Ich bin gerade sehr stolz. Der Schulträger Mario Lehmann ist ebenfalls stolz. Frau Franke, die Schulleiterin, ist natürlich auch stolz und Herr Klein, der Internatsleiter, ist logischerweise auch stolz. Steffen Bütow ist stolz – Schloss Torgelow ist stolz. Aber auf wen? Auf Ann-Christin, die jüngste Abiturientin Deutschlands. Mit gerade einmal 15 Jahren erhielt sie am Wochenende ihr Abiturzeugnis am privaten Internatsgymnasium Schloss Torgelow. Von wem erhielt sie es? Von Herrn Lehmann, Frau Franke, Herrn Klein und Herrn Bütow. Das ist kein gewöhnliches Zeugnis, das Ann-Christin in ihren Händen hielt. Es ist das Zeugnis des besten Schülers des Abiturjahrgangs 2009. Mit einer Traumnote von 1,0, und insgesamt 811 Punkten, hat sie eine herausragende Leistung erbracht. Es war sicherlich nicht einfach, diese Bestleistung in ihrem Jahrgang zu erzielen, denn die Konkurrenz war groß. Drei weitere Schülerinnen – Lisa Dostmann, Nadine Rohloff und Michelle Tönnes – waren Ann-Christin dicht auf den Fersen und haben ebenfalls einen 1,0 Abiturschnitt erreicht. Zusammen mit vielen anderen guten und sehr guten Leistungen haben sie einen Abiturgesamtschnitt von 1,9 erreicht. Dennoch erzielte Ann-Christin die meisten Punkte. Wie hat sie das geschafft? Durch 15 Punkte in Mathematik, 15 Punkte in Deutsch, 14 Punkte in Biologie, 15 Punkte in Chemie und 15 Punkte in der mündlichen Geographieprüfung. Für ihre herausragenden 15 Punkte in der schriftlichen Mathematikprüfung erhielt sie sogar einen Sonderpreis.
Wenn man Ann-Christin fragt, ob sie sich intensiv auf die Prüfungen vorbereitet hat, dann grinst sie leicht verschmitzt. „Eigentlich habe ich im Unterricht nur aufmerksam zugehört“, sagt sie dann. Diese Antwort tut fast ein wenig weh. Jemand wie ich, der schon für 09 Punkte im Mathe-Abi Tag und Nacht lernen musste, wünscht sich irgendwie eine andere Antwort. Und dann erlöst Ann-Christin mich: „Ein bisschen habe ich mir die Aufgaben vorher schon angeschaut!“ Sie grinst erneut.
Nett ist sie also auch noch! Ein ganz normales Mädchen eben, das vor dem Abi-Ball zum Frisör geht und mit mir darüber diskutiert, ob sie sich die Haare hochstecken lassen soll. Ein Mädchen, das vom Urlaub mit ihrem Freund in Norditalien erzählt und Biomedizin studieren möchte. Und doch ist nicht alles ganz normal. Normalerweise ist man 17 oder 18 Jahre alt, wenn man das Abitur macht. Ann-Christin hat die Grundschule in zwei Jahren absolviert und anschließend ein Gymnasium in ihrer Heimat Niedersachsen besucht. Dort machte sie allerdings die Erfahrung, dass Begabung nicht nur eine Chance sein kann. Sie litt unter ihren Klassenkameraden, verlor den Spaß an der Schule und zog sich immer mehr zurück. Im Jahr 2002 stellte sich Ann-Christin dann auf Schloss Torgelow vor. Schon im Vorstellungsgespräch war ihr großes Potenzial spürbar. Durch die kleinen Klassen und die individuelle Förderung gelang es uns, Ann-Christin die Freude an der Schule zurückzugeben. Sie gewann an Selbstbewusstsein, fand Freundinnen und Freunde und entwickelte sich zur absoluten Leistungsträgerin in ihrer Klasse. Der Altersunterschied spielte für sie und ihre Mitschüler im Internat nie eine wirkliche Rolle. Jetzt spielt er wieder eine Rolle. Es wird noch dauern, bis Ann-Christin Auto fahren darf. In der Disko darf sie nicht so lange bleiben, wie die anderen. Auch die nächste Bundestagswahl muss ohne ihre Wählerstimme auskommen. Aber auch hier sieht sie das Positive: „Dafür liegt die Zukunft noch vor mir!“ Wie Recht sie hat. Alles Gute, Ann-Christin! Herzlichst Deine alte Lehrerin Kirsten Mehwald.