Stellt euch vor, ihr kommt nach Hause und die Tapete hängt in langen Fäden von der Wand, der Teppich ist übersät mit Tapetenschnipseln und mittendrin sitzt eine mit sich und der Welt zufriedene Katze. Ein Alptraum? Wohl wahr, aber dennoch in manchen Katzenhaushalten Realität. Meist sieht das Bild nicht ganz so schlimm aus, sondern es werden nach und nach bestimmte Stellen bearbeitet, bis die Tapete schließlich nachgibt.
Aber warum kratzen Katzen an Tapeten und wie gewöhnt man ihnen diese Unart wieder ab? Ist es überhaupt eine Unart und nicht vielleicht doch einfach nur natürliches Verhalten, das der Katzenhalter akzeptieren muss? Und sind immer nur die fehlenden oder nicht geeigneten Kratzmöglichkeiten Schuld an dem Problem? Oder Tapeten verzierende Katzen gar neurotisch und/oder unausgelastet? Das sehen wir uns in diesem Artikel einmal genauer an.
Fehlende oder falsche Kratzmöglichkeiten
Genüssliches Krallenschärfen gehört ins natürliche Verhaltensrepertoire der Katze und dient nicht nur der Krallenpflege, sondern gehört auch zum Markierverhalten. Es entstehen neben Sicht- auch Duftmarkierungen durch die an den Pfoten befindlichen Schweiß- und Talgdrüsen. Es erscheint logisch, dass solche Markierungen aus Katzensicht an strategisch günstigen Stellen gesetzt werden müssen. Damit sowohl der Krallenpflege als auch dem Markierverhalten genüge getan wird, sind die Art der Kratzmöglichkeiten und deren Position in der Wohnung von wesentlicher Bedeutung.
Wenn Katzen an einem senkrechten Gegenstand (also z. B. dem Kratzbaum oder auch der Tapete) kratzen, richten sie sich dazu senkrecht auf und bearbeiten die Oberfläche in kurzen Zügen mit ihren Vorderpfoten. Die Säulen des Baumes sollten also so gestaltet sein, dass die Katze die Möglichkeit hat, sich an einer Säule auch wirklich aufzurichten. Und der Baum sollte natürlich so stabil stehen, dass er beim Bearbeiten nicht umfällt.
Ideal ist hier ein großzügig bemessener Kratzbaum, der gleichzeitig Liege- und Kratzmöglichkeiten bietet, so dass ihr zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen könnt. Dieser sollte an einer für die Katzen attraktiven Stelle stehen und nicht in der dunkelsten Ecke platziert werden, in der Katz‘ weder ihre Menschen noch andere interessante Dinge beobachten kann. Bei der Gestaltung ist weniger grundsätzlich mehr. Nicht alles, was für den Menschen schick aussieht, ist auch katzentauglich. Im Mehrkatzenhaushalt bedarf es manches Mal mehrerer Kratzgelegenheiten, eine Richtlinie ist, mindestens eine Kratzsäule (Säule, nicht Baum) je Katze, die sich im Haushalt befindet.
Manche Katzen ziehen andere Kratzgelegenheiten dem mit Sisal bespannten Baum vor und vergreifen sich auch an der Tapete, wenn ihnen deren Beschaffenheit mehr zusagt als die des Baumes. Hier kann es helfen, zusätzlich noch andere Kratzgelegenheiten anzubieten, z. B. stabile Kratzmöbel aus Pappe. Stilvoll und gleichzeitig robust sind hier zum Beispiel die Produkte von cat-on. Auch Kratzbretter oder Kratzecken an beliebten Stellen können Abhilfe schaffen. Manche Katzen bearbeiten mit Vorliebe Teppiche. Auch kann man versuchen, die Kratzgelegenheiten für die Katze attraktiver zu gestalten, indem man sie zum Beispiel versuchsweise umstellt oder mit Katzenminze oder Baldrian besprüht. Eine kürzlich erschienene Studie ergab zudem, dass Katzen S-förmige Kratzgelegenheiten aus Karton bevorzugen. Auch dieser Vorliebe kann man mit entsprechenden Kratzmöbeln begegnen.
Hilft keine dieser Maßnahmen, ist dies wahrscheinlich nicht die Ursache für das Kratzen an der Tapete.
Die Katze leidet unter Langeweile
Viele Katzen, die der Tapete zu Leibe rücken, leben zum einen als reine Wohnungskatzen und zum anderen auch häufig als Einzelkatze, oft auch noch mit voll berufstätigem Personal. Kein Wunder, dass sich die Katze eine Beschäftigung sucht.
In diesem Fall können eine Zweitkatze zur Beschäftigung oder je nach Wohnsituation, Katze und eigenen Vorlieben gegebenenfalls auch Freigang Abhilfe schaffen. Kratzt die Katze trotz Partner an der Tapete, ist es eine gute Idee für sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeiten während der Abwesenheit zu sorgen. So können Wühlkisten und ähnliches Beschäftigungsspielzeug helfen, Langeweile bei den Katzen in der Wohnung zu vermeiden. Manchmal ist je nach Konstellation auch eine weitere Katze eine Alternative, z. B. wenn nur ein älteres, ruhiges Tier und eine aktive Jungkatze im Haushalt leben. Dann kann eine zweite, aktive Katze, die mit dem Jungspund mithalten kann, die Situation verbessern.
Die Katze leidet unter Stress
Kratzen an der Tapete oder an anderen Stellen tritt häufig auf, wenn die Katze Anspannung und/oder Stress ausgesetzt ist und sich abreagieren möchte. Hier gilt es herauszufinden, wodurch die Katze gestresst wird und wie man die Stressfaktoren beseitigen kann. Feliway, Bachblüten, etc. können gegebenenfalls unterstützend gegeben werden. Letztere sollten aber in jedem Fall vom Fachmann/der Fachfrau auf die Katze/n im Haushalt abgestimmt werden.
Die Katze markiert ihr Revier
Wie bereits erwähnt, hat das Krallenschärfen nicht nur eine pflegende Funktion, sondern dient auch dazu, das eigene Revier zu markieren. Kommt nun eine weitere Katze in den Haushalt, wird ein Jungtier geschlechtsreif oder kommt eine Fremdkatze des Öfteren ungefragt zu Besuch, kann sich die alteingesessene Katze genötigt fühlen, ihr Revier durch Krallenspuren zu markieren, auch wenn sie bisher vielleicht nicht durch Tapetenkunst aufgefallen ist. Auch in diesem Fall kann Feliway-Spray, das auf die Stellen aufgebracht wird, helfen. Oder es können dort Kratzbretter angebracht werden, so dass die Katze zwar ihr Revier markieren kann, aber keinen Schaden mehr anrichtet.
Die Katze möchte Aufmerksamkeit
Kratzt die Katze trotz vorhandener geeigneter Kratzmöglichkeit und Ausschluss der oben genannten Punkte immer noch, ist es sinnvoll, einmal zu beobachten, wann die Tapetenkunst vorrangig auftritt. Kratzen kann auch als Kommunikationsmittel dienen und zum Beispiel genutzt werden, um andere Katzen zum Spiel aufzufordern. Fängt die Katze mit dem Kratzen an, wenn ihr im Raum seid und erscheint es euch vielleicht sogar so, dass sie “provokativ” kratzt, um eure Aufmerksamkeit zu erlangen, wäre es eine Idee hier anzusetzen. Es ist am besten, das Kratzen an der Tapete zu ignorieren und die Katze zu loben, wenn sie an der richtigen Stelle (also am Kratzbaum) ihre Krallen einsetzt. Aufmerksamkeit bleibt Aufmerksamkeit, ganz gleich ob positiv oder negativ. Springt ihr auf, sobald die Katze kratzt und schimpft mit ihr, hat sie eure Aufmerksamkeit und damit ihr Ziel erreicht. Das ist kontraproduktiv.
Zudem kann man in diesem und auch in vielen anderen der genannten Fälle durch Clickertraining oder allgemein positive Verstärkung gute Erfolge erzielen. Hier sei das Buch “Clickertraining für Katzen” von Birgit Laser empfohlen, das umfassend auf diese Thematik eingeht.
Die Katze kratzt nach Ausschluss der oben genannten Gründe immer noch
Kratzt eine Katze bereits seit längerer Zeit an der Tapete, kann es sein, dass sich diese Angewohnheit bereits festgesetzt hat und/oder sie Tapete als Kratzuntergrund einfach zu schätzen gelernt hat. Raufaser und oft auch Tapete mit Glitzerfäden finden viele Katzen besonders einladend. In diesem Fall kann wieder Clickertraining helfen. Kratzt eure Katze die Tapete ab, um dann den Putz abzulecken, kann dies grundsätzlich auch auf gesundheitliche Probleme (z. B. Blutarmut) hinweisen. Das sollte sicherheitshalber abgeklärt werden.
Kratzspuren an der Tapete entstehen zudem nicht immer durch wirkliches Kratzen an der Tapete, sondern können bei aktiven Katzen auch einfach im Eifer des Gefechts passieren. So eignen sich Wände (ob nun mit Tapete oder ohne) hervorragend für Wendemanöver und elegante Kurventechnik ohne abbremsen zu müssen. So manch Katze geht auch schon mal beim Toben die Wände oder den tapezierten Türrahmen hoch, was natürlich bei Tapete besser funktioniert als auf Putz. Hier gilt es also zu differenzieren und sich so manches Mal einfach über eine gute Portion Lebensfreude zu freuen und dass die eigenen Katzen so gesund und agil sind, dass solche Manöver möglich sind und sie so viel Vertrauen in euch haben, dass sie sich auch mal ausgelassen toben trauen. (Und ja, man kann auch mal den Weg über den Türrahmen nehmen, wenn ein tiergerechter Kratzbaum direkt daneben steht und dann vom Türrahmen aus ins Aussichtskörbchen springen)
Möglichkeiten, um die Wände zu schützen
Die Wände könnte man mit Sisalmatten oder Plexiglas im Kratzbereich schützen, was je nach Wohnungseinrichtung ganz nett aussehen kann, aber im Falle von Plexiglas nicht unbedingt günstig ist. Auch die Anbringung von so genannter Elefantenhaut, einem flüssigen, farblosen Tapetenschutz, kann helfen, die Schäden durch die Katze zumindest zu minimieren. Eine andere Möglichkeit ist es, einfach ein paar Rollen Tapete auf Vorrat zu haben und diese immer wieder zu erneuern, mit einem Tapetenbrett zu arbeiten oder nach Möglichkeit einfach ganz auf Tapete zu verzichten. Gibt so schöne Strukturputze und Wandfarben. 🙂
Häufig wird empfohlen, an den Kratzstellen Alufolie, Plastikfolie oder doppelseitiges Klebeband anzubringen, da die Katzen dies an den Pfoten nicht gerade als angenehm empfinden. Hier ist jedoch zu beachten, dass Katzen mit PICA-Syndrom unter Umständen Plastik- und Alufolie auffuttern. Vorsicht!
Fazit: Ihr seht, dass Kratzen an der Tapete ganz unterschiedliche Ursachen haben kann und es gar nicht mal so selten nur mit einem passenden Kratzbaum getan ist, auch wenn der selbstverständlich zur Verfügung stehen sollte.
Kratzen eure Katzen an der Tapete? Wenn ja, habt ihr einen Weg gefunden, es zu unterbinden?