Frikadellen – oder wie man in richtigem Deutsch sagt: Fleischpflanzerl – sind ja generell low carb, möchte man meinen. Aber kurz drüber nachgedacht… das stimmt überhaupt gar nicht. Nicht im geringsten. Aus unerfindlichen Gründen tut Ihr da immer eingeweichte Semmeln (Brötchen, Weckli, Schrippen) rein. Das ist total unnötig. Und ich, ich werde das hiermit beweisen.
Verargumentieren werde ich dafür übrigens nicht, das Rezept ist Aussage genug. Wenn du es nicht glaubst, probier es aus.
Aber vorher: dialektische Geographie!
Frikadellen-Synonyme als regionale Identitätsstifter
Die Grundidee, der Bauplan
Als erstes sollten wir mal definieren, wovon wir hier sprechen, du und ich. Egal ob es Frikadellen, Fleischpflanzerl, Buletten oder badische Fleischküchle sind – das Grundrezept ist weitestgehend das selbe.
Wir haben eine Form von Hackfleisch, meistens gemischt. Selten reines Rind, selten reines Schwein. Ein Ei fehlt nie, je nach Menge auch mal zwei Ei. Es kommen Gewürze und Kräuter in den Fleischteig, Petersilie und Majoran an der Spitze der Auswahl. Senf ist oft drin, meistens Zwiebeln und manchmal auch Speck oder sogar Gewürz- oder Essiggurken(-stückchen).
Und immer diese unnötige, eingeweichte Semmel, am besten altbacken und ausgetrocknet. Das Austrocknen wird dann durch Zugabe von Wasser übrigens wieder rückgängig gemacht. Ähm ja. Sprechen wir nicht drüber.
Aber was ist nun was?
Um ehrlich zu sein, ich habe keine grundsätzlichen Unterschiede gefunden, die eine unterschiedliche Benamung rechtfertigen. Das ist alles Fleischteig mit sinnlosem Brot drin – das ich großzügig eliminiert habe.
Frikadellen scheinen der landesweit gebräuchlichste Ausdruck zu sein und sogar wir in Bayern wissen, was damit gemeint ist. Ein Nordlicht darf sich allerdings beim hiesigen Fleischer oder normalbayrischen Fastfood-Stand nicht wundern, wenn er mit diesem Wunsch zwar bedient, aber dabei auch etwas schief angeschaut wird. Wir wissen was du willst, aber wir können dich in diesem Augenblick nicht außerordentlich gut leiden. In Bayern gibt es Fleischpflanzerl und keine Diskussion darüber.
(Die Weißwürste mit Ketchup, die dein Kind direkt im Anschluss ordert, helfen übrigens auch nicht, um die Situation zu entspannen.)
Fleischküchle sind natürlich die badisch-württembergische Variante – damit bin ich übrigens aufgewachsen, und es hat auch eine Weile gedauert, bis in ich Bayern verfleischpflanzerlt wurde. Hat aber funktioniert und hält noch.
Buletten scheinen – auch gemäß Google Trends – nur in Brandenburg und ein klein wenig in Sachsen-Anhalt als vorherrschender Begriff Fuß gefasst zu haben. Das dann allerdings vermutlich seit kurz nachdem die Dinosaurier ausgestorben sind.
Klassisch deutsch oder proletarisch?
Frikadellen sind, wie wir ja bereits erörtert haben, absolut überall in Deutschland zuhause – Namen sind dabei Schall und Rauch. Aber wo trifft man sie denn an? Beim Metzger, klar. In der Kühltheke im Supermarkt auch – widerlich aber doch regelmäßig. Und natürlich auch an jeder Art Fressbude in einem Brötchen, wo keine Ethno-Köstlichkeiten serviert werden.
Aber im Restaurant? Man möge hier den Unterschied zwischen “Restaurant” und “Gastwirtschaft” oder “Wirtshaus” würdigen. Nein, im Restaurant mit auch nur leicht gehobener Küche wird man das Fleischpflanzerl, dieses Fundament stand- und handfester deutscher Küche, nicht finden.
Was sagt das über die Frikadelle aus?
Macht das die Buletten zum niederen, bürgerlichen Gericht, das nicht komplex und fantasievoll genug für die kulinarische Industrie ist? Sind Frikadellen das Essen für’s Volk – für das Proletariat? Bin ich GEWÖHNLICH? Weil ich Fleischpflanzerl mag?
Ohje, ich schreibe mich in Rage. Erstmal wieder runterkommen.
Frikadellen sind handfest, gewöhnlich und vermutlich bei allen nicht vegetarisch/vegan lebenden Bürgern im deutschen Sprachraum recht beliebt und in mehreren Instanzen pro Jahr anzutreffen.
Das macht uns per Definition gewöhnlich. Weil gewöhnlich ist ein andere Wort für “normal” und keineswegs etwas schlechtes. Nur weil man Bewährtes gut findet, ist man noch nicht langweilig, wobei man das Durchschnittsbürgertum natürlich auch übertreiben kann – dann sieht es möglicherweise etwas anders aus.
Ich habe es schon öfter behauptet und druck’s mir irgendwann auf einen Kochschürze: die einfachen Sachen sind halt doch oft die besten.
Wenn ein 3-Sterne-Koch nicht in der Lage ist, aus diesem bodenständigen Gericht etwas zu machen, das seinen Sterne-Status erhalten kann, dann ist das sein Unvermögen und ganz gewiss nicht unsere Schuld. Soll er halt nochmal überprüfen ob er in diesem Beruf richtig ist.
So, und da es jetzt schon wieder sauspät ist und wir eigentlich irgendwie im Urlaub sind, werde ich dich jetzt nicht weiter langweilen sondern schreibe jetzt das Rezept.
Liebe Grüße
Nico