Insekten und ihre entscheidende Rolle im Ökosystem

Insekten und ihre entscheidende Rolle im Ökosystem

Nicht oft schaffen es Nachrichten über Insekten, ein breites Publikum zu erreichen. Doch im Jahr 2017 ging die “Krefelder Studie” um die Welt: Ein Forscherteam hatte herausgefunden, dass mehr als 75 Prozent der Gesamtmasse an Fluginsekten aus Teilen von Deutschland verschwunden sind. Diese alarmierende Erkenntnis basiert auf Daten des Entomologenvereins Krefeld, der zwischen 1989 und 2016 an über 60 Standorten in Deutschland die Bestände mittels Standard-Flugfallen ausgewertet hatte. Diese Studie verdeutlichte nicht nur den dramatischen Rückgang der Insektenpopulation, sondern auch die massive Bedrohung der Artenvielfalt. Seitdem hat sich das Thema zu einem viel diskutierten und beobachteten Phänomen entwickelt, begleitet von einer zunehmenden Anzahl von Studien.

Auch wenn uns manche Krabbeltiere stören mögen, wenn sie unser Frühstück belagern oder unseren Schlaf stören, sind Bienen, Schmetterlinge, Käfer und Co für die Ökosysteme unverzichtbar. Experten warnen, dass der Schwund der Insekten ganze Nahrungsketten bedroht. Denn Insekten dienen vielen anderen Arten wie Vögeln, Fröschen oder Fledermäusen als Nahrungsquelle. Zudem sind viele Nutzpflanzen auf bestäubende Insekten angewiesen. Ohne sie würde es vor allem bei Obst und Gemüse zu erheblichen Ernteausfällen kommen.

Die Ursachen für den Rückgang der Insekten sind vielfältig und noch nicht vollständig erforscht. Experten gehen jedoch davon aus, dass die Intensivierung der Landwirtschaft eine Hauptrolle spielt. Der Verlust von Lebensräumen auf den Feldern und der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der industriellen Landwirtschaft gefährden die Insekten. Zudem führt die zunehmende Besiedlung zu einer Verkleinerung ihrer Lebensräume. Die damit einhergehende Lichtverschmutzung in den Städten beeinflusst den Tag-Nacht-Rhythmus sowie das Jagd- und Fortpflanzungsverhalten vieler nachtaktiver Insekten.

Die öffentliche Aufmerksamkeit für das “Insektensterben” und den Schutz der Tiere nimmt stetig zu. Es gibt bürgerschaftliches Engagement, bei dem Schulen beispielsweise Nisthilfen für Insekten aufstellen und viele Gartenliebhaber beginnen, naturnah zu gärtnern. Auch die Politik ist aktiv geworden: Im Jahr 2019 hat die Bundesregierung das “Aktionsprogramm Insektenschutz” verabschiedet und bringt Anfang 2021 ein Insektenschutzgesetz auf den Weg. Gemeinsam mit den Ländern hat sie ein systematisches und bundesweites Insektenmonitoring entwickelt. Zudem wurde im März 2021 ein nationales Zentrum zum Biodiversitätsmonitoring in Leipzig eingerichtet, das über die Insekten hinaus das Monitoring von Arten und Lebensräumen verbessern soll. Es geht also nicht nur um kleine Tiere, sondern um das große Ganze.

Kleine Tiere – große Wirkung

Insekten stellen gut 70 Prozent der weltweiten Tierarten dar und sind damit die artenreichste Gruppe aller Lebewesen. Auch in Deutschland sind sie ein wesentlicher Bestandteil der biologischen Vielfalt. Von den etwa 48.000 nachgewiesenen Tierarten in Deutschland sind über 33.000 Insektenarten. Man findet sie praktisch in jedem Lebensraum.

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Insekten erfüllen wichtige ökologische Funktionen. Zum einen sind sie Nahrungsgrundlage für viele Tiere wie Vögel, Mäuse, Frösche oder Eidechsen. Das Überleben dieser Tiere ist gefährdet, wenn sie nicht mehr ausreichend Nahrung finden können. Zum anderen tragen Insekten dazu bei, dass die Böden fruchtbar bleiben und das Wasser sauber bleibt. Ohne sie würden die Stoffkreisläufe in der Natur zusammenbrechen. Ein Beispiel dafür sind im Boden lebende Insekten, die zur Kompostierung von Blättern und Holz sowie zum Zersetzen von Tierdung beitragen.

Auch für die menschliche Ernährung sind Insekten von unschätzbarem Wert. Ihre Bestäubungsleistung ist besonders wichtig für den Obst- und Gemüseanbau, aber auch für großflächig angebaute Ackerkulturpflanzen wie Raps, Sonnenblumen oder Ackerbohnen. Laut dem Weltbiodiversitätsrat sind drei Viertel der weltweit wichtigsten Nutzpflanzen – wenn auch in unterschiedlichem Maße – von Bestäubung abhängig. Forscher der Universität Hohenheim haben den volkswirtschaftlichen Nutzen der Bestäuber im Jahr 2020 berechnet: Bei einem Wegfall aller bestäubenden Insekten würde Deutschland durchschnittlich etwa 3,8 Milliarden Euro pro Jahr verlieren.

Zu den Bestäubern gehören Wild- und Honigbienen, ebenso wie Schmetterlinge, Fliegen, Käfer oder Wespen. Neben diesen Insekten spielen auch einige Vögel eine Rolle bei der Bestäubung, doch Insekten sind dafür entscheidend. Im Wald werden beispielsweise rund 80 Prozent aller Bäume und Sträucher von Insekten bestäubt. Dazu gehören Ahorn, Weißdorn, Rosskastanie, Weide, Vogelbeere und Linde. Auch Ameisen tragen zur Verbreitung von Pflanzensamen bei, indem sie diese sammeln und verteilen.

Die Vielen werden weniger

Neben der “Krefelder Studie” gibt es auch spezielle Untersuchungen zu den Beständen von Tagfaltern, Wildbienen und Zikaden in Deutschland. Alle Erhebungen zeigen, dass die Anzahl der Arten und die Größe der Populationen teilweise dramatisch zurückgehen. Der “European Grassland Butterfly Indicator”, ein Schmetterlingsindikator der EU, berichtet beispielsweise über einen Rückgang von einem Drittel der spezialisierten und häufigen Schmetterlingsarten zwischen 1990 und 2015 – und das nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen europäischen Ländern.

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Mehr als die Hälfte der 561 in Deutschland bekannten Wildbienenarten sind bereits auf der Roten Liste und bedroht. Auf der Schwäbischen Alb zum Beispiel sank die Zahl der Nester einer Schmalbienenart innerhalb von 46 Jahren um 95 Prozent. In den Isarauen im bayerischen Dingolfing sind innerhalb eines Jahrzehnts drei Viertel der dort vorkommenden Wildbienenarten verschwunden.

Die Zahlen der bedrohten Insektenarten werden auch durch die sogenannten Roten Listen untermauert. Das Bundesamt für Naturschutz stellt seit über 40 Jahren umfangreiche Sammlungen dieser Listen zusammen. Bundesweit gelten fast die Hälfte aller erfassten Insektenarten als bestandsgefährdet, extrem selten oder bereits ausgestorben. Bei Köcherfliegen beispielsweise lag der rückläufige Bestandstrend bei 96 Prozent, bei Ameisen bei 60 Prozent.

Warum sind Insekten bedroht?

Die Ursachen für das Insektensterben sind vielfältig. Experten machen verschiedene Faktoren dafür verantwortlich, darunter der Verlust von Lebensräumen durch Siedlungen und Verkehrsflächen sowie die Lichtverschmutzung in und um Siedlungen. Vor allem jedoch die intensive Landwirtschaft spielt eine Hauptrolle. Eine internationale Forschungsgruppe hat herausgefunden, dass sich die Insektenbiomasse auf Grünlandflächen wie Äckern und Wiesen zwischen 2008 und 2017 um zwei Drittel verringert hat.

Insekten finden auf den immer größeren Feldern keine ausreichende Nahrung mehr. Das Verschwinden von Hecken, Feldrainen und blütenreichen Böschungen führt zum Verlust von Lebensräumen. Monokulturen verringern das Nahrungsangebot, und der Einsatz von Dünger erhöht den Nitratgehalt in Gewässern und Böden, was allen Insekten schadet, die an nährstoffarme Umgebungen angepasst sind. Viele Pestizide dezimieren nicht nur Schädlinge, sondern auch zahlreiche andere Insekten und deren Lebensräume. Breitbandherbizide wie Glyphosat vernichten die sogenannte Begleitflora wie Kornblume, Mohn und Kamille und damit die Lebensgrundlage für viele Insekten.

Der Einsatz von Neonikotinoiden in der Landwirtschaft wurde ebenfalls stark diskutiert. Diese Wirkstoffe wurden in den 1990er-Jahren zugelassen, um Schädlinge zu bekämpfen. Doch sie tragen ebenfalls zum Insektensterben bei. 2018 verbot die Europäische Union den Einsatz der drei Insektizide Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam im Freiland. Sie gehören zur Wirkstoffgruppe der Neonikotinoide.

Auch das zu häufige Mähen in der intensiven Landwirtschaft führt zum Verlust der Vielfalt an Blütenpflanzen. Der Naturschutzbund Deutschland (NABU) weist darauf hin, dass die Landschaft in Deutschland ab Juni “blütenarm” ist, wenn Wiesen und Weiden gemäht werden. Der Verlust von Streuobstwiesen, die von vielen Insekten als Lebensraum genutzt werden, ist ebenfalls problematisch.

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Was kann zum Schutz getan werden?

Es gibt bereits viele Ansätze zum Schutz der Insekten. Kommunen und Bürger setzen sich für den Schutz von Insekten ein, indem sie beispielsweise Blühwiesen anlegen, blütenreiche Trachtbäume pflanzen oder Nisthilfen für Wildbienen im Stadtgebiet installieren.

Auch die Politik reagiert entschlossen. Zu den zentralen Maßnahmen des Aktionsprogramms Insektenschutz gehören der gesetzliche Schutz von Insektenlebensräumen (wie Streuobstwiesen und artenreiches Grünland), die deutliche Einschränkung des Einsatzes glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel ab 2020 (bis zur vollständigen Beendigung Ende 2023), eine zusätzliche jährliche Förderung von 100 Millionen Euro für den Insektenschutz und den Ausbau der Insektenforschung, der Schutz und die Wiederherstellung von Insektenlebensräumen wie Randstreifen von Wegen oder Hecken am Wegesrand sowie die Reduzierung des Einsatzes von Pestiziden und anderen Schadstoffen in Insektenlebensräumen. Außerdem sollen insektenschädliche Beleuchtungen eingeschränkt werden.

Wichtige im Aktionsprogramm vorgesehene Rechtsänderungen sollen in einem Insektenschutzgesetz zusammengefasst werden, für das das Bundeskabinett im Februar 2021 einen Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes auf den Weg gebracht hat.

Was kann jeder Einzelne gegen das Insektensterben tun?

Jeder Einzelne kann einen Beitrag leisten, um mehr Lebensräume und ein besseres Nahrungsangebot für Insekten zu schaffen. Beim Einkauf und beim Gärtnern im Garten oder auf dem Balkon gibt es zahlreiche Möglichkeiten, Insekten zu schützen:

  1. Bio-Lebensmittel kaufen: Diese werden auf dem Acker nicht mit synthetisch hergestellten Pflanzenschutzmitteln und Mineraldünger behandelt.
  2. Naturnah gärtnern: Im eigenen Garten oder auf dem Balkon auf künstliche Pflanzenschutzmittel und Dünger verzichten. Es gibt natürliche Alternativen wie Schachtelhalmsud oder Brennnesseljauche.
  3. Insektenhotels aufstellen: Da es für Insekten immer schwieriger wird, natürliche Unterschlupf- und Nistmöglichkeiten zu finden, sind “Insektenhotels” im Garten und auf dem Balkon eine gute Idee.
  4. Lehmsandflächen anlegen: Viele Wildbienenarten wie die Mauerbiene oder die Hummel nisten in der Erde und graben ihre Gänge gerne in regengeschützten Flächen aus einem Sand-Lehm-Gemisch.
  5. Bunte Mischung: Insekten brauchen eine Vielfalt an Pollen und Nektar. Deshalb sollten Wildblumenwiesen gesät werden, auch heimische Stauden, Sträucher, Hecken und Obstbäume bieten viel Nahrung.
  6. Totholz im Garten stehen oder liegen lassen: Verrottendes Holz bietet Insekten den idealen Lebensraum und ist zudem eine gute Nahrungsquelle für Vögel in der Brutzeit.
  7. Insektenverträgliche Beleuchtung: UV-, blaues und weißes LED-Licht lockt die meisten Insekten an. Ein geringerer Anteil von Blauanteilen im Licht hingegen lockt weniger Insekten an. Beim Kauf von Lampen für den Außenbereich sollte daher darauf geachtet werden, dass möglichst wenig Blauanteile im Licht enthalten sind.

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