Eine Pandemie kann zu Einsamkeit führen. Und in solchen Zeiten gibt es kaum etwas Besseres gegen die Einsamkeit als ein Haustier, das einem morgens ins Gesicht schnurrt oder freudig wedelt, wenn man nach Hause kommt. Doch ist es wirklich eine gute Idee, sich gerade jetzt ein Haustier anzuschaffen? Das haben wir Beate Kaminski, Pressesprecherin im Tierheim Berlin, dem größten Tierheim in Europa, gefragt. Dort leben derzeit etwa 1.200 Tiere, von Hunden und Katzen bis hin zu Affen und Boa Constrictors.
Gibt es noch adoptierbare Tiere?
Die Nachfrage ist zwar groß, insbesondere nach Welpen, aber im Tierheim werden die Tiere nicht einfach an jeden vergeben. Wie schon vor der Corona-Pandemie beraten wir die Interessenten, stellen Fragen und prüfen, ob die Chemie stimmt. Seit der Pandemie können Interessierte nicht einfach vorbeikommen, um sich umzuschauen. Wer ein Tier adoptieren möchte, telefoniert oder mailt ausführlich mit den Pflegern und macht sich erst danach persönlich mit dem Tier bekannt. Trotz der Schließung für Besucher seit Mitte März konnten wir viele Tiere vermitteln – sogar Sorgenhunde und Katzen, die teilweise schon seit zwei oder drei Jahren auf ein neues Zuhause warten.
Warum sehnen sich Menschen in der Pandemie nach einem Haustier?
Während des Lockdowns waren viele Menschen einsam und verängstigt. Tiere spenden uns Sicherheit und lassen uns weniger allein fühlen. Viele haben uns auch erzählt, dass sie die Zeit im Homeoffice nutzen wollen, um einen Welpen einzugewöhnen. Ich verstehe das, aber man muss auch an die Zukunft denken. Was passiert, wenn man wieder ins Büro zurückkehrt und das Haustier noch nicht alleine bleiben kann? Was ist, wenn man den Job verliert und in eine andere Stadt ziehen muss? Oder wenn man wieder reisen möchte? Nicht alle machen sich diese Gedanken. Dabei benötigt ein Welpe genauso viel Zeit und Arbeit wie ein Kleinkind. Und auch erwachsene Hunde brauchen mehr als nur zehn Minuten Gassi gehen und Füttern. Meine Hündin ist älter und nicht sehr sportlich, aber ich muss dennoch täglich zwei Stunden für sie einplanen.
Warum sollte man keine Hunde impulsiv bei eBay kaufen?
Ja, wir hören momentan von anderen Tierschutzvereinen und Hundezüchtern, dass sie kaum noch Anfragen bewältigen können. Doch ich habe die Befürchtung, dass bald eine Welle von Abgaben und Aussetzungen kommt. Viele dieser Hunde könnten in ein paar Monaten wieder auf der Straße landen. Vor allem ungeduldige Menschen warten oft nicht darauf, ein Haustier bei einem seriösen Züchter oder im Tierheim zu finden. Bei eBay kosten Welpen zwar mehrere Hundert Euro, aber es geht schneller und es werden keine unbequemen Fragen gestellt. Aber ich bitte Sie: Kaufen Sie nicht impulsiv Hunde bei eBay wie ein Möbelstück.
Was ist die “Welpenmafia”?
Die “Welpenmafia” sind illegale Züchter, die Hunde auf eine Weise vermehren, die eher an Tierfabriken erinnert. Die Muttertiere gebären nicht nur einmal im Jahr, sondern so lange, bis ihr Körper nicht mehr kann. Die Tiere werden auf engstem Raum gehalten und leben oft in eigenen Exkrementen. Die Welpen werden viel zu früh von ihren Müttern getrennt. Bei uns landen manchmal Dutzende von Welpen auf einmal, die vom Veterinäramt bei illegalen Züchtern beschlagnahmt wurden. Die meisten von ihnen sind krank und schwach. Einige von ihnen haben ein kurzes, schlimmes Leben. Ein weiteres Beispiel ist eine Frau, die letztes Jahr einen kranken Dackelwelpen bei uns abgegeben hat. Sie hatte ihn über eBay Kleinanzeigen gekauft. Die Fotos waren süß und der Welpe schien bei der Übergabe noch fit zu sein. Am nächsten Tag wurde er jedoch krank, und der Verkäufer war nicht mehr zu erreichen. Die Frau hat dann Unsummen beim Tierarzt ausgegeben. Schließlich war sie so pleite und überfordert, dass sie den Dackel bei uns abgeben musste.
Sollte man Haustiere über Kleinanzeigen im Internet kaufen?
Gegen verantwortungsvolle Züchter haben wir natürlich nichts einzuwenden. Doch wie bei jeder wichtigen Entscheidung im Leben sollte man den Verkäufer recherchieren und viele Fragen stellen. Schauen Sie sich unbedingt persönlich an, unter welchen Bedingungen das Tier gelebt hat.
Wie erkennt man gute Züchter?
Einige Bundesländer, darunter Berlin, verlangen von Züchtern einen Sachkundeausweis, der ihre Kenntnisse über Hunde und deren Haltung belegt. Wer einen Welpen kauft, ohne eine Kopie dieses Ausweises zu erhalten, macht sich strafbar. Seien Sie auch misstrauisch, wenn der Züchter Ihnen keine Fragen darüber stellt, wie Sie leben und welche Erfahrungen Sie mit Tieren haben. Oder wenn das Tier nicht zu Hause übergeben wird, sondern vor der Tür oder auf einem Parkplatz.
Weitere Tipps für den richtigen Kauf
Geduld haben und flexibel sein. Ich verstehe, dass viele Menschen in der Pandemie nach einem Begleiter suchen. Doch vergessen Sie nicht, es handelt sich um ein Lebewesen, nicht um einen Gegenstand. Wer jetzt unbedingt einen bestimmten Welpen haben möchte und das bis spätestens nächsten Freitag, mag dazu beitragen, dass Tiere unter unerwünschten Verhältnissen gehalten werden. Verantwortungsvolle Hundebesitzer können warten. Sie wollen vor allem einen Freund und sind nicht unbedingt auf eine bestimmte Hunderasse festgelegt.
Welche Hunderassen sind schwer zu vermitteln?
Sogenannte Listenhunde, also Hunde, die als gefährlich eingestuft werden und für die bestimmte Auflagen gelten. In Berlin gehören dazu zum Beispiel Pitbulls, Bullterrier und American Staffordshire-Terrier. Nur wenige dieser Hunde haben tatsächlich einen schwierigen Charakter, aber Menschen haben Angst – auch aufgrund ihres Aussehens.
Gibt es andere problematische Tiere?
Alte, kranke und scheue Tiere sind schwer zu vermitteln. Wenn ein Tier bereits vor der Adoption eine chronische Krankheit hatte, übernimmt unser Tierheim zwar weiterhin die Behandlungskosten. Aber natürlich möchte nicht jeder eine Katze mit Diabetes, der alle zwölf Stunden Insulin gespritzt werden muss. Dennoch wünsche ich mir, dass Menschen sich öfter auf ein Tier einlassen, auch wenn es nicht ihrer Vorstellung entspricht. Eigentlich ist es doch etwas Schönes: Du bist so, wie du bist, ich bin so, wie ich bin. Ich rette dich, du rettest mich. Vor kurzem hat eine Familie mit Kindern eine zehnjährige Hündin adoptiert, der ein Auge fehlte. Eigentlich hatten sie sich einen Welpen gewünscht. Aber da keiner verfügbar war, haben sie sich beraten lassen und die Hündin genommen. Sie haben uns Fotos geschickt, die zeigen: Das war die richtige Entscheidung.