Links- oder Rechtsextremismus? Die Frage nach der größeren Gefahr für die demokratische Gesellschaft entzweit Politik, Öffentlichkeit und Wissenschaft. Während die einen die Gleichsetzung von links und rechts kritisieren, argumentieren andere, dass eine Unterscheidung notwendig ist, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzeigen. Doch was genau macht Linksextremismus aus und wie bedrohlich ist er wirklich?
Links versus Rechts
Linksextremismus zeichnet sich durch eine Vehemenz in der Forderung nach sozialer Gerechtigkeit aus. Die Vorstellung einer klassenlosen Gesellschaft ist das Ziel dieser politischen Strömung. Dabei wird oft das staatliche Gewaltmonopol und die konstitutionelle Demokratie infrage gestellt. Die Verwirklichung dieser utopischen Vorstellungen würde grundlegende demokratische Prinzipien wie Eigentum, Meinungsfreiheit und politischen Pluralismus in Frage stellen.
Im Gegensatz dazu strebt der Rechtsextremismus einen ethnisch homogenen Nationalstaat an und lehnt die Idee der universellen Gleichheit ab. Beide Extremismen eint jedoch eine Feindschaft gegenüber der freiheitlichen Demokratie und ihren Grundprinzipien.
Vielfältiges Spektrum und unterschiedliche Gefahren
Das Spektrum des Linksextremismus in Deutschland ist vielfältig. Es reicht von kommunistischen Parteien wie der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und der Marxistisch-Leninistischen Partei (MLPD) bis hin zur anarchistisch geprägten linksextremen Szene, den sogenannten “Autonomen”. Von breiten gesellschaftlichen Protestbewegungen bis hin zu abgeschotteten linksterroristischen Zellen ist alles vertreten. Jugendliche Subkulturen und intellektuelle Zirkel gehören ebenfalls dazu.
Die Gewaltbereitschaft der linken Szene stellt eine Bedrohung für die innere Sicherheit dar. Dabei werden Einrichtungen und Repräsentanten des Staates, aber auch Baufirmen und vermeintliche Rechtsextremisten angegriffen. Darüber hinaus besteht eine Gefahr für das demokratische System durch die Anschlussfähigkeit linksextremer Positionen. Diese finden teilweise in der demokratischen Gesellschaft Gehör und Akzeptanz. Dadurch verschiebt sich die Wahrnehmung dessen, was innerhalb des demokratischen Konsenses akzeptiert wird und was nicht.
Fazit
Die Frage nach der größeren Gefahr von links oder rechts ist komplex und umstritten. Eine differenzierte Betrachtung der Gefahrenpotenziale und eine angemessene Auseinandersetzung mit dem Thema Linksextremismus sind unerlässlich. Es geht nicht um eine Verharmlosung des Rechtsextremismus oder die Dämonisierung linker Positionen, sondern um die Abwägung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden. Nur so können wir die demokratische Gesellschaft vor extremistischen Bedrohungen schützen.
Prof. Dr. Tom Thieme, März 2022. Der Autor ist Professor für gesellschaftspolitische Bildung an der Hochschule der Sächsischen Polizei (FH) in Rothenburg/O.L.