Geschichte und Geschichtsschreibung – sind das eigentlich dieselben Begriffe? In diesem Artikel möchte ich dieser Frage auf den Grund gehen und die Verwirrung entwirren. Doch lasst uns zuerst eine Sache klarstellen: Ein Text ist ein Text, unabhängig davon, ob er sich mit Vergangenheit befasst oder nicht. In einem historischen Text wird Vergangenes zu einer schlüssigen Geschichte gewoben. Ob diese Geschichte für uns schlüssig erscheint, spielt bei der Feststellung des Textes als historisch keine Rolle. Der Text ist das Medium, während die Geschichte die Botschaft ist.
Die Rolle des Textes in der Geschichtsschreibung
Ein historischer Text ist somit nicht identisch mit der Geschichte selbst, sondern enthält sie. Die spezifische Sicht auf Vergangenes spiegelt sich in diesem Text wider. Der Text ist wie die Verpackung eines Töpfers, der sein Produkt an die Verbraucher weitergibt. Doch schriftliche Texte sind nicht die einzige Möglichkeit, Geschichten über die Vergangenheit auszudrücken. Auch Filme sind eine Form des textlichen Ausdrucks und können als “filmische Texte” betrachtet werden.
Geschichtsschreibung als Prozess
Geschichtsschreibung hingegen bezeichnet den Prozess, bei dem Historiker ihre eigene Version der Vergangenheit erstellen. Hierbei ist wichtig zu unterscheiden, dass Geschichte ein Phänomen des Geistes ist, während die Geschichtsschreibung der Ausdruck und die Art und Weise ist, wie Geschichte hergestellt wird. Historische Texte sind dabei nur eine der vielen Möglichkeiten, Geschichtsschreibung zu betreiben. Früher wurden Geschichten auch mündlich überliefert, ohne schriftliche Dokumente.
Das wechselnde Verständnis von Geschichte
Frühere Gesellschaften hatten ein anderes Verständnis von Geschichte als wir heute. In manchen Kulturen spielten beispielsweise Götter eine Rolle in den Geschichten. Unser heutiges Verständnis von Geschichte als einer rein menschlichen Angelegenheit erscheint uns seltsam. Dennoch sollten wir diese Werke nicht rückwirkend mit unseren heutigen Standards bewerten. Sie erfüllten damals eine Funktion als ernst gemeinte Erzählungen über das Geschehene.
Die Vielfalt des Geschichtsbegriffs
Der Geschichtsbegriff hat sich im Laufe der Zeit immer wieder verändert, sowohl zwischen verschiedenen Epochen als auch innerhalb der Moderne. Ein marxistisches Verständnis von Geschichte mit einem vorherbestimmten Ende ist beispielsweise nicht wissenschaftlich. Doch auch solche alternativen Verständnisse sind keine Fehlinterpretationen, sondern lediglich unterschiedliche Sichtweisen auf Geschichte.
Der stetige Wandel des Geschichtsbegriffs
Der Geschichtsbegriff ist einem ständigen Wandel unterworfen. Jeder Historiker wird selbst Teil des Geschehens, seine eigenen Auffassungen von Vergangenheit werden von späteren Historikern aufgearbeitet. Die Werke der Historiker von heute werden von den Nachfolgern analysiert und in die Geschichte integriert. Denn letztendlich sind es die künftigen Generationen, die entscheiden, welche Geschichten es wert sind, erinnert zu werden.
Abschließend lässt sich festhalten, dass Geschichte und Geschichtsschreibung zwar eng miteinander verbunden sind, aber dennoch unterschiedliche Konzepte darstellen. Der historische Text fungiert als Medium für die Geschichte, während die Geschichtsschreibung den Prozess der Erstellung von Geschichten über die Vergangenheit beschreibt. Es ist wichtig, diese Unterscheidung zu treffen und die Vielfalt der Geschichtsbegriffe zu akzeptieren, um ein umfassenderes Verständnis von Geschichte zu erlangen.