Viele Familien in Großstädten kennen das Problem: Sie leben in einer schönen Altbauwohnung in einem tollen Viertel, aber spätestens wenn das zweite Kind kommt, wird der Platz knapp. Oft fehlt ein weiteres Zimmer.
Doch eine größere Wohnung in der Innenstadt zu finden ist sehr schwer, und wenn es gelingt, dann wird es teuer. Die Miete ist mit ziemlicher Sicherheit deutlich höher als bisher. Rausziehen an den Stadtrand oder ins Grüne wollen oder können nicht alle Familien. Was also tun?
Aus 4 Zimmern werden 6 Räume
Sabine Stiller lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Söhnen auf 100 Quadratmetern in Hamburg. Vor einigen Jahren stand sie vor demselben Problem. Aus den Lösungen, die sie für ihr eigenes Zuhause fand, entwickelte sich ihre Geschäftsidee. Ihr Planungsbüro “4 Zimmer 6 Räume” berät Familien, wie sie das Beste aus ihren Quadratmetern herausholen können.
Als Einrichtungsexpertin hat Sabine Stiller auch ein Buch geschrieben, das Familien hilft, ihre Wohnfläche besser zu nutzen und zusätzliche Räume in ihrer Wohnung zu schaffen. Das Buch, “Aus 4 Zimmer mach 6 Räume – Wohnkonzepte für Familien”, ist im Prestel-Verlag erschienen und kostet 38 Euro.
Wir haben Sabine Stiller nach Tipps für Familien gefragt, wie sie das Beste aus ihrer Wohnfläche herausholen können.
7 Fragen an Einrichtungsexpertin Sabine Stiller
Wohnglück.de: Wie viele Quadratmeter braucht eine Familie mit zwei Kindern mindestens?
Sabine Stiller: Unter 75 Quadratmetern wird es schwierig, besonders wenn es sich um einen Neubau mit niedrigen Decken handelt. Andererseits habe ich auf 100 Quadratmetern Platz für drei Kinder, und das funktioniert jahrelang.
Kinder brauchen nicht so viel Platz. Ihnen geht es eher darum, einen gemütlichen, kleinen Ort zu haben, an dem sie sich zurückziehen können. Und einen solchen Rückzugsort braucht jeder in der Familie.
Sie sagen, man muss die Wohnung ganz neu denken, nicht klassisch in Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderzimmer. Wie genau?
Sabine Stiller: Es geht darum, wo verbringe ich die meiste Zeit. Wenn die Küche der Raum ist, in dem ich die meiste Zeit mit meiner Familie verbringe, dann ist es logisch, dass die Küche in den größten und hellsten Raum als Wohnküche kommt. Die Schlafbereiche können dann in die kleineren Räume oder in die alte Küche verlegt werden.
Oft wird das Wohnzimmer nur abends genutzt, wenn man auf dem Sofa sitzt, oder das Esszimmer dient in erster Linie dazu, mit Freunden zusammenzusitzen. Diese Räume liegen oft brach und benötigen nicht viel Platz.
Es geht darum, Räume neu zu denken. Schlafen geht auch in einem dunklen, kleinen Raum. Das kann im Extremfall sogar eine gemütliche kleine Koje sein. Oft herrscht in den großen Schlafzimmern der Eltern sowieso Chaos. Das ist kein Ort der Ruhe. Kein Rückzugsort. Man sollte sich überlegen, wofür brauche ich welchen Raum und wo verbringe ich wirklich viel Zeit.
Welche verschiedenen Bedürfnisse lassen sich gut in einem Raum kombinieren?
Sabine Stiller: Essen und Kochen können gut in einer Wohnküche kombiniert werden. Auch Arbeiten und Schlafen können miteinander vereint werden, sofern man die Raumtemperatur gut regeln kann.
Ich zum Beispiel habe mein Schlafzimmer mit dem Wohnzimmer kombiniert. Das funktioniert, wenn das Wohnzimmer abends ein Ort der Ruhe für die Eltern ist und man mit Freunden zum Beispiel in der Wohnküche sitzt. Dann reicht eine gemütliche Ecke und man braucht kein großes zentrales Sofa.
Essen und Wohnen oder Essen und Arbeiten lassen sich ebenfalls gut kombinieren. Es geht auch darum, die zeitliche Nutzung einer Wohnung zu bedenken.
Was sind die häufigsten Fehler in Wohnungen, in denen der Platz nicht ideal genutzt wird?
Sabine Stiller: Der häufigste Fehler ist, dass Möbel aus vergangenen Zeiten, oft noch aus der Studienzeit, mitgeschleppt werden, obwohl sie nicht mehr die Funktion erfüllen, die sie benötigen. Ein Beispiel: Die Familie braucht Stauraum für Kleidung oder Akten.
Dafür sind funktionale Möbel, die zu den Gegenständen passen, notwendig. Ein alter Kiefernschrank nimmt viel Platz ein, bietet aber nicht wirklich viel Stauraum. Wenn dann noch alte Möbel dazukommen, entsteht ein Kuddelmuddel und die Räume wirken überfüllt.
Natürlich kann man auch das eine oder andere schöne Einzelstück behalten, aber der restliche Stauraum sollte reduziert gestaltet werden, vielleicht sogar als Teil der Architektur.
Welche Möglichkeiten gibt es, ein zusätzliches Zimmer zu schaffen?
Sabine Stiller: Ein Raum kann in der Höhe oder in der Breite geteilt werden. Man kann eine zweite Ebene planen, wo man oben lebt und unten Stauraum hat. Oder man schafft oben Stauraum und darunter eine Sitzbank. Es ist auch möglich, einen Kubus in einen Raum zu stellen, den man später leicht wieder abbauen kann.
Im Neubau ist das aufgrund der geringeren Deckenhöhe natürlich schwieriger. Dort bietet sich eher ein Podestbett mit geschlossenem Stauraum an als ein Hochbett. Das sind Möglichkeiten, wenn es um verschiedene Ebenen in einem Raum geht.
Alternativ kann man auch mit Raumteilungen arbeiten. Dabei ist es wichtig, die hellen Bereiche zu bewohnen und die Stauräume eher nach hinten, weg vom Fenster, zu platzieren. Oder man schläft im dunklen Bereich und isst im hellen Bereich.
Es geht darum, festzulegen, wie wir die Räume nutzen möchten, und dann können wir anfangen, sie mit Möbeln oder Gipskartonwänden zu teilen, die mit Oberlichtern versehen sind. Es besteht auch die Möglichkeit, eine Wand mit einer Tür oder Schiebewänden oder -türen einzubauen.