Energiegenossenschaften: Eine bedrohte Erfolgsgeschichte

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Die Energiegenossenschaften haben in den letzten Jahren einen regelrechten Boom erlebt. Doch nun stellt sich die Frage, ob diese Entwicklung von Dauer ist, da die alte Energiewirtschaft wieder an Einfluss gewinnt. Die Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) erschwert Bürgerprojekten den Weg. Einspeisevergütungen werden gekürzt und die “Sonnensteuer” mindert die Attraktivität der Selbstversorgung mit PV-Anlagen und Blockheizkraftwerken. Es ist ungewiss, ob Verbraucher und kleine regionale Bürgergenossenschaften überhaupt noch eine Chance gegenüber finanzstarken Konzernen haben, wenn Projekte in Zukunft ausgeschrieben werden müssen. Zusätzlich verunsichert die Novelle des Kapitalanlagegesetzbuchs (KAGB) lokale Initiativen.

Das Ende eines Erfolgsmodells

Erdgas, Solarstrom und Atomkraft sind häufige Themen in aktuellen Diskussionen. Die Genossenschaftsform hat in den letzten Jahren in diesem Bereich eine beachtliche Rolle gespielt. 2011 wurden in Deutschland zwei Drittel aller Neugründungen im Energiesektor als Energiegenossenschaften registriert. Besonders in Bayern und Baden-Württemberg erfreuten sich diese Gesellschaftsformen großer Beliebtheit. Mehr als die Hälfte aller neuen Energiegenossenschaften hatten ihren Sitz in einem dieser beiden Bundesländer.

Die Werte einer Genossenschaft

Die Genossenschaftsform erfreut sich in der Gesellschaft großer Sympathie. Sie repräsentiert nicht nur eine Unternehmensform, sondern ist auch ein Bekenntnis zu gesellschaftlichen Werten und dem Zusammenhalt der Bürger. Das Demokratieprinzip, bei dem jeder Genosse unabhängig von seiner Einlage eine Stimme in der Mitgliederversammlung hat, und das Solidaritätsprinzip, bei dem unbezahlte Vorleistungen und ehrenamtliche Arbeit üblich sind, gehören zum Genossenschaftskonzept.

Bürgerbeteiligung und Selbstverwaltung

Das Genossenschaftsmodell wird nicht nur aus wirtschaftlicher Not heraus gewählt, sondern findet auch aufgrund des Wunsches nach Bürgerbeteiligung und Selbstverwaltung immer mehr Zustimmung. Die Menschen suchen eine Alternative zu profitorientierten Investoren und der damit verbundenen Fremdbestimmung. Lokale Bürgergesellschaften sind bewusst eine Gegenbewegung zu den internationalen Finanzmärkten. Oftmals sind Genossenschaftsbanken bei der Gründung von Energiegenossenschaften beteiligt.

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Gemeinsame Interessen

Im Energiesektor, der von gesellschaftlichen Debatten und Auseinandersetzungen geprägt ist, bietet die Genossenschaft attraktive Möglichkeiten. Sie löst Interessenkonflikte auf und bringt unterschiedliche Gruppen zusammen. Die Genossenschaften versorgen sich selbst mit Energie und sind ein Paradebeispiel für gelungene Zusammenarbeit. Ein erfolgreiches Beispiel ist eine Genossenschaft in St. Peter im Schwarzwald. Hier haben Bürger einen Hackschnitzelkessel installiert und mehrere Kilometer Rohrleitungen verlegt. Unterstützt durch Fachkräfte aus verschiedenen Bereichen haben sie über fünf Millionen Euro in das Heizwerk und die Wärmeleitungen investiert.

Die Rolle der Kommunen

Kommunen beteiligen sich manchmal direkt an den Energiegenossenschaften. Es gibt sogar Fälle, in denen die Gründung von Bürgergenossenschaften von der Stadt ausgeht, wie zum Beispiel in Aalen bei der “OstalbBürgerEnergie”. In Titisee-Neustadt ist die Stadt zusammen mit den Elektrizitätswerken Schönau (EWS) an der Gründung der Energieversorgung Titisee-Neustadt (EVTN) beteiligt. Die Mehrheit der Stadtwerke gehört der Stadt, während zehn Prozent der Anteile einer Bürgergenossenschaft gehören. Die EWS, eine stark wachsende Genossenschaft mit über 3.500 Mitgliedern, hält 30 Prozent der Anteile.

Hindernisse und Chancen

Trotz aller Sympathie für Genossenschaften stehen diese vor großen Unsicherheiten. 30 Prozent der bestehenden Genossenschaften planen keine weiteren Projekte mehr aufgrund der unsicheren gesetzlichen Rahmenbedingungen. Die gesunkenen Vergütungen für Solarstrom und der Wegfall des Grünstromprivilegs machen es den Genossenschaften schwer. Auch das neue Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB) birgt Risiken. Dennoch bieten sich Chancen im Wärmesektor, da Nahwärmenetze und ungenutzte Biogasanlagen noch viel Potenzial haben.

Trotz des Gegenwinds aus Berlin geben die Befürworter der Bürgerbeteiligung nicht auf. Die Modelle werden zwar komplexer, aber es gibt Beispiele wie die Energiegenossenschaft Odenwald (EGO), die mit einem breiten Spektrum an Angeboten erfolgreich ist. Sie wurde 2009 gegründet und hat mittlerweile mehr als 1.800 Mitglieder. Die Genossenschaft hat über 60 Photovoltaikanlagen und zwei Windkraftanlagen realisiert und beliefert seit 2013 ihre Mitglieder mit Ökostrom zu einem günstigeren Preis als der regionale Energieversorger.

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Trotz aller Hindernisse besteht die Hoffnung, dass sich die Entwicklung zu einer bürgernahen Energiewirtschaft fortsetzt und eine Energiewende vor Ort ermöglicht.