, im Jahr 2018 Eigentümern des neuen Nissan Leaf die Teilnahme an einem V2G-Projekt anzubieten. Die möglichen Ersparnisse für den Fahrzeugeigentümer liegen dabei zwischen 350 und 400 Pfund (396 bis 452 Euro) pro Jahr.

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Deutsche Untersuchungen

In Deutschland wurde bereits eine umfangreiche Untersuchung (Intelligente Netzanbindung von Elektrofahrzeugen zur Erbringung von Systemdienstleistungen, INEES) durchgeführt, die im Zeitraum vom 1. Juni 2012 bis zum 31. Dezember 2015 das Verhalten der Nutzer sowie technische, wirtschaftliche und rechtliche Aspekte der Integration von batterieelektrischen Pkw in das Stromnetz zur Bereitstellung von Sekundärregelleistung zur Netzstabilisierung untersuchte und bewertete. Das Ergebnis war, dass dies grundsätzlich möglich ist. Es wurden notwendige technische Entwicklungen und rechtliche Anpassungen beschrieben.

Elektroautos als Netzstabilisatoren

Anstatt zu einer Gefahr für die Stabilität der Stromnetze zu werden, bieten batterieelektrische Autos das realistische Potenzial, die Netze zu stabilisieren. Sie können kurzfristige Strombedarfsspitzen des öffentlichen Netzes innerhalb von Sekunden abdecken und überschüssigen Strom zur richtigen Zeit zur Akkuladung nutzen. Durch die intelligentere Nutzung von Elektroauto-Batterien könnten wir somit nicht nur die Vorteile einer nachhaltigen Mobilität genießen, sondern auch zur Stabilität und Effizienz unseres Stromnetzes beitragen.