Den Satz “Ich kann mich nicht entscheiden” habe ich jahrelang immer wieder ausgesprochen. Es fiel mir unglaublich schwer, mich für eine der möglichen Optionen festzulegen. Und wenn ich dann endlich eine Entscheidung traf, zweifelte ich schnell daran und änderte sie wieder. Ich grübelte stundenlang über die Konsequenzen nach und wog die Alternativen ab. Trotzdem brachte ich es nicht übers Herz, eine endgültige Entscheidung zu treffen, und das Aufschieben belastete mich enorm.
Aber warum fällt es mir und vielen anderen Menschen so schwer, Entscheidungen zu treffen? Was genau macht die Entscheidungsfindung so knifflig? Nach langem Nachdenken komme ich zu folgender Antwort: Es liegt am Selbstwertgefühl. Was ich damit genau meine und wie du es schaffen kannst, endgültige Entscheidungen zu treffen, möchte ich in diesem Artikel erklären.
Entscheidungen zu treffen ist immer schwierig
Zunächst einmal ist es wichtig festzustellen, dass es für jeden Menschen schwierig ist, Entscheidungen zu treffen. Damit meine ich nicht nur solche Entscheidungen wie “Soll ich heute das Auto oder die Straßenbahn zur Arbeit nehmen?”, sondern jene Entscheidungen, die weitreichende Konsequenzen für unser Leben haben.
Selbst Menschen mit einem hohen Selbstwertgefühl würden am liebsten auf das Entscheiden verzichten. Doch der Unterschied zwischen ihnen und anderen Menschen besteht darin, dass sie sich der Notwendigkeit von Entscheidungen bewusst sind. Sie wissen genau, welche verheerenden Auswirkungen es hat, wenn man sich vor Entscheidungen drückt. Sie wissen, dass das Vermeiden von Entscheidungen dazu führt, von anderen Menschen abhängig zu werden. Siehe: Emotional unabhängig werden
Andere Menschen entscheiden für dich
Die Ablehnung von Entscheidungen führt dazu, dass andere Menschen an deiner Stelle entscheiden müssen. Das wiederum bedeutet, dass dein Leben von ihnen bestimmt wird. Andere Menschen entscheiden über deinen Lebensweg, ob du eine Familie gründest und welche Werte du haben wirst. Du kannst deinen eigenen Weg nicht gehen und dein Leben nicht nach deinen Wünschen, Bedürfnissen und Überzeugungen ausrichten. Siehe: Du bist nicht auf der Welt, um die Erwartungen anderer zu erfüllen
Angst vor der Verantwortung
Ein entscheidender Grund, warum viele Menschen Entscheidungen vermeiden wollen, ist die Angst vor der Verantwortung, die sie dann übernehmen müssen. Denn Entscheidungen zu treffen bedeutet, die Verantwortung für die Konsequenzen zu übernehmen – sowohl positive als auch negative.
Stell dir zum Beispiel vor, du triffst dich abends mit Freunden und überlegt gemeinsam, was ihr unternehmen könnt. Du schlägst vor, in eine bestimmte Bar zu gehen, von der du gehört hast, dass sie gut sein soll. Die anderen sind einverstanden. Doch als ihr dort ankommt, stellt ihr fest, dass die Bar nicht so toll ist wie erwartet. Die Musik ist schlecht und kaum Gäste sind da. Deine Freunde geben dir die Schuld, weil du die Bar vorgeschlagen hast, und verlangen, dass du dich verantwortest. Hättest du keinen Vorschlag gemacht und wärst einfach mitgegangen, hättest du diese Schuldvorwürfe nicht fürchten müssen.
Natürlich ist das ein banaler Beispiel, aber es verdeutlicht das Prinzip: Bei jeder Entscheidung übernimmst du die Verantwortung für die Konsequenzen. Wenn du unsicher bist und Konfrontationen aus dem Weg gehen möchtest, neigst du dazu, Entscheidungen zu meiden, um nicht zur Verantwortung gezogen zu werden. “Ich kann keine Entscheidungen treffen” könnte also mit “Ich möchte nicht zur Verantwortung gezogen werden” übersetzt werden. Siehe: Schlechtes Gewissen loswerden: Die einfachste Methode
Vertraue deinen eigenen Gedanken
Wenn du deiner Denk- und Verstehensfähigkeit nicht vertraust, fällt es dir schwer, Entscheidungen zu treffen. Viele von uns haben eine innere Stimme, die uns oft schon aus der Kindheit bekannt ist. Eine Stimme, die zu uns sagt: “Andere wissen alles besser. Ich kann das nicht verstehen. Was andere sagen, ist die Wahrheit.”
Wie sollst du also eigene Entscheidungen treffen, wenn du glaubst, dass andere immer alles besser wissen als du selbst? Du zweifelst daran, Sachverhalte und Situationen angemessen bewerten und verstehen zu können.
Das hat zur Folge, dass du ständig darauf schaust, was andere Menschen tun, und versuchst, ihnen nachzueifern. Wenn zum Beispiel die Menschen in deinem Umfeld Alkohol und Zigaretten für unbedenklich halten, tust du es auch. Wenn jedoch die Menschen um dich herum Alkohol und Zigaretten verteufeln, tust du es ebenso. Du lässt andere Menschen über deine Überzeugungen und Entscheidungen bestimmen, weil du nicht glaubst, dass du eigene Meinungen haben und Entscheidungen treffen kannst. Du glaubst, dass deine Gedanken und Meinungen wertlos sind.
Was kannst du tun?
Was kannst du also tun, wenn diese Gründe auf dich zutreffen? Zunächst einmal musst du akzeptieren, dass es unmöglich ist, der Verantwortung ständig aus dem Weg zu gehen. Wir alle machen Fehler, das liegt in unserer Natur als Menschen.
Du musst also längerfristig denken. Kurzfristig kannst du unangenehmen Schuldgefühlen entkommen, indem du dich vor Entscheidungen drückst und sie so weit wie möglich aufschiebst. Aber langfristig bedeutet das, dass du dich in eine Abhängigkeit von anderen Menschen begibst.
Niemand kann ein erfolgreiches, unabhängiges und glückliches Leben führen, wenn er Entscheidungen meidet. Du musst dir also die Frage stellen: “Ist es mir lieber, von Zeit zu Zeit unangenehme Gefühle zu haben oder mein ganzes Leben lang unsicher und abhängig von anderen Menschen zu sein?” Siehe: Gefühle wahrnehmen und nicht danach handeln
Was den zweiten Grund betrifft (“andere Menschen wissen alles besser”), so hat dieser natürlich tiefere Ursachen, die möglicherweise in der Erziehung entstanden sind. In diesem Artikel möchte ich jedoch nicht auf die Entstehung dieser Überzeugungen eingehen, da dies den Rahmen sprengen würde.
Wichtig ist, dass du anfängst, deine Gedanken und inneren Signale wertzuschätzen, zu respektieren und als wichtig zu erachten. Jeder Mensch ist einzigartig und hat unterschiedliche Gedanken, Gefühle und Befindlichkeiten.
Der einzige Weg, um erfolgreich durchs Leben zu gehen, besteht darin, dich auf deine eigenen Ressourcen zu konzentrieren und ihnen zu vertrauen. Je mehr du dich auf deine eigenen Ressourcen (Gedanken, Gefühle, Bedürfnisse, Wünsche) konzentrierst, desto unwichtiger werden die Gedanken und Gefühle anderer Menschen für dich.
Natürlich bedeutet das nicht, dass dir die Gedanken und Gefühle anderer Menschen egal sein sollten. Du musst jedoch den Stellenwert hinterfragen, den sie bei dir haben. Wenn die Gedanken und Gefühle anderer für dich wichtiger sind als deine eigenen, ist das ein Zeichen für ein Problem. Und dieses Problem kannst du lösen, indem du deine Aufmerksamkeit in Zukunft auf dich selbst richtest.
Abschließend eine Frage zum Nachdenken: Was würde sich in deinem Leben ändern, wenn du anfangen würdest, deine eigenen Gedanken und Gefühle zu respektieren und wertzuschätzen?