Ist es nicht verrückt?

Ist es nicht verrückt?

Stell dir vor, du befindest dich auf einer Reise und kommst in eine neue und fremde Stadt. Während einer Sightseeing-Tour wirst du plötzlich Zeuge eines Autounfalls. Jemand wird angefahren und du möchtest helfen. Doch der Fahrer des Wagens steigt aus, schaut den Verunglückten mitleidig an und sagt: “Oh, das war jetzt ein Ausrutscher! Tut mir leid, das war nicht meine Absicht.” Dann steigt er wieder ins Auto und fährt einfach davon. Du bleibst schockiert und empört zurück… Ist das nicht verrückt?

Weiter auf deinem Weg durch die Straßen siehst du, wie jemand von einer Leiter fällt und sich den Arm bricht. Erneut möchtest du helfen, doch wieder kommt eine andere Person hinzu und sagt zum Verletzten: “Oh, du Armer, bist von der Leiter gefallen. Ich glaube dir, dass es wehtut, aber keine Sorge, das wird schon wieder. Du musst nach vorne schauen.” Ist das nicht verrückt?

Und dann beobachtest du einen Menschen, der offensichtlich auf der Straße lebt und Hilfe benötigt. Doch niemand kümmert sich um ihn. Er wird lediglich mit Mitleid bedacht, und man kann förmlich die Gedanken der Passanten lesen: “Selbst Schuld.” Ist das nicht verrückt?

Es ist verrückt, im Sinne von “ver-rückt”, dass wir in unserer Gesellschaft Menschen, die verletzt sind und unsere Hilfe und Unterstützung brauchen, letztendlich im Stich lassen! Wir gehen davon aus, dass sie es schon selbst schaffen werden und sich nicht so anstellen sollen. Wir glauben, dass die Zeit alle Wunden heilt und dass es letztendlich ihre eigene Schuld ist, wenn sie in der Vergangenheit bleiben. “Das ist jetzt schon 4 Wochen her, du musst nach vorne schauen!”, hören wir oft. So sind wir fein raus und müssen uns nicht kümmern.

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In welcher Stadt bist du hier gelandet? Doch seien wir ehrlich, wir alle leben in solchen Städten!

Das ist es, was täglich passiert:

  • Kindern, die sexualisierte Gewalt erlebt haben
  • Menschen, die verletzt sind
  • Menschen, die um ihre Beziehung trauern
  • Menschen, die jemanden verloren haben
  • Menschen, die chronische Schmerzen haben, usw.

Hast du eine Vorstellung davon, was es für uns bedeutet, wenn wir so miteinander umgehen oder wenn so mit uns umgegangen wird? Es macht Menschen verrückt und sie zweifeln an ihrer Wahrnehmung, wenn niemand auf ihren Schmerz und ihre Verletzungen reagiert. Kinder, die Opfer sexualisierter Gewalt wurden, müssen bis zu 5-7 Personen ansprechen, um Gehör zu finden. Selbst in den Familien werden ihre Geschichten oft bagatellisiert. Trauernde, die einen geliebten Menschen verloren haben, sollen bereits nach 2 Wochen wieder arbeitsfähig sein. Auch nach Operationen sollte man sich nicht so anstellen… Wir nehmen den tatsächlichen, realen Schmerz nicht ernst und kümmern uns nicht! Stattdessen sagen wir oft Dinge, die den Schmerz der Person abwehren. Empathie mit einem anderen Menschen kann wehtun. So halten wir den Schmerz von uns und der ganzen Gesellschaft fern.

Diese Umgangsweise ist eine der Hauptursachen für traumatische Folgeerscheinungen. Die tatsächliche Verletzung, sowohl psychisch als auch physisch, ist das eine, aber der Umgang mit dem Geschehen und dem, was danach kommt, ist das andere. Wenn uns niemand glaubt, niemand uns ernst nimmt und sich niemand wirklich um uns kümmert, vertieft sich unsere Verletzung und sie heilt nur schwer, wenn überhaupt. Stattdessen kommen wir zu dem Schluss, dass etwas mit uns nicht in Ordnung ist. Eine schwerwiegende Schlussfolgerung, die letztendlich zu einer Sekundärtraumatisierung führen kann.

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Sekundärtraumatisierung ist sozusagen die Folge einer Ursprungsverletzung, um die sich niemand in aller Ernsthaftigkeit gekümmert hat. Sie betrifft die Betroffenen selbst. Über sie wird zu wenig gesprochen. Niemand erkennt, wie schlimm es ist, mit all dem Erlebten allein zu sein und sich alleingelassen zu fühlen. Dieses Meer von Einsamkeit, das sich in unserer Gesellschaft ausgebreitet hat, hat etwas mit unseren tiefsten inneren Verletzungen zu tun, die nie Beachtung gefunden haben und dennoch in uns wirken. Und dabei haben wir immer das Gefühl, dass wir es irgendwie alleine schaffen müssen, dass wir selbst damit klarkommen müssen. Niemand hält unsere Hand und ist für uns da.

Es ist verrückt, dass wir in einer Gesellschaft leben, in der wir so mit Menschen umgehen. Sollte es nicht vielmehr so sein, dass wir uns um die Leiden und Verletzungen anderer Menschen aus einem menschlichen Mitgefühl heraus kümmern, Trost spenden, für sie da sind und Interesse an ihnen zeigen?

Stell dir vor, jemand wäre sofort für dich da gewesen, als dir etwas passiert ist. Stell dir vor, jemand hätte zu dir gesagt: “Das ist ganz schlimm und schrecklich, was dir da passiert ist. Ich nehme dich in den Arm, beschütze dich und sorge dafür, dass das nie wieder passiert! Ich bin für dich da und glaube dir. Mit dir ist nichts falsch! Du musst dich für nichts schämen. Die andere Person muss sich schämen.” Stell dir vor, du würdest sofort Zuspruch und Schutz erhalten. Stell dir vor, dass wir in einer Gemeinschaft aufgehoben sind, die sich für uns einsetzt. Stell dir vor, dass jemand dich direkt tröstet…

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Wichtig ist, dass wir alle lernen, mit dem Leid anderer Menschen mitfühlender umzugehen und sie ernst zu nehmen. Wir sollten aufhören, ihren Schmerz zu bagatellisieren, auch wenn wir uns damit selbst schützen möchten.

Dazu gehört vor allem, dass du dich selbst ernst nimmst und dein eigenes Leid ohne Selbstmitleid annimmst. Es geht um das Mitgefühl mit dir selbst! Wenn wir uns selbst ernst nehmen, unsere Scham mit einbeziehen, unsere Schuld ablegen und anfangen, über die Vergangenheit und das Geschehene zu trauern, schaffen wir gleichzeitig Platz für Neues.

Wenn wir diese Sichtweise wieder mehr in unser Bewusstsein bringen, wird sich der verrückte Blick auf die Welt wieder zurechtrücken!