Katzen sind bekannt für ihre scharfen Krallen, mit denen sie nicht nur ihre Beute jagen und mit Spielzeug spielen, sondern auch gerne an Kratzbäumen, Teppichen, Sofas, Tapeten und allem, was ihnen unter die Pfoten kommt, kratzen. Viele Katzenhalter stellen ihren Vierbeinern einen Kratzbaum zur Verfügung, um ihnen die Möglichkeit zur “Krallenpflege” zu geben und gleichzeitig die Wohnungseinrichtung zu schützen. Doch der Erfolg ist oft unterschiedlich. Möchtest du, dass deine Katze deine Möbel und Wände heil lässt, solltest du ihr Kratzmöglichkeiten bieten, die ihren Bedürfnissen entsprechen. Und diese Bedürfnisse hängen eng mit den verschiedenen Funktionen des Kratzens zusammen, die vielen Katzenbesitzern noch nicht bekannt sind.
Reviermarkierung
Katzen markieren auf vielfältige Weise ihr Revier, um ihre Ansprüche kundzutun und Artgenossen zu beeindrucken. Eine gute Kratzstelle als Markierung muss aus der Ferne gut sichtbar und imposant sein. Ein oder zwei kleine Kratzer sind da kaum überzeugend.
Action-Aufforderung
Wenn deine Katze beim Kratzen am Kratzbaum manchmal über die Schulter schaut, meint sie damit vermutlich dich oder einen Katzenkumpel und signalisiert: “Ich bin wild und toll! Siehst du, wie wild und toll ich bin? Ich weiß gar nicht, wohin mit meiner Energie. Lass uns spielen!” Oft genug rennt die Katze dann durch die Wohnung und bietet sich für Verfolgungsjagden oder andere Spielvarianten an.
Krallenpflege / Körperpflege
Die Pflege der Krallen ist eher ein Nebeneffekt des Kratzens. Im normalen Freigängerleben einer Katze schleifen sich die Krallen durch das Laufen auf Bäumen und das Graben in Erde und Laub von selbst ab. Die alten Krallenhüllen fallen ab und finden sich oft in der Nähe der Kratzgelegenheiten von Wohnungskatzen. Beim Kratzen strecken die Katzen auch gerne ihre Muskeln durch Dehnübungen und machen ihre Körper geschmeidig, vor allem nach dem Schlafen.
Wenn ich kratze, dann…
…springt Frauchen bzw. Herrchen auf. Eine Funktion des Kratzens ist die Aufmerksamkeit, die die Katze bekommt, wenn sie Quatsch macht, zum Beispiel am schönen Sofa kratzt. Ist deine Katze gerade gelangweilt, findet sie es vielleicht angenehmer, von dir kurz angehalten zu werden, als keine Aufmerksamkeit zu bekommen. Manche abenteuerlustige Katze hält dein Aufspringen sogar für den Beginn eines Verfolgungsspiels und galoppiert begeistert davon.
Spannungsabbau
Intensives Kratzen an Gegenständen ermöglicht deiner Katze, sich auszupowern und abzureagieren. Es ist ein tolles Ventil für aufgestaute Energie, aber auch für Frustration und schlechte Laune. Nach einer ordentlichen Kratzrunde sieht die Katzenwelt gleich wieder ein wenig freundlicher aus. In manchen Fällen kann exzessives Kratzen jedoch ein Ausdruck von großem Unglück sein. Einige Katzen kommen mit dem Leben im Haus nicht zurecht und entwickeln starke Unruhephasen, die von Verhaltenstherapeuten im Bereich der Angststörungen verortet werden. Neben intensivem Miauen und ständigem Umherlaufen zerkleinern einige dieser Katzen regelrecht Möbel und Tapeten. In solchen Fällen ist das Kratzen ein Ventil, aber auch ein Symptom von echtem Leid.
Überzeugende Kratzgelegenheiten
Indem du deiner Katze verschiedene Kratzgelegenheiten anbietest, schützt du deine Einrichtungsgegenstände und gibst ihr gleichzeitig die Möglichkeit, ihr typisch kätzisches Verhalten auszuleben. Mit dem Wissen darüber, warum Katzen in verschiedenen Situationen kratzen, kannst du Kratzangebote auswählen, die deiner Katze entsprechen. Hier sind einige Tipps:
- Für Katzen, die “in Richtung Nachbarkatzen” markieren: Biete Kratzgelegenheiten in der Nähe von Fenstern und Türen an, damit sie draußen möglicherweise die Markierungen sehen können. An den Fenstern und in den Zimmerecken eignen sich Kratzbretter gut.
- Für Katzen, die sich nicht gut mit ihren Mitkatzen verstehen: In Bereichen von Ein- und Durchgängen, z.B. im Flur oder in der Nähe von Türrahmen, ist das Kratzen oft wichtig. Auch Bereiche neben wichtigen Ruheplätzen sind gute Kratzstellen.
- In der Nähe von oft genutzten Schlafplätzen kann deine Katze die Kratzmöglichkeiten zum Dehnen nutzen, anstatt sich in Tapeten oder Sofastoffe zu hängen.
- Finde heraus, welche Materialien deine Katze bevorzugt. Sisal ist beliebt, aber manche Katzen mögen es, richtige Fetzen zu zerreißen. Produkte aus Pappe oder Wellpappe eignen sich dafür gut. Auch Korkplatten können eine Option sein.
- Wenn deine Katze lieber an horizontalen Flächen wie Teppichen kratzt, biete ihr entsprechende Kratzmöbel an, zum Beispiel aus Pappe oder eine Kratzfußmatte.
- Belohne das Kratzen an den bereitgestellten Kratzbäumen und -brettern mit Aufmerksamkeit und Action. Dadurch machst du diese Kratzstellen besonders attraktiv. Deine Katze kann hier kratzen, wenn sie eine Reaktion von dir möchte.
- Schenke deiner Katze im Alltag Aufmerksamkeit, wenn sie sich gut verhält. Versuche, ihre Bedürfnisse nach Futter, Spiel, Kuscheln und Freigang zu verstehen und zu erfüllen, bevor sie an den Möbeln kratzt.
- Grundsätzlich gilt: Dort, wo deine Katze viel kratzt, ist ein guter Ort für ein neues “legales” Kratzangebot.
Fazit
Es lohnt sich oft, verschiedene Materialien und Platzierungen von Kratzgelegenheiten auszuprobieren. Es ist jedoch nicht immer einfach, den individuellen Geschmack deiner Katze zu treffen. Wenn deine Katze bereits viele Möbel kratzt, benötigt ihr möglicherweise etwas Zeit, um neue Gewohnheiten zu entwickeln. Du hast jedoch die Möglichkeit, kreativ zu sein und konstruktive Lösungen zu finden. Nutze deine Gestaltungsmacht, um das Kratzverhalten deiner Katze in die richtigen Bahnen zu lenken.
Autor: Christine Hauschild
Eine Verfasserin mehrerer Katzenratgeber, die seit über 10 Jahren die Katzenschule Happy Miez in Hamburg betreibt und Halter in allen Fragen rund um das Verhalten ihrer Katzen berät. Neben ihrer Tätigkeit als Katzenverhaltensberaterin bietet sie auch Seminare und Fortbildungen an.