Energiekosten: Ist deutscher Industriestrom wirklich am teuersten?

Energiekosten: Ist deutscher Industriestrom wirklich am teuersten?

Deutschland ist bekannt für seine starke Industrie und den damit verbundenen enormen Energiebedarf. Dies betrifft Branchen wie Aluminiumwerke, Hersteller von Baustoffen und die Chemieindustrie. Letztere allein verbraucht rund zehn Prozent des deutschen Stroms. Der Branchenverband VCI beklagt, dass die Strompreise, insbesondere seit der Energiekrise, deutlich zu hoch sind. VCI-Hauptgeschäftsführer Wolfgang Große Entrup warnt: “Eines steht fest: Es ist drei Minuten vor Zwölf. Unsere energieintensive Industrie in Deutschland ist schlichtweg nicht mehr wettbewerbsfähig.”

Doch wo steht Deutschland wirklich in Bezug auf die Industriestrompreise? Wie haben sich die Preise entwickelt? Und wie steht Deutschland im europäischen und globalen Vergleich da? Schauen wir uns die Fakten genauer an.

Wie haben sich die Preise entwickelt?

Laut dem Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft liegt der Industriestrompreis in Deutschland immer noch höher als vor der Energiekrise, die durch den russischen Angriff auf die Ukraine ausgelöst wurde. Im Jahr 2021 betrug der Preis mit Steuern und Umlagen gut 21 Cent pro Kilowattstunde. Im bisherigen Jahresschnitt 2023 sind es bereits 26,5 Cent. In der zweiten Hälfte des Jahres 2022 war der Preis aufgrund der akuten Energiekrise sogar doppelt so hoch.

Wo steht Deutschland im europäischen Vergleich?

Laut der europäischen Statistikbehörde Eurostat entspricht der Industriestrompreis in Deutschland ziemlich genau dem Durchschnitt der EU. In Ländern wie Dänemark, Italien oder Belgien ist er teilweise erheblich höher. Hingegen sind die Preise in Ländern wie Polen, Portugal oder Frankreich niedriger. Insbesondere Frankreich spielt eine Sonderrolle, da der Staatskonzern EDF eine erhebliche Menge Strom zu regulierten Preisen abgeben muss, von dem viele Industriebetriebe profitieren.

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Gibt es überhaupt “den” Industriestrompreis?

Nein, denn der Strompreis setzt sich aus vielen Komponenten zusammen. Neben den Großhandelspreisen, die in Deutschland und ganz Europa relativ hoch sind, zahlen Unternehmen auch für Netze, Steuern und Umlagen. Es gibt jedoch auch Unternehmen, die von bestimmten Steuer- und Umlagenbefreiungen profitieren oder spezielle Verträge mit Versorgungsunternehmen haben. Generell lässt sich sagen, dass größere energieintensive Unternehmen wahrscheinlicher von solchen Sonderregelungen profitieren.

Wie steht Deutschland global da?

Daten der Internationalen Energieagentur zeigen, dass Deutschland und Europa im Vergleich zu anderen Ländern vergleichsweise teuren Industriestrom haben. Die Preise liegen etwa drei Mal so hoch wie in den USA oder Kanada und rund ein Drittel höher als in Japan. Es ist jedoch schwierig, genaue Vergleiche anzustellen, da es große Unterschiede zwischen verschiedenen Branchen gibt. Zuverlässige Vergleichsdaten über Strompreise von Industriebetrieben weltweit fehlen.

Die politische Debatte über einen Industriestrompreis wird somit durch das Fehlen klarer Vergleichsdaten nicht gerade erleichtert. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation in Zukunft entwickeln wird.