Fedora, die weniger bekannte Oper von Umberto Giordano, wird oft unterschätzt. Ihre Handlung mag unglaublich und melodramatisch erscheinen, doch wenn man sich auf die Geschichte einlässt und die fantastische Besetzung betrachtet, entdeckt man ihre verborgenen Qualitäten. Besonders in den letzten Momenten der Oper, in denen die Taschentücher schneller gezückt werden, als man “La bohème” sagen kann.
Die Geschichte von Fedora
Die Handlung dreht sich um die russische Prinzessin Fedora Romazoff, die den Playboy-Grafen Vladimir heiraten soll. Doch bevor wir von ihm hören können, wird er erschossen. Fedora schwört Rache und bringt den verliebten Grafen Loris dazu, ein Geständnis abzulegen. In einem Brief an Vladimirs Vater verrät sie Loris und beschuldigt ihn des Mordes. Doch dann erfährt Fedora, dass Vladimir aus anderen Gründen erschossen wurde – er hatte eine Affäre mit Wanda, der ehemaligen Geliebten von Loris. Freudig gibt Fedora Loris ihre Liebe zurück und sie fliehen gemeinsam in die Schweiz. Doch dort holt sie die Vergangenheit ein: Loris erfährt, dass sein Bruder unschuldig im Gefängnis gestorben ist. Als er herausfindet, dass Fedora für den Tod seines Bruders und seiner Mutter verantwortlich ist, gerät er in einen Wutanfall. Fedora, von Schuldgefühlen geplagt, trinkt Gift aus einem hohlen Kreuz, das um ihren Hals hängt. Im Sterben vergibt Loris ihr, doch es ist zu spät und Fedora stirbt in seinen Armen, während der Gesang eines Hirtenjungen von den Alpenhügeln herabdringt. Wenn man dann keine Tränen in den Augen hat, hat man nicht richtig aufgepasst!
Die Darsteller und ihre Leistungen
Die Rolle der Fedora bietet einer Verismo-Sängerin die Möglichkeit, ihr Talent unter Beweis zu stellen. Magda Olivero war eine der großartigen Fedoras der jüngeren Zeit. Auch Maria Callas trat in dieser Rolle an der Scala auf. Die vorliegende Aufführung aus dem Mai 1993 zeigt Mirella Freni in ihren späten Fünfzigern und Plácido Domingo in seinen frühen Fünfzigern in der Rolle des hitzköpfigen Loris. Beide sehen noch großartig aus und überzeugen in ihren Rollen. Domingo klingt immer noch wie ein Kraftwerk und es gibt wenig an seinem Gesang, das einen wünschen lassen würde, er wäre 20 Jahre jünger. Frenis Stimme ist nicht mehr so frisch wie früher, aber ihre Leistung ist dennoch beeindruckend. Freni verkörpert eine kultivierte und königliche Figur. Beide Sänger liefern einzeln großartige Leistungen ab, aber gemeinsam beflügeln sie sich zu noch höheren Höhepunkten. Sowohl das Liebesduett im zweiten Akt als auch die Sterbeszene im dritten Akt sind Beispiele für magisches Opernhandwerk. Das ist es, was Opernfanatiker schafft.
Die Inszenierung und das Gesamtpaket
Das restliche Ensemble unterstützt die Hauptdarsteller hervorragend. Scarabelli ist bezaubernd als Fedoras Freundin, die flatterhafte Gräfin Olga, und Alessandro Corbelli ist elegant und spöttisch in seiner Rolle als französischer Diplomat, der Fedora im dritten Akt vor ihrem Ende warnt. In Akt Eins gibt es ein kraftvolles kleines Arioso für Cirillo (Kiril), den Kutscher von Vladimir, der nach dessen Erschießung den Saum von Fedoras Rock küsst – sehr “Altes Russland”! Luigi Roni nutzt diese Szene gekonnt aus. Gavazzeni dirigiert das Werk mit großer Professionalität und erntet den verdienten Applaus des Publikums.
Einige Aspekte dieser Produktion gefallen mir nicht so gut. Luisa Spinatellis Bühnenbilder sind spektakulär beleuchtet, aber dann platziert sie Möbel davor, die wie Flohmarktstücke aussehen könnten. Die Möbel und die Sänger stehen auf einer Drehbühne im dritten Akt, die aber kaum rotiert, also fragt mich bitte nicht, was der Sinn dahinter ist. Lamberto Puggellis Regie wirkt unbeholfen, je mehr Personen gleichzeitig auf der Bühne sind. Warum der tote Vladimir am Ende von Akt Eins wieder auf die Bühne gebracht wird, nur um von der Besetzung ignoriert zu werden, ist mir auch unklar. Puggelli führte auch Regie bei der Videoproduktion, und auch hier gibt es einige ungeschickte Momente, obwohl die Kameras im Allgemeinen gut platziert sind.
Fazit
Die DVD-Veröffentlichung von Fedora ist ein Genuss für Liebhaber operatischer Meisterwerke. Die Leistung von Mirella Freni und Plácido Domingo ist bemerkenswert, und die anderen Darsteller bieten eine ausgezeichnete Unterstützung. Die Inszenierung hat ihre Schwächen, aber der Gesamteindruck ist dennoch beeindruckend. Die Tonqualität und das Bild sind hervorragend und die englischen Untertitel sind verständlich, wenn auch in einem etwas veralteten Stil. Fedora mag im Schatten von Giordanos berühmterer Oper Andrea Chenier stehen, aber sie verdient es, entdeckt und gefeiert zu werden.