Nach einem Verkehrsunfall haben Sie als Geschädigter das Recht, auf Kosten des Unfallverursachers ein Gutachten von einem unabhängigen Sachverständigen anfertigen zu lassen. Das Gutachten bietet Ihnen wesentliche Vorteile gegenüber einem Kostenvoranschlag, der von der Werkstatt erstellt wird. Doch beachten Sie, dass Sie für das Recht auf Erstattung der Gutachterkosten bestimmte Voraussetzungen erfüllen müssen, wie eine Mindestschadenshöhe von ca. 750 €. In diesem Ratgeber erklären wir Ihnen, wann ein Gutachten und wann ein Kostenvoranschlag die richtige Wahl für Sie ist.
Kostenvoranschlag und Gutachten: Was bedeuten die Begriffe?
Bevor Sie entscheiden, ob ein Kfz-Gutachten oder ein Kostenvoranschlag vorteilhafter für Sie ist, sollten Sie die Unterschiede zwischen den beiden Begriffen verstehen.
Ein Kostenvoranschlag wird von der Werkstatt erstellt. Dabei schätzt die Werkstatt die Schadenshöhe anhand ihrer Einschätzung und Preistabelle ein und listet die zu reparierenden Positionen auf. Daher ist jede Werkstatt verpflichtet, ihre Stundenverrechnungssätze im Kundenbereich auszuhängen.
Ein Gutachten hingegen ist aufwendiger zu erstellen. Der Kfz-Gutachter inspiziert das Unfallfahrzeug detailliert, dokumentiert auch Vorschäden, führt eine Plausibilitätsprüfung durch und erfasst Schadenspositionen, die in einem Kostenvoranschlag nicht berücksichtigt werden.
Warum brauche ich ein Gutachten oder einen Kostenvoranschlag?
Die Erstellung eines Gutachtens oder Kostenvoranschlags ist Voraussetzung dafür, dass Sie einen konkreten Betrag für den Fahrzeugschaden von der Haftpflichtversicherung fordern können.
Es ist keine gute Idee, die Schadenshöhe eigenständig zu ermitteln, da die gegnerische Versicherung Ihre Zahlen in der Regel anzweifeln wird. Die Versicherung wird Ihnen einen Gutachter aus ihrem eigenen Netzwerk empfehlen, der in der Regel im Interesse der Versicherung handelt.
In solch einer Situation sollten Sie unbedingt von Ihrem Recht Gebrauch machen, selbst einen unabhängigen Gutachter zu beauftragen. Ein von der Versicherung beauftragter Gutachter wird den Schaden oft zugunsten der Versicherung kalkulieren, was bedeutet, dass Sie als Geschädigter weniger Geld erhalten.
Unser Tipp: Beauftragen Sie für die Erstellung eines Gutachtens einen unabhängigen Sachverständigen. Im faire-Regulierung Netzwerk haben Sie Zugriff auf geprüfte und zuverlässige Gutachter aller großen Sachverständigen-Organisationen Deutschlands. Der Gutachter kann sogar zu Ihnen nach Hause kommen. Sie haben das Recht, einen unabhängigen Gutachter zu rufen, selbst wenn die gegnerische Versicherung bereits einen Gutachter beauftragt hat.
Gutachten oder Kostenvoranschlag: Das sind die Unterschiede
Ob ein Unfall-Gutachten oder ein Kostenvoranschlag für Sie geeignet ist, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Schauen wir uns diese genauer an:
Der Kostenvoranschlag ist günstiger und wird mit weniger Detailgenauigkeit erstellt als ein Gutachten. Allerdings können die Ansprüche, die sich daraus ergeben, kleiner als marktüblich ausfallen. Wenn zum Beispiel eine freie Werkstatt außerhalb der Großstadt mit sehr niedrigen Stundensätzen kalkuliert, wird der ermittelte Betrag wahrscheinlich nicht die Kosten einer Reparatur in Ihrer Markenwerkstatt vor Ort decken. Zudem ist der im Kostenvoranschlag angegebene Preis verbindlich. Wenn im Zuge der Reparatur unvorhergesehene Schäden auftreten, können diese Mehrkosten nicht gedeckt sein. Bei einem Gutachten wird in einem solchen Fall eine Nachbesichtigung mit einer Reparaturerweiterung durch den Sachverständigen dokumentiert, und der Anspruch gegenüber der Versicherung wird entsprechend erhöht.
Gut zu wissen: Bei Bagatellschäden, also Schäden unter ca. 750 Euro, ist ein Kostenvoranschlag die richtige Wahl. Es wäre wirtschaftlich nicht angemessen, bei einem geringen Schaden ein teures Gutachten zu beauftragen. Beachten Sie jedoch, dass 750 Euro keine feste Summe sind. Entscheidend ist, ob es sich um einen Bagatellschaden handelt. Ein Bagatellschaden bezeichnet einen geringen Sachschaden. Einige Gerichte geben eine Schadenssumme von bis zu 1.300 Euro als Orientierung für einen nicht bedeutenden Sachschaden an. Die Entscheidung kann jedoch von Gericht zu Gericht variieren. Ein Personenschaden schließt die Einstufung als Bagatellschaden immer aus.
Gutachten trotz Kostenvoranschlag
Falls Sie bereits einen Kostenvoranschlag haben, können Sie trotzdem ein Gutachten in Auftrag geben. Der größte Unterschied zwischen einem Kostenvoranschlag und einem Gutachten besteht darin, dass das Risiko von Kostenüberschreitungen bei einem Gutachten beim Sachverständigen oder der Werkstatt liegt. Wenn im Rahmen der Reparatur höhere Kosten entstehen, tragen Sie als Unfallgeschädigter kein finanzielles Risiko und sind geschützt. Bei einer konkreten Abrechnung auf Basis eines Schadensgutachtens sind lediglich die tatsächlich angefallenen Reparaturkosten laut Rechnung relevant.
Zudem berücksichtigt ein professionelles Schadengutachten wertvolle Schadenspositionen, die in einem Kostenvoranschlag nicht enthalten sind, wie zum Beispiel Wertminderung, den optischen und technischen Zustand des Fahrzeugs, Sonderausstattungen und reparierte sowie nicht reparierte Vorschäden.
Wichtig: Nur ein Gutachten hat eine beweissichernde Funktion in einem möglichen Zivilprozess. Erscheinen Sie zum Gerichtstermin mit einem Kostenvoranschlag, haben Sie deutlich schlechtere Chancen. Oftmals ist das Unfallfahrzeug zum Zeitpunkt des Streits bereits verkauft oder verschrottet. Nur das zeitnah nach dem Unfall erstellte Sachverständigengutachten kann Sie in dieser nicht seltenen Situation retten.
Vor- und Nachteile des Kostenvoranschlags
Vorteile:
- Bei einem offensichtlichen Bagatellschaden werden die Kosten eines Gutachters in der Regel nicht von der gegnerischen Versicherung übernommen. Ein Kostenvoranschlag hingegen wird bezahlt.
- Die Werkstatt verpflichtet sich mit ihrem Kostenvoranschlag, zu dem kalkulierten Preis zu reparieren. Das gibt Ihnen eine preisliche Planungssicherheit.
Nachteile:
- Einige Schadenspositionen werden typischerweise in einem Kostenvoranschlag nicht berücksichtigt, da dort nur die Reparaturkosten aufgelistet werden. Die Wertminderung wird zum Beispiel nicht berücksichtigt.
- Im Gegensatz zu einem Kfz-Gutachten dient ein Kostenvoranschlag nicht als Beweismittel bei Streitigkeiten.
- Wenn im Zuge der Reparatur nicht aufgelistete Schäden auftreten, müssen Sie diese möglicherweise selbst bezahlen.
Vor- und Nachteile des Kfz-Gutachtens
Vorteile:
- Die Wertminderung wird im Gutachten berücksichtigt.
- Das Schadengutachten erfasst umfassend alle Schäden am Fahrzeug, einschließlich möglicher Ausfallzeiten aufgrund der Reparatur.
- Wenn im Rahmen der Reparatur weitere Unfallschäden entdeckt werden, trägt die Versicherung die Kosten, da das Prognoserisiko beim Kfz-Gutachter liegt.
- Bei Gerichtsprozessen dient das Gutachten als Schutz, da es die Schäden am Fahrzeug umfassend dokumentiert.
Nachteile:
- Bei geringen Schäden verstößt die Beauftragung eines Gutachters gegen die Schadenminderungspflicht, und die gegnerische Versicherung wird die Gutachterkosten nicht zahlen.
- Wenn Sie teilweise oder ganz schuld am Unfall sind, müssen Sie die Kosten des Gutachters teilweise oder vollständig selbst tragen.
Schritte zur fairen Schadensregulierung
Sind Sie unverschuldet in einen Unfall verwickelt? Bei faire-Regulierung prüfen und beraten wir Sie, ob die Abrechnung nach Gutachten oder Kostenvoranschlag für Sie die richtige Wahl ist.
Der Ablauf im Überblick:
- Melden Sie uns den Unfall risiko- und kostenfrei telefonisch unter 0800 30 111 60 oder noch schneller online.
- Unser erfahrenes Expertenteam prüft Ihren Fall sofort und bespricht das weitere Vorgehen individuell mit Ihnen.
- Wir bereiten Ihre Schadensregulierung mit allen erforderlichen Dokumenten vor, koordinieren die nötigen Dienstleister wie Gutachter und Werkstatt für Sie und halten Sie über den Fortschritt der Regulierung auf dem Laufenden. Über unser Kunden-Informations-System (KIS) sind Sie sogar noch schneller informiert!
Bitte beachten Sie, dass der Inhalt dieses Artikels keine Rechtsberatung darstellt und es empfehlenswert ist, sich im konkreten Fall von einem Rechtsanwalt beraten zu lassen.