Kinderdemenz: Eine Alzheimer-ähnliche Krankheit

Kinderdemenz: Eine Alzheimer-ähnliche Krankheit

Kinder und Demenz – zwei Wörter, die man nicht unbedingt in Verbindung bringt. Doch tatsächlich können auch Kinder und Jugendliche von dieser Erkrankung betroffen sein. Professor Jutta Gärtner, Leiterin der Abteilung Pädiatrie II mit dem Schwerpunkt Neuropädiatrie der Universitätsmedizin Göttingen, beschäftigt sich bereits seit zwei Jahrzehnten mit kindlichen Demenzerkrankungen. Kinderdemenzen sind zwar seltene Erkrankungen, haben aber bisher wenig Aufmerksamkeit erhalten.

Eine Erforschung im Fokus

Als das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen im Jahr 2009 gegründet wurde, waren kindliche Demenzerkrankungen nicht berücksichtigt. Dies führte zu vielen Fragen von betroffenen Familien, warum die Forschung an den Krankheiten ihrer Kinder nicht Teil dieses Zentrums sei. Nach zahlreichen Gesprächen mit dem Vorstandsvorsitzenden des DZNE, Professor Piereluigi Nicotera, wurde im letzten Jahr beschlossen, einen Bereich im DZNE in Göttingen zu gründen, der sich mit der Erforschung dieser kindlichen neurodegenerativen Erkrankungen befasst.

Ausmaß der Kinderdemenz

Es gibt keine genauen Zahlen darüber, wie viele Kinder in Deutschland von Kinderdemenz betroffen sind. Eine grobe Schätzung besagt, dass bei einer spezifischen Kinderdemenz namens Neuronale Ceroid Lipofuszinose etwa 700 Kinder in Deutschland betroffen sind. Wenn man dies auf die rund 200 unterschiedlichen kindlichen Demenzerkrankungen hochrechnet, könnte die Zahl der betroffenen Kinder auf 100.000 bis 150.000 geschätzt werden. Es gibt jedoch keine offiziellen Erhebungen dazu, weder in Deutschland noch international.

Symptome der Kinderdemenz

Die Anzeichen von Kinderdemenz ähneln denen der Demenz bei Erwachsenen. Der Unterschied liegt darin, dass die Krankheit bei Kindern viel früher beginnt. In den ersten Lebensjahren entwickeln sich die Kinder normal. Doch plötzlich tritt im Kindergarten- oder im frühen Schulalter ein Stillstand in ihrer Entwicklung auf. Dieser Stillstand markiert leider auch den Beginn des Verfalls ihrer Fähigkeiten. Die betroffenen Kinder oder Jugendlichen verlieren allmählich ihre motorischen und geistigen Fähigkeiten.

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Ein Beispiel dafür ist das Laufen. Kinder lernen normalerweise, sicher zu gehen, aber plötzlich laufen sie unsicher und stolpern oft. Schließlich können sie überhaupt nicht mehr laufen und befinden sich in einem bettlägerigen Zustand. Auch geistige Fähigkeiten werden beeinträchtigt. Kinder mit anfangs guten schulischen Leistungen erleiden einen fortschreitenden geistigen Abbau bis hin zur Demenz.

Genetische Ursachen

Im Gegensatz zu Demenzerkrankungen bei Erwachsenen, die oft sporadisch auftreten, handelt es sich bei Kinderdemenzen um angeborene Erkrankungen. In der Regel sind sie genetisch bedingt, da eine Mutation in einem bestimmten Krankheitsgen zu dieser Erkrankung führt. Es handelt sich meist um neurometabolische Erkrankungen, also Stoffwechselerkrankungen im Gehirn. Häufig sind mehrere Familienmitglieder betroffen.

Erbkrankheitsrisiko

Da es so viele verschiedene seltene kindliche Demenzerkrankungen gibt, ist es schwierig, ein erhöhtes Risiko vorherzusagen. Eine umfassende Untersuchung des gesamten Genoms der Eltern ist sehr aufwendig und praktisch nicht durchführbar. Selbst bei einer pränatalen Diagnostik, bei der die Anzahl und Struktur der Chromosomen überprüft werden, kann man keine genaue Vorhersage treffen. Die Kinder entwickeln sich in der Regel zunächst normal, und erst wenn der Stillstand eintritt, wird eine Diagnose gestellt.

Gemeinsame Krankheitsmechanismen

In der Forschung wurden bereits Ähnlichkeiten zwischen Kinderdemenz und Demenz im Erwachsenenalter festgestellt. Bei der Untersuchung von Genomen wurden neue Krankheiten und Gene entdeckt, die auch in der Entwicklung von Alzheimer oder Parkinson eine Rolle spielen. Daher ist es für Forscherinnen und Forscher des DZNE interessant, die gemeinsamen Krankheitsmechanismen bei verschiedenen Erkrankungen zu untersuchen.

Hoffnung auf Heilung

Einige wenige Formen von Kinderdemenz sind heilbar, wenn sie frühzeitig erkannt werden. Daher ist es von großer Bedeutung, die Forschung auf diesem Gebiet weiter voranzutreiben. In den letzten Jahren konnten bereits Fortschritte erzielt werden, indem neue Krankheiten identifiziert wurden und die Fehler im Genom teilweise korrigiert werden konnten. Dies gibt Anlass zur Hoffnung für die betroffenen Kinder.

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Die Fachkonferenz, die am 11. und 12. Dezember in Bonn stattfindet, widmet sich genau diesen Themen: Ursachen und gemeinsame Krankheitsmechanismen bei Kinder- und Erwachsenendemenzen. Ziel ist es, den Krankheitsprozess besser zu verstehen und mögliche Heilungsansätze zu finden.

Professor Jutta Gärtner leitet die Abteilung Pädiatrie II mit dem Schwerpunkt Neuropädiatrie der Universitätsmedizin Göttingen und leitet die Arbeitsgruppe für neurodegenerative Erkrankungen des Kindes- und Jugendalters innerhalb des Deutschen Zentrums für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE).

Quelle: Deutsche Welle