Kindesmissbrauch in Lügde: Ein trauriger Fall von Manipulation und sexuellem Missbrauch

Kindesmissbrauch in Lügde: Ein trauriger Fall von Manipulation und sexuellem Missbrauch

Seit über 15 Jahren ereignete sich laut der Staatsanwaltschaft Detmold ein Missbrauchsfall, der bis heute schockiert. Aus einem Jugendlichen, der damals grenzüberschreitend handelte, wurde nach Ansicht der Ermittler ein Sexualstraftäter. Mario S., der heute 34 Jahre alt ist, wird vorgeworfen, zusammen mit anderen Männern über Jahre hinweg Dutzende von Kindern auf einem Campingplatz in Lügde in Nordrhein-Westfalen sexuell schwer missbraucht zu haben.

Bisher wurde Mario S. in der Öffentlichkeit als Mittäter des vermeintlichen Haupttäters Andreas V. angesehen, gegen den die Staatsanwaltschaft Detmold bereits Anklage erhoben hat. Andreas V. wird der sexuelle Missbrauch von 22 Kindern in 293 Fällen vorgeworfen, allesamt Mädchen im Alter von fünf bis 14 Jahren. Der Prozess gegen ihn soll diesen Sommer beginnen. Das Landgericht Detmold hat nun Details zur Anklage gegen Mario S. veröffentlicht.

Opfer werden zu Tätern

Laut der Anklage, die nun beim Landgericht Detmold liegt und noch zugelassen werden muss, handelt es sich bei Mario S. um einen eigenständig agierenden Sexualstraftäter. Er soll auch ohne das Zutun von Andreas V. Kinder missbraucht haben. Es wird ihm vorgeworfen, in den letzten 20 Jahren mindestens 18 verschiedene Kinder, darunter acht Mädchen und neun Jungen unter 14 Jahren, missbraucht zu haben. Die angeklagten Übergriffe reichen bis hin zu Vergewaltigungen.

Eines der ersten Opfer von Mario S. soll Julian L. gewesen sein. Der heute 29-jährige Julian L. meldete sich jedoch erst im Zuge des Missbrauchsskandals von Lügde, der im Januar letzten Jahres öffentlich wurde, bei der Polizei. Die Ermittler gingen ursprünglich davon aus, dass Mario S. nur Beihilfe zum sexuellen Missbrauch geleistet habe. Doch nach und nach kam das wahre Ausmaß seiner mutmaßlichen Taten ans Licht. Viele Kinder bestritten in ihren ersten Vernehmungen, Opfer von Mario S. geworden zu sein. Erst nach seiner Verhaftung trauten sie sich, der Polizei von ihren Erlebnissen zu erzählen. Die Mutter mehrerer betroffener Mädchen erzählte Reportern: “Er wurde verhaftet, und plötzlich fingen die Kinder an zu reden. Das war für sie irgendwie eine Befreiung. Sie erzählten wie ein Wasserfall.” Rückblickend bezeichnete die Frau Mario S. als “reinen Kindermagneten”.

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Freunde als Opfer

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft knüpfte Mario S. über Jahre hinweg ein weitreichendes Netzwerk von Kindern, die er für seine Zwecke manipulierte. Er lud sie in den elterlichen Partykeller in Steinheim ein oder auf den Campingplatz in Lügde-Elbrinxen. Seit 2014/2015 hatte er dort eine eigene Parzelle angemietet. Zahlreiche Camper erinnern sich an ihn, wie er mit glücklichen Mädchen und Jungen auf einem Rasenmäher über den Campingplatz fuhr. Vor seiner Parzelle sollen immer Kinderräder in verschiedenen Größen geparkt gewesen sein. Monatelang stand eine leere Flasche “Kindersekt” vor seinem heruntergekommenen Wohnwagen.

Bevor er einen eigenen Wohnwagen hatte, teilte sich Mario S., der mal als LKW-Fahrer, mal als Reinigungskraft arbeitete, einen Wohnwagen mit einem langjährigen Bekannten. Aus dem Umfeld der Familie erfährt man, dass Mario S. auch die Enkelkinder dieses Mannes vergewaltigt und missbraucht haben soll. Die anderen Jungen und Mädchen, denen er sexuelle Gewalt antat, waren Kinder von Freunden, Bekannten und Campingnachbarn, die ihren Urlaub auf dem Campingplatz verbrachten oder einen Babysitter suchten. Diese Kinder brachten nach einiger Zeit oft ihre Geschwister oder eigene Freunde mit, sodass Mario S. scheinbar leicht weitere Opfer finden konnte.

Täuschung und Entsetzen

Die Staatsanwaltschaft wirft Mario S. auch den sexuellen Missbrauch eines geistig behinderten Jungen vor. Zudem soll er kinderpornografisches Material erstellt und insgesamt 4806 kinderpornografische Bilder und Videos besessen haben. Angeblich verschickte er einem Jungen, den er über Jahre hinweg missbrauchte, ein Video von einer Vergewaltigung. Der heute 16-jährige Junge selbst steht nun unter Verdacht, Kinder missbraucht zu haben und sitzt in Untersuchungshaft. Es besteht die Sorge, dass das ursprüngliche Opfer zum Täter wurde.

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Sowohl Andreas V. als auch Mario S. hätten möglicherweise schon viel früher gestoppt werden können. Im September 2017 soll ein Kind einer Mitarbeiterin des Jugendamts Höxter erzählt haben, dass es in Marios Bett schlafe und von ihm geküsst werde. Die Behörde erließ daraufhin eine Kontaktverbotsanordnung gegen Mario S. und forderte die Mutter auf, ihr Kind nicht mehr alleine bei ihm zu lassen. Das Jugendamt Höxter äußerte sich zu diesem Vorfall nicht. Zudem ermittelte die Staatsanwaltschaft Paderborn in den Jahren 2004 und 2013 gegen Mario S. wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern – beide Verfahren wurden jedoch eingestellt.

Mario S. soll in Chats offen über das geschrieben haben, was er vielen Kindern angetan hat, insbesondere mit dem 56-jährigen Camper Andreas V. Die Ermittler glauben, dass die beiden Männer sich gegenseitig Kinder zum Missbrauch überließen und sich dabei zusahen. Aussagen einer Mutter, deren Kinder auf dem Campingplatz missbraucht wurden, unterstützen diese Anschuldigungen. Sie erinnert sich, wie ihre Tochter damals berichtete: “Ich und Mario standen an der Tür, als Addy Maja vergewaltigt hat. Ich wollte ihr helfen und konnte es nicht. Mario hat mir den Mund zugehalten.” Nach der Verhaftung von Andreas V. im Dezember 2018 täuschte Mario S. den Eltern missbrauchter Kinder sein Entsetzen vor und befragte sogar befreundete Mütter nach deren polizeilichen Vernehmungen. Eine Mutter erinnert sich daran, wie er sich über Andreas V. aufregte und fragte, wie er all das tun konnte.

Bei seiner eigenen Verhaftung vier Wochen später war Mario S. weniger gesprächig. Er bagatellisierte seine eigenen Taten, gestand nur einen Bruchteil der 162 ihm zur Last gelegten Übergriffe und distanzierte sich von Andreas V. Allerdings belastete der 56-jährige Dauercamper ihn schwer. Marios Anwalt Jürgen Bogner riet seinem Mandanten zu einem Geständnis: “Bei 162 Taten sollte der richtige Weg sein, sich vor der Justiz zu offenbaren – auch aus Gründen des Opferschutzes.”

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Eine Gutachterin kam zu dem Ergebnis, dass Mario S. pädophile Neigungen hat und voll schuldfähig ist. Aufgrund der hohen Rückfallgefahr beantragt die Staatsanwaltschaft eine Sicherungsverwahrung für den 34-Jährigen.