Die Gefügebildung eines Werkstoffs ist ein faszinierender Prozess, der maßgeblich die Eigenschaften des Materials bestimmt. Durch die Erstarrung einer Schmelze entsteht ein charakteristischer körniger Aufbau.
Polykristall
Metallische Werkstoffe weisen in der Regel keine einheitliche Gitterausrichtung auf. Stattdessen sind sie aus vielen kleinen Bereichen zusammengesetzt, in denen sich die Orientierung des Gitters ändert. Diese Bereiche mit konstanter Gitterausrichtung werden Körner oder Kristallite genannt. Die Grenzen zwischen den Körnern werden Korngrenzen genannt.
Abbildung: Gefügestruktur von polykristallinem Eisen
Das Gefüge eines Werkstoffs bezeichnet den mikroskopischen Aufbau. Es besteht aus Körnern, Korngrenzen und anderen Einschlüssen. Um das Gefüge sichtbar zu machen, kann man ein Schliffbild unter dem Mikroskop betrachten. Dabei werden die unterschiedlichen Reflexionseigenschaften der Körner genutzt, um sie voneinander zu unterscheiden. Ein solcher Werkstoff, der viele kleine Körner enthält, wird als Polykristall bezeichnet. In einigen Fällen sind die einzelnen Körner sogar mit bloßem Auge sichtbar, wie bei verzinktem Stahl oder polykristallinem Silizium einer Solarzelle.
Abbildung: Polykristallines Silizium einer Solarzelle
Oft reicht es aus, das Gefüge schematisch darzustellen, um den wesentlichen Aufbau zu verdeutlichen.
Abbildung: Schematisches Gefügebild eines polykristallinen Werkstoffes
Erstarrungsprozess
Der körnige Aufbau eines Polykristalls entsteht durch den Erstarrungsprozess. Flüssige Metallschmelzen erstarren in der Regel nicht an einem einzigen Punkt, sondern an vielen Stellen gleichzeitig. Diese Erstarrungspunkte werden als Keime bezeichnet. An jedem Keim bildet sich die Gitterstruktur des Metalls aus. Die Ausrichtung der Gitter ist von Keim zu Keim unterschiedlich, abhängig von der Lage in der Schmelze. Aus jedem Keim entsteht später ein Korn mit einheitlicher Gitterorientierung. Die Grenzen zwischen den Körnern sind die Korngrenzen.
Korngrenzen sind zweidimensionale Gitterfehler, da sie die einheitliche Gitterausrichtung stören. Allerdings tragen Korngrenzen dazu bei, die Festigkeit des Materials zu steigern. Feinkörnige Metalle mit vielen Korngrenzen zeichnen sich durch hohe Festigkeit und gute Zähigkeit aus.
Monokristall (Einkristall)
Im Gegensatz zum Polykristall besteht ein Monokristall aus einem einzigen Korn mit einheitlicher Gitterausrichtung. Ein solcher Einkristall hat keine Korngrenzen. Einkristalle können speziell aus der Schmelze gezüchtet werden, indem der Erstarrungsprozess nur an einem einzigen Punkt ausgelöst wird. Diese Einkristalle werden beispielsweise in der Halbleitertechnik oder bei hochfesten Konstruktionswerkstoffen eingesetzt. Bei Hochtemperaturanwendungen müssen Werkstoffe ohne Korngrenzen verwendet werden, da sich diese oberhalb der Rekristallisationstemperatur verschieben können.
Abbildung: Monokristallines Silizium (Einkristall)
Die Gefügebildung eines Werkstoffs ist ein komplexer Prozess, der von vielen Faktoren abhängt. Die Kenntnis des Gefüges ist jedoch entscheidend, um die Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten eines Materials zu verstehen.