Hat die Kastration einen Einfluss auf das Aggressionsverhalten von Hunden?

Hat die Kastration einen Einfluss auf das Aggressionsverhalten von Hunden?

Kastration und Aggressionsverhalten

Die Kastration von Hunden war früher eine gängige Praxis, um Aggressionen vorzubeugen. Heutzutage ist das Thema jedoch umstritten. Einige Menschen nutzen die Kastration immer noch zur Behandlung und Vorbeugung von Verhaltensproblemen, einschließlich Aggressionen. Es gibt jedoch auch Hinweise darauf, dass kastrierte Hunde sogar ein höheres Aggressionsniveau aufweisen können als nicht kastrierte Tiere.

Kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Kastration und Aggressionsverhalten

Eine wissenschaftliche Untersuchung des Zusammenhangs zwischen Kastration und Aggressionsverhalten gestaltet sich schwierig, da es verschiedene Formen von Aggression gibt. Es wird angenommen, dass sexuell motivierte Aggression durch eine Kastration abnimmt, während andere Formen von Aggression, wie territoriale Aggression oder Ressourcenverteidigung, wahrscheinlich nicht beeinflusst werden.

Ein Forscherteam hat untersucht, wie sich aggressives Verhalten gegenüber bekannten Personen, Fremden und anderen Hunden in Abhängigkeit vom Alter bei der Kastration unterscheidet. Die Ergebnisse zeigen, dass es weder einen Zusammenhang zwischen Kastration an sich noch zwischen dem Alter der Kastration und dem Aggressionsverhalten gegenüber bekannten Menschen oder anderen Hunden gibt. Es wurde jedoch festgestellt, dass kastrierte Hunde eine leicht erhöhte Wahrscheinlichkeit für mäßige oder schwere Aggression gegenüber Fremden aufweisen (26% höhere Wahrscheinlichkeit bei Hunden, die im Alter von 7 bis 12 Monaten kastriert wurden).

Unterschiedliche Ergebnisse bei Rüden

Bei männlichen Hunden wird Testosteron größtenteils in den Hoden produziert. Daher könnte man erwarten, dass die Kastration ein geeignetes Mittel gegen erhöhte Aggressivität bei Rüden ist. Verschiedene Studien zeigen jedoch widersprüchliche Ergebnisse. Einige Studien zeigen einen niedrigeren Aggressivitätswert bei kastrierten Rüden, während andere Studien gegenteilige Ergebnisse liefern.

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In einer Befragungsstudie berichteten 60% der Halter von Rüden, dass die Kastration zu einer Verringerung der Aggressivität gegenüber anderen Rüden führte. Bei den übrigen Befragten gab es keine Änderung. Ähnliche Ergebnisse wurden in einer anderen Studie erzielt. Allerdings blieben territoriale und angstmotivierte Aggressionen unverändert.

Es wurden auch Daten von 6235 Rüden untersucht. Die Ergebnisse zeigten einen Zusammenhang zwischen dem Alter der Kastration und Aggressivität bzw. Ängstlichkeit. Je früher der Hund kastriert wurde, desto höher war die Wahrscheinlichkeit für Problemverhalten im Bereich Angst und Aggression. Kastrierte Rüden neigen außerdem eher zu Ressourcenaggression gegenüber Artgenossen und Menschen.

Frühkastration kann unerwünschte Folgen haben

Weitere Untersuchungen zeigen, dass vor allem eine frühe Kastration ungewollte Verhaltensänderungen hervorrufen kann. Eine Studie aus dem Jahr 2014 zeigte, dass Hunde, die vor dem halben Lebensjahr kastriert wurden, im Vergleich zu unkastrierten Tieren ein erhöhtes Risiko für Verhaltensauffälligkeiten aufweisen.

Kastrierte Hündinnen zeigen erhöhte Reaktivität und Ängstlichkeit

Studien zeigen, dass kastrierte Hündinnen im Alter von 5 bis 10 Monaten in bestimmten Situationen deutlich aggressiver reagierten als ihre intakten Wurfgeschwister. Eine Studie mit Labrador Retrievern deutet ebenfalls darauf hin, dass kastrierte Hündinnen eine höhere Ängstlichkeit aufweisen.

Kastration ist kein Allheilmittel bei Aggression

Wenn verschiedene Faktoren berücksichtigt werden, die Aggressionsverhalten bei Hunden auslösen können, scheint es keinen klaren Zusammenhang zwischen Kastration und Aggressionsverhalten zu geben. Die Studienlage zeigt insgesamt, dass Kastration kein generell geeignetes Mittel zur Behandlung oder Vorbeugung von Aggressionsproblemen ist. Angesichts der zunehmenden Hinweise auf negative Auswirkungen von Kastration sollte dieser Eingriff auch als Unterbindung unerwünschter Fortpflanzung überdacht werden. Eine Kastration sollte daher immer eine Einzelfallentscheidung sein.

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Der C-BARQ (Canine Behavioral Assessment Research Questionnaire) ist mittlerweile einer der am häufigsten genutzten und gut überprüften Fragebögen zum Hundeverhalten, der im Regelfall vom Besitzer des Hundes ausgefüllt wird.