Ist Grüntee doch nicht so gesund?

Ist Grüntee doch nicht so gesund?

Grüner Tee ist schon seit langem für seine gesundheitsfördernden Eigenschaften bekannt. Die darin enthaltenen Katechine, insbesondere ECG und EGCG, gelten als lebensverlängernd. Diese Substanzen gehören zur Gruppe der Polyphenole und werden als Antioxidantien betrachtet, die dem oxidativen Stress durch aggressive Sauerstoffradikale im Körper entgegenwirken.

Bisher ging die Forschung davon aus, dass die Katechine die Sauerstoffradikale neutralisieren und somit Schäden an den Zellen und der DNA verhindern. Sauerstoffradikale entstehen beispielsweise bei der Energieproduktion in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zellen.

Forschende der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (ETH Zürich) und der Universität Jena haben den Wirkmechanismus der Katechine im Fadenwurm C. elegans genauer untersucht. Die Ergebnisse sind paradox: Die Katechine aus grünem Tee unterdrücken oxidativen Stress nicht, sondern fördern ihn.

In einer kürzlich in der Fachzeitschrift Ageing veröffentlichten Studie zeigen die Forschenden, dass die Polyphenole aus grünem Tee oxidativen Stress zunächst kurzfristig erhöhen, was wiederum die Abwehrfähigkeit der Zellen und des Organismus steigert. Dadurch verhelfen die Katechine aus grünem Tee den Fadenwürmern zu einem längeren Leben und größerer Fitness. Studienleiter Michael Ristow erklärt, dass grüner Tee-Polyphenole wie Katechine keine Antioxidantien sind, sondern eher Pro-Oxidantien, die die Abwehrfähigkeit des Organismus ähnlich wie eine Impfung verbessern.

Diese Steigerung der Abwehrfähigkeit erfolgt nicht durch das Immunsystem, sondern durch die Aktivierung spezifischer Gene, die bestimmte Enzyme wie Superoxid-Dismutase (SOD) und Catalase (CTL) hervorbringen. Diese Enzyme inaktivieren die freien Sauerstoffradikale in den Fadenwürmern und wirken daher wie körpereigene Antioxidantien.

Es ist nicht überraschend, dass ein solcher Mechanismus eine Rolle spielt. Bereits 2009 konnte Ristows Forschungsgruppe zeigen, dass die gesundheitsfördernde Wirkung von Sport durch die kurzfristige Steigerung von oxidativem Stress und die Verbesserung der Abwehrmechanismen des Körpers zustande kommt. Der gleiche Effekt tritt auch auf, wenn man weniger Kalorien zu sich nimmt. Mäuse, die kalorienreduzierte Nahrung erhalten, leben länger als Artgenossen, die normales, kalorienreiches Futter bekommen. Daher liegt es für Ristow nahe, dass die Katechine aus grünem Tee ähnlich wirken.

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Die Erkenntnisse dieser Studie lassen sich laut Ristow gut auf den Menschen übertragen. Die grundlegenden biochemischen Prozesse zur Neutralisierung von Sauerstoffradikalen sind in der Entwicklungsgeschichte von einzelligen Organismen bis zum Menschen konserviert. Der ETH-Professor empfiehlt daher, täglich grünen Tee zu trinken, wie er es selbst tut. Allerdings rät er davon ab, Grüntee-Extrakte oder -Konzentrate in zu hoher Konzentration zu sich zu nehmen, da sie toxisch wirken können. Hochdosierte Katechine hemmen die Mitochondrien so stark, dass dies zum Zelltod führen kann, insbesondere in der Leber. Ein übermäßiger Konsum dieser Polyphenole birgt also das Risiko von Organschäden.

Während japanische Grünteesorten die höchste Menge an Katechinen enthalten, enthalten auch andere grüne Tees ausreichende Mengen dieser Polyphenole. Im Vergleich dazu ist der Katechingehalt im Schwarztee viel geringer, da die Fermentation diese Substanzen weitgehend zerstört. Ristow rät daher, grünem Tee den Vorzug vor Schwarztee zu geben.

Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)