Erdbeben in der Türkei und Syrien: Eine Analyse der katastrophalen Auswirkungen

Erdbeben in der Türkei und Syrien: Eine Analyse der katastrophalen Auswirkungen

Es geschah am frühen Montag, dem 6. Februar, in der türkisch-syrischen Grenzregion: ein Erdbeben historischen Ausmaßes. Die Region gilt als eine der aktivsten Erdbebenzonen der Welt, aber ein derart schweres Beben hatte es dort schon lange nicht mehr gegeben. Das letzte Beben vergleichbarer Stärke ereignete sich vor fast 1000 Jahren im Jahr 1144, mit einer Stärke von 7,7. Nun folgte auf das Beben der Stärke 7,8 um 13.24 Uhr ein zweites schweres Beben der Stärke 7,5. Tausende Häuser stürzten ein, über 5000 Menschen verloren ihr Leben, 13,5 Millionen Menschen sind indirekt betroffen und es gab über 200 Nachbeben. Wie konnte es zu dieser verheerenden Katastrophe kommen?

Knautschzone mehrerer Kontinentalplatten

Die Ursache für Erdbeben liegt in den plattentektonischen Bewegungen. Die Erde besteht aus sieben großen und mehreren kleinen beweglichen Platten, darunter die Eurasische Platte, auf der sich auch Deutschland befindet. Im betroffenen Grenzgebiet treffen mehrere Platten aufeinander: die Eurasische, die Anatolische und die Arabische Platte. Die Kollision der Arabischen Platte mit der Eurasischen Platte drückt die dazwischen liegende Anatolische Platte mit einer Geschwindigkeit von etwa zwei Zentimetern pro Jahr nach Westen, wie der britische Geowissenschaftler David Rothery erklärt. Über die Jahre bauen sich entlang der Bruchlinien Spannungen auf, bis diese Spannungen stark genug sind, um den Widerstand zu überwinden und die Gesteinsmassen mit einem plötzlichen Ruck aufeinanderprallen zu lassen. Genau in diesem Moment ereignet sich ein Erdbeben. Die Schwere des Bebens lässt sich auch dadurch erklären, dass es schon so lange kein vergleichbares Beben mehr gegeben hat und sich dementsprechend viel Spannung aufbauen konnte.

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Geringe Tiefe und große Energie

Das Beben ereignete sich in einer vergleichsweise geringen Tiefe von nur 17,9 Kilometern zur Erdoberfläche. Diese Kombination aus hoher Stärke und geringer Tiefe machte das Beben äußerst zerstörerisch, wie der britische Professor für Bauingenieurwesen und Erdbebenforschung, Mohammad Kashani, erklärt. Zudem wurde viel mehr Energie freigesetzt, was das Ausmaß der Zerstörung noch verschlimmerte. Laut Joanna Faure Walker, Direktorin des britischen UCL-Instituts für Risiko- und Katastrophenmanagement, setzte das Erdbeben in der Türkei etwa 250-mal mehr Energie frei als das Erdbeben der Stärke 6,2, das 2016 Mittelitalien erschütterte und 300 Menschenleben forderte. Die freigesetzte Energie und die höhere Stärke des Bebens haben zur Folge, dass ein viel größeres Gebiet betroffen ist. Die Stärke von Erdbeben lässt sich nicht linear messen: Jeder Schritt nach oben entspricht dem 32-fachen der freigesetzten Energie. Ein Beben der Stärke 7,8 gibt etwa 6000-mal mehr Energie frei als Beben der Stärke 5, die normalerweise in der Region auftreten.

Infrastruktur als weiterer Faktor

Die lokale Infrastruktur spielt ebenfalls eine entscheidende Rolle. In den letzten 50 Jahren ereigneten sich die tödlichsten Erdbeben der Welt in der Türkei. Dies lag allerdings nicht daran, dass die Beben dort am stärksten waren. Die Zahl der Todesopfer hängt nicht nur vom Ausmaß der Katastrophe ab, sondern auch von der Anzahl der Menschen in der betroffenen Region sowie von der Qualität und Bauweise der Gebäude, wie Joanna Faure Walker erklärt.

Instabile Infrastruktur in der Türkei

Das Erdbebengebiet in der Türkei und Syrien beherbergt mehrere Metropolen, darunter das syrische Aleppo sowie die türkischen Städte Adana und Gaziantep, die nahe dem Epizentrum des Bebens liegen. Mehrere Tausend Gebäude sind bereits eingestürzt, und weitere Nachbeben könnten noch mehr Gebäude zum Einsturz bringen. Obwohl Gebäude in der Türkei seit 2004 modernen erdbebensicheren Standards entsprechen sollten, gibt es immer noch viele ältere Gebäude, die möglicherweise nicht den modernen Erdbebenvorschriften entsprechen und daher für ein Erdbeben dieser Stärke nicht ausreichend geplant und konstruiert wurden, wie Kashani erklärt. Sogar neuere Gebäude erweisen sich als nicht erdbebensicher, was darauf hindeutet, dass möglicherweise falsche statische Berechnungen oder Pfusch am Bau die Ursache sein könnten. In Syrien ist die Infrastruktur aufgrund des langjährigen Bürgerkriegs ohnehin in einem extrem schlechten Zustand.

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Hätten Frühwarnsysteme helfen können?

Die Türkei ist bekannt für häufige Erdbeben, vor allem in der Nordanatolischen und Ostanatolischen Verwerfung, entlang derer es immer wieder zu Erschütterungen kommt. Die Seismologen rechnen deshalb mit einem größeren Beben in der Zukunft, wissen jedoch nicht genau, wann es stattfinden wird. Bisher lassen sich Erdbeben nicht vorhersagen. Allerdings gibt es Frühwarnsysteme, die die sogenannte Primärwelle messen können. Leider vergehen zwischen der Primär- und der zerstörerischen Sekundärwelle oft nur wenige Sekunden. Dies ist nicht ausreichend, um den Ort zu verlassen, aber beispielsweise um Strom- und Gasleitungen abzuschalten und so Folgeschäden zu minimieren. Diese Systeme haben jedoch beim aktuellen Erdbeben wenig geholfen, da es für Erdbeben mit einer Stärke über 3 keine Vorbeben gab und die Vorwarnzeit aufgrund der Nähe von Gaziantep zum Epizentrum des aktuellen Bebens zu kurz war, wie die Wissenschaftlerin Patricia Martinez Garzon vom GZF Potsdam erklärt.

Erdbebenprävention: Vorbereitung und Reaktion

Einige Kritiker, wie der führende türkische Ingenieur Huseyin Alan, werfen der Regierung vor, die Warnungen nicht ernst genug genommen zu haben. So befindet sich beispielsweise ein Flughafen auf einer Demarkationslinie, was völlig inakzeptabel ist. Erdbeben können bisher nicht mit ausreichender Vorlaufzeit sicher vorhergesagt werden. Laut der britischen Vulkanologin Carmen Solana hängt die Schwere eines Bebens vor allem von zwei Faktoren ab: der Vorbereitung, wie zum Beispiel erdbebensicherer Infrastruktur, und einer effektiven Reaktion. Aufgrund der lückenhaften und wenig widerstandsfähigen Infrastruktur in der Südtürkei und insbesondere in Syrien hängt die Rettung von Menschenleben jetzt hauptsächlich von der Reaktion ab. Dieses Erdbeben dient als Warnung für den Westen der Türkei, da bei einem prognostizierten Beben dort bis zu 100.000 Menschenleben gefährdet sein könnten.

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