Erschöpft bei kleinster Belastung

Erschöpft bei kleinster Belastung

Es gibt Momente, in denen wir uns bereits nach geringster Anstrengung erschöpft fühlen. Dies kann verschiedene Ursachen haben. Häufig tritt Müdigkeit in Zusammenhang mit einer zugrunde liegenden Erkrankung auf. Besonders seelische Störungen wie Depressionen und Angststörungen sind eng mit Erschöpfungszuständen verbunden. Aber auch chronische somatische Erkrankungen wie Herzinsuffizienz, Multiple Sklerose, Morbus Parkinson oder rheumatoide Arthritis gehen oft mit Müdigkeitssymptomen einher. Zusätzlich wird bei Tumorpatienten häufig das sogenannte Fatigue-Syndrom diagnostiziert. Es konnte jedoch bis jetzt kein Zusammenhang zwischen Anämie oder Hypotonie und Müdigkeit hergestellt werden.

Auch bestimmte Medikamente können anhaltende Müdigkeit als Nebenwirkung mit sich bringen. Besonders problematisch sind Benzodiazepine mit langen Halbwertszeiten, einige Antidepressiva und Neuroleptika, Antihypertensiva oder Antihistaminika.

Chronisch überlastet

Was aber, wenn eine ungewöhnliche, anhaltende Müdigkeit sich nicht durch seelische oder körperliche Grunderkrankungen erklären lässt? In seltenen Fällen kann das chronische Erschöpfungssyndrom (CFS), auch bekannt als myalgische Enzephalitis, die Ursache sein.

Der streng definierte Symptomenkomplex des CFS ist mit keiner anderen Erkrankung assoziiert und lässt sich durch keinen definierten Pathomechanismus erklären. Daher sollte der Arzt mittels Laboruntersuchungen und bildgebenden Verfahren zunächst andere Ursachen ausschließen. Auch die Entstehung des Syndroms ist weitgehend unklar. Bei manchen Patienten könnte eine virale Infektion am Anfang der Krankheit stehen, die mit Symptomen wie Muskelschmerzen oder einer herabgesetzten Leistungsfähigkeit einhergeht. Durch kognitive Veränderungen und Verhaltensanpassungen kann ein chronischer Verlauf begünstigt werden.

Zahlreiche Definitionen

Im Jahr 1988 definierte eine Expertengruppe der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) CFS erstmals als eigenständige Erkrankung. Heute existieren für das CFS unterschiedliche Definitionen. Gemeinsam ist allen eine neu auftretende Symptomatik, die nicht durch Begleiterkrankungen hervorgerufen wird und zu einer enormen Beeinträchtigung im beruflichen und privaten Umfeld führt.

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In den Vereinigten Staaten beträgt die Prävalenzrate etwa 0,42 Prozent. Der Bundesverband Chronisches Erschöpfungssyndrom “Fatigatio” schätzt, dass in Deutschland circa 300.000 Patienten von CFS betroffen sein könnten. Genauere Angaben zu den Betroffenenzahlen sind aufgrund der oft ausbleibenden Diagnose nahezu unmöglich zu ermitteln. Ärzte schließen bei Patienten mit dieser Symptomatik häufig Untersuchungen ohne Befund ab oder diagnostizieren fälschlicherweise eine Depression. Dabei ist diese psychische Erkrankung nicht die Ursache, sondern häufig eine Folge des CFS. Erschwerend kommt hinzu, dass die Symptome des CFS relativ unspezifisch sind und immer auch in Zusammenhang mit anderen Ursachen auftreten können.

Derzeit bestehen noch zahlreiche Unsicherheiten bezüglich Definition, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten des CFS. Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin empfiehlt daher Ärzten, die Diagnose auf Patienten zu beschränken, die ausnahmslos alle genannten Symptome aufweisen.

Keine einheitliche Therapieempfehlung

Da die verschiedenen Symptome des CFS nicht bei allen Patienten gleich stark ausgeprägt sind, gibt es auch keine pauschalen Therapieempfehlungen. Die Therapie richtet sich vor allem nach dem Ausmaß der Beeinträchtigung des täglichen Lebens. Einige Medikamente wie das Antidepressivum Fluoxetin wurden in Studien als unwirksam gegen die Symptomatik des CFS eingestuft. Bei einigen Patienten zeigten sich jedoch kurzfristig positive Effekte nach einer Behandlung mit Hydrocortison. Eine kognitive Verhaltenstherapie scheint viele Patienten in Bezug auf die Wahrnehmung der Krankheit und das Verhalten positiv zu beeinflussen und die Erschöpfungssymptome langfristig zu verbessern. Auch ein spezielles Sportprogramm mit allmählich gesteigerter Aktivitätserhöhung brachte bei vielen CFS-Patienten eine signifikante Verbesserung von Müdigkeit und körperlicher Funktion.

Es bleibt noch viel zu erforschen, um Definition, Ursachen und Behandlungsmöglichkeiten des CFS besser zu verstehen. In der Zwischenzeit ist es wichtig, dass Ärzte die Symptome ernst nehmen und die richtige Diagnose stellen, um Betroffenen die bestmögliche Unterstützung zu bieten.