Der Gaspreis am Großmarkt setzt seinen Abwärtstrend fort und erreicht den tiefsten Stand seit Kriegsbeginn. Dennoch rechnet Wirtschaftsminister Habeck erst Ende 2023 mit sinkenden Kosten für Verbraucher.
Füllstände steigen wieder
Der Gaspreis ist mittlerweile acht Handelstage in Folge gefallen. Seit Mitte Dezember ist der Terminkontrakt TTF um etwa 60 Euro je Megawattstunde gesunken. Zum Vergleich: Im Sommer erreichte der Preis ein Rekordhoch von 345 Euro je MWh. Der Lieferstopp von Erdgas aus Russland hatte damals einen rasanten Anstieg verursacht.
Ein wesentlicher Grund für den aktuell wieder fallenden Gaspreis sind die milden Temperaturen, die den Verbrauch an Erdgas niedrig halten. Die Temperaturen waren zuletzt deutlich höher als Mitte des Monats, als in weiten Teilen Deutschlands Dauerfrost herrschte. Dank des günstigen Wetters wird jetzt wieder Erdgas eingespeichert.
Laut aktuellen Daten des europäischen Speicherverbandes GIE betrug der Füllstand in allen deutschen Speichern zu Wochenbeginn 88,62 Prozent – ein Anstieg von 0,41 Prozentpunkten im Vergleich zum Vortag und der sechste Anstieg in Folge. Zudem konnte in letzter Zeit deutlich mehr Energie aus Windkraft gewonnen werden, was den Verbrauch von Gas zur Stromerzeugung bremst. Hinzu kommen die Einsparungen von Industrie und Privathaushalten.
Kosten für Endverbraucher bleiben vorerst hoch
Trotz der Entspannung liegt der Preis für europäisches Erdgas immer noch auf einem vergleichsweise hohen Niveau. Großkunden, deren Lieferverträge sich an den Futures orientieren, sind davon besonders betroffen. Für Endverbraucher wirken sich die Preisentwicklungen am Großmarkt vorerst nicht aus, da sich viele Versorger mit langfristigen Verträgen eingedeckt haben. Laut dem Vergleichsportals CHECK24 ist der durchschnittliche Gaspreis für Verbraucher im Dezember sogar gestiegen, nachdem er im November leicht gesunken war.
Ein Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden zahlt CHECK24 zufolge aktuell im Schnitt 3688 Euro pro Jahr für Gas. Das entspricht einem durchschnittlichen Preis von 18,4 Cent pro Kilowattstunde. Obwohl dies 16 Prozent unter dem Höchststand im September liegt, bleiben die Kosten weiterhin hoch. Im Dezember 2021 betrug der jährliche Gaspreis noch 2036 Euro, knapp 45 Prozent weniger.
Habeck rechnet mit sinkenden Preisen
Laut Wirtschaftsminister Robert Habeck müssen die Menschen in Deutschland noch ein Jahr lang mit hohen Gaspreisen rechnen. Er hofft jedoch, dass es gegen Ende 2023 besser wird, wenn auch nicht auf dem Niveau von 2021. Die Infrastruktur wird voraussichtlich so weit ausgebaut sein, dass genügend Ersatz für das ausbleibende russische Gas nach Deutschland fließt und sich die Preise von selbst wieder regulieren.
Um auf die hohen Preise zu reagieren, wurde eine Gaspreisbremse eingeführt, die den Preis für Verbraucher künstlich auf 12 Cent pro Kilowattstunde drückt. Darüber hinaus ist es wichtig, die Infrastruktur weiter auszubauen, betonte Habeck. Schwimmende Terminals für verflüssigtes Erdgas (LNG) sollen dabei helfen. Wenn der Ausbau im aktuellen Tempo fortgesetzt wird, wird Deutschland wieder an den Weltmarkt angebunden sein und niedrigere Weltmarktpreise erhalten.
Bundesnetzagentur: Lage angespannt
Die Versorgung für den aktuellen Winter ist aufgrund der Speicherstände gesichert. Wenn die Speicher Anfang Februar noch zu 40 Prozent gefüllt sind, sieht es auch für den Winter 2023/24 gut aus. Eine Gasmangellage ist derzeit nicht absehbar, solange Bürger und Industrie bereit sind, einzusparen und auf Versorgung über das nichtrussische Ausland zurückzugreifen. Dennoch appellieren Bundesregierung und Bundesnetzagentur weiterhin an Verbraucher und Wirtschaft, sparsam mit Gas umzugehen, um eine mögliche Rationierung des Brennstoffs zu vermeiden.
Laut einer Analyse des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) haben die Verbraucher seit September acht Prozent weniger verbraucht. Dennoch bewertet die Bundesnetzagentur die Lage weiterhin als angespannt und schließt eine Verschlechterung nicht aus. In der 49. und 50. Kalenderwoche lag der Gasverbrauch temperaturbereinigt nur 12 Prozent unter dem Referenzwert und somit im kritischen Bereich, wie es im aktuellen Lagebericht heißt.