Erbverzicht vs. Pflichtteilsverzicht

Erbverzicht vs. Pflichtteilsverzicht

Die Unterscheidung zwischen einem Erbverzicht und einem Pflichtteilsverzicht ist von großer Bedeutung. Ein aktuelles Urteil des OLG Köln (OLG Köln, Urteil vom 21.01.2021 – 24 U 48/20) lenkt die Aufmerksamkeit auf diesen signifikanten Unterschied. Ein vollständiger Verzicht ändert die Erbquoten und somit die auszugleichenden Beträge im Rahmen möglicher Pflichtteilsansprüche.

Pflichtteilsverzicht

Wenn nur auf den Pflichtteil verzichtet wird, bleibt der Verzichtende nach wie vor gesetzlicher Erbe. Der Verzicht bezieht sich lediglich darauf, seinen Pflichtteil nicht geltend zu machen, falls er ganz oder teilweise von der Erbschaft ausgeschlossen wird. Angenommen es gibt zwei Erben und jeder wäre Erbe zu je 50%, dann würde ein Pflichtteilsverzicht nichts an dieser Tatsache ändern.

Hier ist anzumerken, dass der gesetzliche Pflichtteil gemäß § 2303 Abs. 1 Satz 2 BGB die Hälfte des gesetzlichen Erbteils ausmacht. Im oben genannten Beispiel betrüge der Pflichtteil, wenn einer der Erben testamentarisch von der Erbfolge ausgeschlossen würde und keinen Pflichtteilsverzicht erklärt hätte, 25%.

Selbst bei einem Pflichtteilsverzicht bliebe die Erbquote bei beiden Erben weiterhin bei 50%. Wenn es keine letztwilligen Verfügungen gibt und das gesetzliche Erbrecht anwendbar ist, wären beide zu je 50% Erben. Würde ein Erbe von der Erbschaft ausgeschlossen werden, bliebe die theoretische Erbquote von 50% bestehen und der Pflichtteilsanspruch dieser Person würde 25% betragen.

Vollständiger Erbverzicht

Anders verhält es sich beim vollständigen Erbverzicht. Bei einem solchen Verzicht wird der verzichtende Erbe gemäß § 2310 Satz 2 BGB bei der Berechnung der Erbquote nicht berücksichtigt. Im oben genannten Beispiel würde dies bedeuten, dass bei einem Verzicht die Erbquote des nichtverzichtenden Erben 100% beträgt. Mit anderen Worten: Jemand, der einen vollständigen Erbverzicht erklärt, wird so behandelt, als existiere er gar nicht (§ 2346 Abs. 1 Satz 2 BGB).

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Das OLG Köln urteilte in einem aktuellen Fall, bei dem diese Tatsache zu einem recht kuriosen Ergebnis führte. Gemäß § 2348 BGB ist ein Erbverzicht oder Pflichtteilsverzicht notariell zu beurkunden. Es gibt jedoch eine Ausnahme gemäß § 127a BGB, die besagt, dass die notarielle Beurkundung bei einem gerichtlichen Vergleich durch die Aufnahme der Erklärung in ein Protokoll nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung ersetzt werden kann. Dies birgt jedoch erhebliche Risiken, da die notarielle Beurkundung von Bedeutung ist, um die sachkundige Belehrung gemäß § 17 BeurkG (Schutzfunktion), den Schutz vor unüberlegten Handlungen (Warnfunktion) und die Sicherung des Beweises über den Abschluss und Inhalt des Erbverzichts (Beweisfunktion) zu gewährleisten (BeckOK BGB, Hau/Poseck, 59. Auflage, Stand: 01.08.2021, § 2348 BGB Rn. 1).

In dem vorliegenden Fall gab es zwei Töchter und somit zwei Erben. In einem früheren Gerichtsverfahren hatte eine Tochter schriftlich einen Erbverzicht erklärt. Es war also (zumindest rechtlich gesehen) klar, dass diese Person im Falle eines zukünftigen Erbfalls so behandelt würde, als ob sie nicht mehr am Leben wäre (§ 2346 Abs. 1 Satz 1 BGB). Nun wurde jedoch im weiteren Verlauf genau diese Tochter, die den Erbverzicht erklärt hatte, durch eine letztwillige Verfügung zur Alleinerbin bestimmt. Die Folge war, dass die andere Tochter, die keinen Verzicht erklärt hatte, testamentarisch von der Erbfolge ausgeschlossen wurde. Gemäß § 2303 Abs. 1 Satz 1 BGB hatte sie somit einen Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte des Wertes des gesetzlichen Erbteils. Bei der Berechnung dieser sogenannten Erbquote werden, wie oben dargestellt, diejenigen, die einen Erbverzicht erklärt haben, nicht berücksichtigt. Da eine der beiden Töchter einen Erbverzicht erklärt hatte und nicht berücksichtigt wurde, ergab sich eine Erbquote von 100% für die verbleibende Tochter. Da diese Tochter jedoch durch die letztwillige Verfügung vom Erbe ausgeschlossen worden war, erhielt sie einen Pflichtteilsanspruch in Höhe der Hälfte, also 50%.

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Ein etwas kurioses Ergebnis entstand also, da trotz eines Erbverzichts und einer Enterbung durch letztwillige Verfügung am Ende alle (zwei) Erben ihren gesetzlichen Erbteil – zumindest wertmäßig – erhielten. Es ist jedoch zu beachten, dass der Pflichtteilsanspruch lediglich ein Anspruch auf Zahlung in Geld ist.

Der Unterschied besteht darin, dass bei der gesetzlichen Erbfolge beide Töchter jeweils zu 50% Eigentümerinnen von allem geworden wären, während diese Gestaltung dazu führt, dass eine Tochter alles erbt und die andere Tochter einen Anspruch auf Zahlung in Höhe der Hälfte des Wertes der Erbmasse hat.

Aus dem Sachverhalt geht nicht hervor, ob der Ausschluss der verzichtenden Tochter nachträglich korrigiert werden sollte oder ob die Erblasserin später entschieden hatte, die verzichtende Tochter zu bedenken und die andere Tochter tatsächlich vom Erbe auszuschließen. Da das Urteil in der Berufungsinstanz erging, ist von letzterem auszugehen. Dieses Urteil verdeutlicht, wie riskant es ist, einen Erbverzicht durch einen gerichtlichen Vergleich ohne ausreichende rechtliche Beratung zu erklären. Es ist ratsam, die Vermögensverteilung bei größeren Vermögen im Voraus durch rechtliche Beratung zu regeln und möglicherweise anschließend durch ein notarielles Testament zu bestätigen.