Hand Talk revolutioniert die Kommunikation zwischen Hörenden und Gehörlosen

Hand Talk revolutioniert die Kommunikation zwischen Hörenden und Gehörlosen

Die App Hand Talk mit ihren Avataren Hugo und Maya ermöglicht es, dass hörende und gehörlose Menschen miteinander kommunizieren können. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) haben über 1,5 Milliarden Menschen weltweit einen gewissen Grad an Hörverlust. Diese Menschen stoßen im Alltag auf zahlreiche Kommunikationsbarrieren. Zum Beispiel leben sie mit hörenden Menschen im selben Land und sprechen möglicherweise Spanisch, Deutsch oder Englisch, aber in einer anderen Sprache. Mit Hand Talk haben nun taube Menschen in Brasilien und den USA die Möglichkeit, ihren persönlichen virtuellen Gebärdensprachdolmetscher immer griffbereit in der Hosentasche zu haben.

Die Dolmetscher in der Hosentasche

In der App Hand Talk übersetzen die 3D-Avatare Hugo und Maya für die Nutzer:innen sowohl Geschriebenes als auch Gesprochenes in Gebärdensprache. Eine gehörlose Person kann dem hörenden Gegenüber einfach das Smartphone entgegenhalten. Auf dem Bildschirm wird dann der Hinweis “Sprechen für eine Übersetzung” angezeigt. Sobald die andere Person zu sprechen beginnt, beginnen Hugo oder Maya sofort mit der Übersetzung in die Gebärdensprache. Aktuell übersetzt die kostenlose App vom Englischen in die Amerikanische Gebärdensprache (American Sign Language, ASL) oder von Portugiesisch in die brasilianische Gebärdensprache Libras.

Hugo und Maya bringen Menschen zusammen

Die Idee für ein solches Tool hatte Ronaldo Tenório aus Brasilien, ein Experte für strategische Kommunikation und Werbung, bereits 2008 während seines Studiums. Damals fehlten ihm jedoch die finanziellen und personellen Ressourcen, um das Projekt umzusetzen. Erst 2012 bildete er ein Team mit dem System- und Softwareentwickler Carlos Wanderlan und dem Experten für grafische 3D-Animationen Thadeau Luz. Gemeinsam entwickelten sie die Idee der App mit dem Avatar Hugo.

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Zunächst übersetzte Hugo nur die portugiesische Sprache in Libras. Seit 2020 übersetzen er und Maya auch die englische Sprache in die amerikanische Gebärdensprache. Hand Talk ist mittlerweile die größte Plattform für automatische Übersetzung in Gebärdensprache weltweit und erleichtert tausenden Menschen die Kommunikation im Alltag. Allein in Brasilien sind über zehn Millionen Menschen taub, und mehr als eine Million von ihnen nutzen Hand Talk.

Seit dem Start der App im Jahr 2013 wurde Hand Talk für ihren Beitrag zur Inklusion und Barrierefreiheit des Alltags tauber Menschen mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Im Jahr 2013 erhielt sie den Preis für die “beste soziale App der Welt” von den Vereinten Nationen. 2016 wurde Ronaldo Tenório vom MIT Technology Review in die Liste der “Innovators under 35” aufgenommen.

Die Programmierung der App ist sehr aufwändig, da die Gebärden und die Mimik von Hugo und Maya genau stimmen müssen. Tenório und sein Team füttern die App jeden Monat mit neuen Sätzen, die in 3D-Animationen von Gebärden umgewandelt werden. Als hörender Mensch kann man sich mit der App Hand Talk auch spielerisch die amerikanische oder brasilianische Gebärdensprache beibringen.

Apps für Taube in Deutschland

Obwohl Hand Talk in Deutschland noch nicht verfügbar ist, gibt es andere Apps und vorinstallierte Bedienungshilfen auf Smartphones, die taube Menschen im Alltag unterstützen. Die App Ava ermöglicht es beispielsweise, aus einem Gruppengespräch in Echtzeit einen Chatverlauf zu erstellen. Dabei nutzen alle Teilnehmenden ihr Handy als Mikrofon und müssen die App installiert haben. Die App Pedius ermöglicht gehörlosen Menschen Telefonate, indem sie getippte Worte mit einer Computerstimme an die hörende Person weiterleitet und die Worte der hörenden Person in geschriebenen Text für die taube Person umwandelt. Für einen Kinobesuch können taube Menschen über die App Greta den Untertitel für den jeweiligen Film herunterladen. Die App erkennt die Audiospur und zeigt die Untertitel passend zum laufenden Film an.

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All diese Apps – einschließlich Hand Talk – leisten einen wichtigen Beitrag auf dem Weg zu einer inklusiven, barrierefreien und gerechten Welt.

Gebärdensprache als Schulfach

Technische Übersetzungen werden immer besser und helfen tauben Menschen im Alltag. Dennoch haben sie ihre Grenzen, insbesondere bei komplexen Gesprächsinhalten und der Rückübersetzung von Gebärdensprache in geschriebenen oder gesprochenen Text.

Im Jahr 2021 empfahl das deutsche Kultusministerium auf der Kultusministerkonferenz, die Deutsche Gebärdensprache als Wahlfach oder Wahlpflichtfach an Schulen einzuführen. Damit kann die Deutsche Gebärdensprache nun in den Bundesländern als reguläres Schulfach angeboten werden – ein wichtiger Schritt für die Inklusion tauber Menschen in der Gesellschaft.

Beitragsbild: pexels / SHVETS production