Julian Assange: Ein juristisches Drama

Julian Assange: Ein juristisches Drama

Seit 2019 befindet sich Julian Assange im Londoner Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh. Der viktorianische Bau zählt zu den härtesten Haftanstalten in Großbritannien. Ursprünglich sollte der Gründer von Wikileaks für fünfzig Wochen wegen Verstoßes gegen frühere Haftauflagen inhaftiert werden, doch diese Zeit ist längst vergangen. Seither verbleibt Assange in einer Art Abschiebehaft unter extrem verschärften Bedingungen.

Besorgnis um Assanges Gesundheit

Assanges Frau Stella fürchtet das Schlimmste, falls die Richter ihrem Mann nicht den Weg für eine weitere Berufungsrunde eröffnen. “Julians Leben hängt davon ab, diese Auslieferung zu verhindern. Julian leidet unter klinischer Depression. Wenn er ausgeliefert und in Isolationshaft gesteckt wird, wie es die USA planen, wird er Suizid begehen”, sagte Stella Assange in einem Interview mit der DW.

Auch der australische Teil der Familie, bestehend aus Vater John Shipton und Bruder Gabriel, ist äußerst besorgt. “Seine Gesundheit verschlechtert sich”, erklärte der Bruder vergangene Woche in einem Interview mit Sky Australia. “Er befindet sich in einer gefährlichen Situation, und es wird immer schlimmer. Es ist wirklich herzzerreißend, dieses sanfte Genie in einem Hochsicherheitsgefängnis neben den gewalttätigsten Verbrechern zu sehen.”

Umstrittene Auslieferung

Laut Assanges Anwältin und Ehefrau Stella muss der High Court nun weitere Rechtsmittel gegen eine frühere Entscheidung desselben Gerichts ermöglichen. Dabei ging es hauptsächlich um die formale Auslegung des Auslieferungsabkommens zwischen Großbritannien und den USA.

In erster Instanz berücksichtigte eine Bezirksrichterin zwar den Gesundheitszustand des Gefangenen und entschied gegen die Auslieferung. Doch die höheren Richter hielten diese Gründe nicht für ausschlaggebend.

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Auch andere Aspekte wurden trotz des Einsatzes von Assanges Anwälten bisher ignoriert. Zum Beispiel stellt sich die Frage, ob Assanges Recht auf freie Meinungsäußerung und der Schutz journalistischer Arbeit eine Auslieferung nicht verhindern sollten. Oder ob die USA möglicherweise politische Gründe für ihren Antrag haben.

“Wenn wir alle nationalen Rechtsmittel ausgeschöpft haben, können wir den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte anrufen”, sagt Stella Assange. Ob britische Richter jedoch auf dessen Urteil warten würden, ist derzeit ungewiss.

Die britische Regierung befindet sich auf Kollisionskurs mit der Europäischen Menschenrechtskonvention. Ein Ende Juni vorgelegter Gesetzentwurf sieht vor, den Schutz für Flüchtlinge zu verringern. Statt einem Asylverfahren in Großbritannien sollen die Migranten nach Ruanda geschickt werden, um dort Asyl zu beantragen. Sollte die Tory-Hardlinerin Liz Truss im September in die Downing Street einziehen, könnte Assange kaum auf eine politische Intervention hoffen.

Mit Kindern im Gefängnis

Einmal pro Woche darf Stella Assange mit ihren gemeinsamen Söhnen für eine Stunde Belmarsh besuchen. Die heute drei und fünf Jahre alten Jungen kennen ihren Vater nur als Häftling.

Die Besuche stellen für die Familie jedes Mal einen Hindernislauf dar: “Sie werden von oben bis unten von Polizeihunden beschnüffelt, während man in ihre Münder schaut, hinter ihre Ohren schaut, in ihren Haaren sucht und unter ihren Füßen nachsieht. Sie wissen, dass dies ein Ort ist, von dem ihr Vater nicht wegkann”, erzählt Stella Assange von den regelmäßigen Durchsuchungen ihrer Kinder.

Am Ende dreht sich dieser Kampf nicht nur um das Leben ihres Mannes, sondern auch um die Pressefreiheit in Europa: “Gibt es einer fremden Macht erlaubt, in Europa einzudringen und die Veröffentlichung von Informationen einzuschränken? Stellen Sie sich vor, China würde dasselbe tun und einen Journalisten in Deutschland verfolgen, weil er chinesische Verbrechen aufgedeckt hat.”

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Ein Auslieferungsabkommen wie zwischen Großbritannien und den USA existiert jedoch nur zwischen befreundeten Ländern, in denen eigentlich Vertrauen in die demokratische Justiz des Partners herrschen sollte. Doch manchmal scheinen geopolitische Interessen stärker zu wiegen als das Schicksal eines einzelnen Mannes.