Grüße aus der Steinzeit: Eine jüdische Perspektive

Grüße aus der Steinzeit: Eine jüdische Perspektive

Der Konflikt zwischen Tradition und Wissenschaft

Die Filmbranche begeistert immer wieder mit aufregenden Geschichten, so auch mit dem Hollywood-Streifen “10.000 BC”. Dieses Steinzeit-Epos von Regisseur Roland Emmerich verspricht ein einzigartiges Kinoerlebnis zu werden. Doch für gläubige Juden wirft der Film eine bedeutende Frage auf: Ist es nach rabbinischer Auffassung überhaupt möglich, eine Steinzeit mit Mammutjägern und Säbelzahntigern zu akzeptieren?

Eine religiöse und wissenschaftliche Wahrheit

Die jüdische Tradition besagt, dass die Schöpfung erst vor 5.768 Jahren stattfand. Wenn man jedoch den Begriff “BC” (vor Christus) als moderne Zeitrechnung betrachtet, ergibt sich ein Zeitraum von insgesamt 12.008 Jahren, den die Handlung des Films angeblich zurückliegen soll. Dieser Widerspruch scheint unüberwindbar. Doch Gemeinderabbiner Jonah Sievers aus Braunschweig sieht darin kein Problem. Für ihn gibt es eine religiöse und eine wissenschaftliche Wahrheit. Die Schöpfungsgeschichte selbst wird eher allegorisch interpretiert und nicht wortwörtlich genommen. Beide Wahrheiten, so Sievers, sind intellektuell nicht immer in Einklang zu bringen.

Die Relativität der Zeit

Rabbiner Julian-Chaim Soussan aus Düsseldorf weist darauf hin, dass die Zeit in den ersten Schöpfungstagen noch nicht nachvollziehbar war, da es noch keine Sonne und keinen Mond gab. Er erklärt, dass ein Tag Gottes für uns wie 1.000 Jahre sein kann, wie es in den Tehillim, den Psalmen, geschrieben steht. Daher kann der zeitliche Maßstab Gottes nicht gemessen werden. Die genaue Dauer der Schöpfungstage, ob es möglicherweise Millionen oder noch mehr Jahre waren, bleibt ungewiss. Sicher ist jedoch, dass laut rabbinischer Lehre die Welt in sechs Tagen von Gott erschaffen wurde, ohne einen Milliarden Jahre andauernden Entwicklungsprozess.

LESEN  Roland Schäfer

Die Verbindung von Wissenschaft und Religion

Orthodoxe Rabbiner wie Avichai Apel aus Dortmund haben keine Probleme damit, den Film “10.000 BC” anzuschauen und sich mit den Fragen auseinanderzusetzen, die er aufwirft. Sie erkennen, dass es viele Möglichkeiten gibt, die wissenschaftliche und religiöse Wahrheit in Einklang zu bringen. Die Frage nach dem Warum, nach moralischen Lehren und dem Bestreben, das Beste aus der Existenz zu machen, steht für sie im Vordergrund. Die genaue Länge der Schöpfungstage ist für sie irrelevant. Viel wichtiger ist es, ihr religiöses Wissen mit Schulbildung und wissenschaftlichen Erkenntnissen zu verbinden.

Fazit

Die Diskrepanz zwischen Tradition und Wissenschaft bleibt bestehen, doch die jüdische Lehre zeigt, dass es Wege gibt, sich mit beiden Perspektiven auseinanderzusetzen. Die jüngere Generation wird ermutigt, sich sowohl mit der Tora als auch mit der wissenschaftlichen Sichtweise auseinanderzusetzen, um moralische und praktische Lehren zu ziehen. Die Frage nach dem Warum und das Streben nach einem erfüllten Leben sind letztendlich wichtiger als die genaue Abfolge der Vergangenheit.