Häufig werden Intelligenz und Klugheit als Synonyme verwendet. Doch sie bezeichnen grundverschiedene Konzepte, die wir uns immer wieder klar machen sollten.
Mit Intelligenz bezeichnen wir kognitive und geistige Leistungsfähigkeit
“Intelligenz” steht für die Fähigkeit eines Menschen, seine kognitiven und geistigen Fertigkeiten zur Lösung von Problemen einzusetzen. Diese Probleme können logischer oder sprachlicher Natur sein oder durch sinnliche Wahrnehmungen hervorgerufen werden. Eine umfassende Definition von Intelligenz ist nicht möglich, da kognitive und mentale Fähigkeiten schwer zu bestimmen und voneinander abzugrenzen sind.
Intelligenz wird im Rahmen der Allgemeinen Psychologie unter dem Gesichtspunkt der Informationsverarbeitung erforscht. Dabei spielen auch die Differentielle Psychologie, die sich mit Themen wie Intelligenzdiagnostik und Kreativität befasst, sowie die Neuropsychologie eine Rolle.
Wenn wir jemanden als intelligent bezeichnen, meinen wir damit, dass er oder sie über herausragende kognitive und geistige Fähigkeiten verfügt, um Probleme zu lösen.
Klugheit hat ausschließlich mit Handeln zu tun
Klugheit wird hingegen nur im Kontext von Handlungen verwendet. Genauer gesagt gibt es keine “klugen” Menschen, sondern nur Menschen, die klug handeln.
Bereits Aristoteles definierte Klugheit als “eine bestimmte Begabung zur Orientierung eigenem und fremdem Handeln”. Klugheit zählt zu den vier Kardinaltugenden der Antike, zusammen mit Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung. Diese Tugenden ermöglichen ein Handeln, das als gut empfunden wird, weil es im Umgang mit anderen Menschen umsichtig und verantwortungsvoll ist. Klugheit ist weder eine Wissenschaft noch eine Handlungsweise, sondern eine handlungsbestimmende Haltung eines Menschen.
Klugheit ist gesellschaftlich vermittelt und ein zentrales Thema der praktischen Philosophie oder Ethik. Sie bezieht sich auf das Handeln des Einzelnen in der Gesellschaft und beschäftigt sich mit diesem als Ganzes.
Wenn wir jemanden als klug bezeichnen, drücken wir damit aus, dass diese Person erfolgreich in Bezug auf das Ziel einer Handlung ist und dabei mit anderen umsichtig und verantwortungsvoll umgeht.
Warum es zur Verwechslung von Intelligenz und Klugheit kommt
Aus dem Gesagten wird klar: Intelligenz ist eine kognitive und mentale Fähigkeit, während Klugheit eine auf Handlungen bezogene Haltung (Tugend) ist. Doch leider sind wir uns dessen oft nicht bewusst. Für viele von uns scheint Klugheit eine Zusammenfassung kognitiver und mentaler Prozesse zu sein, die auch unser Handeln bestimmen. Klugheit wird als Phänomen der Psychologie betrachtet, obwohl sie eigentlich ein Thema der Ethik ist. Manche gehen sogar noch weiter und verwenden Klugheit als Sammelbegriff für unser theoretisches und praktisches Wissen. Tatsächlich gibt es jedoch einen anderen Begriff dafür: Weisheit (sapientia). Doch das ist eine andere Geschichte.
Fazit
Wenn ein Mensch intelligent ist, bedeutet das noch lange nicht, dass er oder sie auch klug ist (oder anders ausgedrückt: immer klug handelt). Die Psychologie beschäftigt sich mit Intelligenz, während Klugheit Thema der praktischen Philosophie/Ethik ist.
Das Symbol der Klugheit ist seit jeher die Eule der Minerva.
Nachweise
[1] Aristoteles: Nikomachische Ethik, VI.5,1140a25.[2] Zur Bestimmung der vier Tugenden z.B. Platon: Politeia (Der Staat) IV,427c-428b;; Cicero: De officiis (Vom pflichtgemäßen Handeln), I.5(15); De inventione (Über die Auffindung des Stoffes), II.53f. u. 160.
[3] Aristoteles: Nikomachische Ethik VI.5, 1140a27f.
[4] Ebd.
Literatur:
Markus Bühner: Mythos IQ (veröffentlicht 01.07.2019), online abrufbar: https://www.uni-muenchen.de/forschung/news/2019/buehner_iq.html.
Franz Wiedmann, Gerhard Biller: Klugheit, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Herausgegeben von Joachim Ritter und Karlfried Gründer. Bd. 4., Sp. 857-863.
Karl-Hermann Wewetzer: Intelligenz, Intelligentsia, Intellektueller, in: Historisches Wörterbuch der Philosophie. Herausgegeben von Joachim Ritter und Karlfried Gründer. Bd. 4., Sp. 445-461.
Karl-Hermann Wewetzer: Intelligenz und Intelligenzmessung. Ein kritischer Überblick zu Theorie und Methode. 2. Auflage. Darmstadt 1984.