Im Jahr 2018 und 2019 erlebten wir in Deutschland zwei der heißesten Sommer aller Zeiten. Laut dem Langfristmodell der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) wird der Sommer 2020 in Deutschland erneut überdurchschnittlich warm sein. Doch wie zuverlässig ist dieses Modell und wie genau funktioniert es? In einem Interview mit dem renommierten Meteorologen Dominik Jung erfahren wir mehr über die Vorhersagen und die Veränderungen der deutschen Sommer.
Wie funktioniert das NOAA-Modell und wie zuverlässig ist es?
Das NOAA-Modell basiert auf langfristigen Klima-Auswertungen vergangener Jahrzehnte, der aktuellen Wetterlage und dem Verhalten von Meeresströmungen und -temperaturen. Es ist kein herkömmliches Wettermodell, das Prognosen für die nächsten Tage trifft, sondern eher ein Trendmodell. Es kann lediglich Aussagen darüber machen, ob es wärmer oder kälter als normal oder trockener oder nasser als normal sein wird. Für den vergangenen Winter hat das NOAA-Modell eine sehr milde Vorhersage abgegeben, die sich als richtig erwiesen hat. Auch für den diesjährigen Sommer hat es bisher recht gut gelegen. Der Juni war nur leicht zu warm und der Juli könnte in Deutschland und Bayern weiterhin wechselhaft sein. Es steht also ein typischer Achterbahnsommer für Mitteleuropa bevor. Die Monate Juli und August sollen leicht überdurchschnittlich warm ausfallen, was jedoch nicht ausschließt, dass es trotzdem ein paar heiße Tage geben kann.
“Dauerhitze im Sommer bleibt am Mittelmeer”
Für welchen Zeitraum können Sie eine erste Wetterprognose für Deutschland und Bayern abgeben?
Eine zuverlässige Wetterprognose ist nur für einen Zeitraum von fünf bis zehn Tagen möglich. Für den weiteren Verlauf des Sommers in Deutschland und Bayern erwarten wir eine wechselhafte Wetterlage. Mal wird es etwas wärmer sein, dann wieder heißer und dann kann es auch wieder kühler werden. Dazwischen wird es auch starker Regen und Gewitter geben. Dies ist der typische Verlauf eines Sommers in Mitteleuropa. Die große Dauerhitze bleibt da, wo sie hingehört – am Mittelmeer.
Die Siebenschläferzeit läuft bis zum 8. Juli und soll zu 60 bis 70 Prozent die Tendenz für die Zeit bis Mitte August bestimmen. Wie aussagekräftig ist diese Tradition?
In diesem Jahr könnte die Siebenschläferzeit durchaus zutreffen. Der Sommer bleibt weiterhin wechselhaft und es sieht so aus, als ob der Juli und August ähnlich verlaufen werden. Der vergangene Sommer war bereits sehr wechselhaft. Es gab zwar Hitzespitzen, jedoch wechselten diese mit kühleren Phasen ab. In diesem Jahr deutet nichts auf einen längeren Hochdrucksommer hin.
Sommer in Deutschland: “Es wird nun mal immer wärmer”
Ist ein Rekordsommer mit extremer Hitze und Dürre wie in den letzten Jahren erneut wahrscheinlich?
Das lässt sich derzeit nicht genau sagen. Als professioneller Meteorologe muss ich festhalten, dass es eher nach einem wechselhaften Sommer aussieht. Dieser kann jedoch auch einzelne Hitzespitzen mit sich bringen. Mehr können wir derzeit nicht sagen. Die tiefen Bodenschichten leiden immer noch unter Dürre, bedingt durch den trockenen Sommer 2018 und die darauffolgende Zeit. Das Defizit hat sich weiterhin vergrößert und ist noch nicht vollständig behoben. Die oberen 25 Zentimeter des Bodens haben bereits genug Wasser erhalten und leiden derzeit nicht unter Trockenheit.
Veränderungen in den deutschen Sommern
Was hat sich in den letzten Jahren am stärksten an den deutschen Sommern geändert?
Untersuchungen haben gezeigt, dass die Temperaturen sowohl global als auch regional immer weiter steigen. Wir bewegen uns langsam in Richtung eines mediterranen Klimas. Es wird nun einmal immer wärmer. Ob sich die Anzahl von Starkregenereignissen oder Stürmen in den Sommermonaten erhöht hat, konnte bei den Untersuchungen nicht eindeutig festgestellt werden. Der Temperaturanstieg bleibt jedoch der entscheidende Faktor.
“Steigende Zahl an Hitzetagen wird Probleme bereiten”
Welche Veränderungen erwarten Sie in den kommenden Jahren und welche Konsequenzen ergeben sich daraus?
Die Sommer werden in den kommenden Jahren weiterhin immer wärmer werden. Wir alle, insbesondere die Natur und die Landwirtschaft, müssen uns darauf einstellen. Unter Umständen werden wir neue Pflanzen anbauen können, die früher in Deutschland nicht möglich waren. Die steigende Anzahl von Hitzetagen wird ebenfalls Probleme bereiten. Beim Bau von Häusern und Wohnungen sollte daher auf eine bessere Isolierung und gegebenenfalls Klimatisierung geachtet werden. Heutzutage verfügt fast jedes Auto über eine Klimaanlage – vor 30 Jahren wurde darüber noch gelacht, doch heute möchte niemand mehr darauf verzichten. Besonders ältere Menschen leiden unter großen Hitzewellen, besonders wenn sie bettlägerig sind.
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