Gesetzliche Krankenkassen nutzen häufig Siegel wie “Top-Krankenkasse” oder “Nachhaltigkeits-Champion”, die von Verlagen vergeben werden. Doch laut der Wettbewerbszentrale sind diese in einigen Fällen irreführend.
Irreführende Werbung mit Siegeln
Die “BIG direkt gesund”, auch bekannt als “Bundesinnungskasse Gesundheit”, wirbt auf ihrer Website mit dem Slogan “Du kannst uns vertrauen”. Darunter sind mehrere Werbe-Siegel zu sehen, die kürzlich vom Magazin “Focus Money” verliehen wurden.
Eines dieser Siegel lautet “Top-Krankenkasse”. Doch wenn man sich das entsprechende Ranking ansieht, stellt man fest, dass die “BIG direkt gesund” nur auf Platz 19 von insgesamt 64 geprüften Kassen landet. Ist sie also wirklich eine “Top-Krankenkasse”?
Die Wettbewerbszentrale betrachtete diese und andere Beispiele und stellte fest, dass die Werbung der “BIG direkt gesund” gegen das gesetzlich geregelte Verbot irreführender Werbung verstößt. Laut der zuständigen Juristin Christiane Köber gibt es erhebliche Unterschiede in der Punktzahl zwischen Platz 1 und 20. Die Wettbewerbszentrale forderte die “BIG direkt gesund” daher auf, die Werbung mit dem Siegel zu stoppen. Die Kasse lehnte dies jedoch ab und erklärte, dass sie keine Kontrolle über die Bezeichnung und Kategorisierung durch “Focus Money” habe.
Abmahnung und Entfernung der Siegel
Auch die “Pronova BKK”, die auf Platz 18 des Rankings steht, wurde von der Wettbewerbszentrale abgemahnt, weil sie ähnliche Werbung auf ihrer Website platziert hatte. Mittlerweile ist das Siegel “Top-Krankenkasse” jedoch nicht mehr auf der entsprechenden Seite zu finden. Die Kasse hat offenbar eine Unterlassungserklärung abgegeben.
Ein weiteres Beispiel für irreführende Werbung mit Siegeln findet sich bei der Berliner “BKK VBU”. Sie wirbt mit dem Siegel “Leistung für Familien” von “Focus Money”, hat jedoch bei dem entsprechenden Ranking nicht die bestmögliche Note erhalten. Die Wettbewerbszentrale betont, dass der Verbraucher davon ausgeht, dass “sehr gut” die beste Note ist, was hier nicht der Fall ist.
Label-Missbrauch?
Laut Recherchen des SWR gibt es viele weitere Rankings und Siegel mit wohlklingenden Auszeichnungen. Jürgen Stellpflug vom Verein “Testwatch – Die VerbraucherNützer” spricht von einem “Missbrauch mit Labeln” und “Verbrauchertäuschung”. Er kritisiert, dass gesetzliche Krankenkassen fragwürdige Siegel für Werbezwecke nutzen und betont, dass diese Kassen sich durch das Geld ihrer Versicherten finanzieren.
Werbung mit Siegeln gegen Geld
Ein Urteil des Landgerichts München im Fall des Siegels “Top-Mediziner” zeigt, dass 1.900 Euro für die Verwendung dieses Siegels verlangt wurden. Der Burda-Verlag verteidigt das Modell der Werbung mit Siegeln gegen Geld und betont den hohen Aufwand für Tests und die Entwicklung von Siegeln.
Einige Krankenkassen haben Zweifel an diesem Geschäft und betonen, dass das Angebot an Siegeln von Jahr zu Jahr zunimmt. Dennoch können sie sich diesem Mechanismus aus Wettbewerbsgründen nicht entziehen.
Kritik an der Datengrundlage
Die Datengrundlage für die Vergabe der Siegel steht oft in der Kritik. Das Landgericht München bemängelte im Fall der “Top-Mediziner”, dass subjektive Kriterien wie Kollegen-Empfehlungen in die Bewertung einfließen. Der Burda-Verlag verteidigt dieses Vorgehen und betont die “hochwertige Methodik der Ärztelisten und die Zulässigkeit der darauf basierenden Siegel”.
Auch bei Siegeln für Krankenkassen sieht die Wettbewerbszentrale eine kritische Datengrundlage. Die “IKK Classic” wirbt mit dem Siegel “Nachhaltigkeits-Champion” von “Die Welt”, das auf einer Verbraucherbefragung basiert. Die Juristin Christiane Köber kritisiert, dass man eine neutrale Bewertung durch objektive Kriterien erwarten würde. Die “IKK Classic” wurde ebenfalls von der Wettbewerbszentrale abgemahnt.
Interne Diskrepanzen bei Kundenzufriedenheit
Obwohl Krankenkassen auf ihrer Website mit Auszeichnungen wie “Von Kunden empfohlen” oder “Höchste Kundenzufriedenheit” werben, können interne Umfragen zu ganz anderen Ergebnissen kommen. Bei der “Knappschaft” beispielsweise, die rund 1,4 Millionen Versicherte hat, zeigt ein Protokoll der Geschäftsführung Besorgnis über negative Umfrageergebnisse zur Zufriedenheit und dem Service.
Nur eine Momentaufnahme?
Die “Knappschaft” hat die jüngsten Umfrageergebnisse nicht veröffentlicht und betont, dass Kundenbefragungen immer nur eine Momentaufnahme darstellen. Die Ergebnisse des “Kundenmonitors” seien nicht vergleichbar mit anderen Kassenvergleichen. Laut der Krankenkasse nutze man die “Kundenmonitor”-Ergebnisse nur zur internen Qualitätsüberprüfung.