Leipzig: Warum junge Menschen Bestatter werden

Leipzig: Warum junge Menschen Bestatter werden

Leipzig. An seinem Arbeitsplatz stehen Urnen in allen Formen und Farben, in der Berufsschule lernt er Sargkunde. Lennard Wehner ist 17 Jahre alt und beschäftigt sich jeden Tag mit dem Tod. Er macht in Leipzig eine Ausbildung zur Bestattungsfachkraft – wie Hunderte junge Menschen in Deutschland. “Anders als in anderen Branchen gibt es für Bestattungsunternehmer keine Probleme, Auszubildende zu finden”, heißt es vom Bundesverband Deutscher Bestatter. Was macht den Beruf für Nachwuchskräfte attraktiv?

Deutschlandweit zählte der Verband im Oktober 659 Auszubildende zum Bestatter, darunter 263 im ersten Lehrjahr. Es könnten noch mehr sein, sagt eine Sprecherin des Verbands. “Es gibt deutlich mehr Bewerber als Ausbildungsplätze. Das Interesse junger Menschen für diesen Beruf ist aufgrund der vielfältigen Anforderungen sehr hoch.”

“Viele suchen das Außergewöhnliche im Job”

Der Verband sieht einen Grund für die Beliebtheit in den abwechslungsreichen Aufgaben. Gefragt seien soziale und kommunikative Fähigkeiten ebenso wie handwerkliches und dekoratives Geschick, interkulturelles Verständnis, Organisationstalent und kaufmännische Kenntnisse.

Auch Wehner hat nach wenigen Wochen Schule den Eindruck, dass der Beruf immer populärer werde. “Ich glaube, viele suchen das Außergewöhnliche im Job, was nicht alle machen.” Er selbst sei über ein einwöchiges Praktikum im Unternehmen gelandet.

Anstatt jeden Tag im Büro zu sitzen oder die Schulbank zu drücken, ist der Azubi bei verschiedenen Situationen dabei – bei der Abholung von Verstorbenen ebenso wie bei der Organisation von Beerdigungen und Trauergesprächen. “Bei den ersten drei, vier Beerdigungen musste ich mit meinen Gefühlen kämpfen, weil ich bis dahin keine Erfahrung mit Trauer hatte”, erinnert er sich. Danach habe er gut damit umgehen können und gemerkt, dass ihm der Beruf Spaß mache.

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Paula Meißner (l) und Lennard Wehner unterhalten sich mit Hedwig Portner, Geschäftsführerin von Ananke Bestattungen, in einem Beratungsraum über Feuerbestattungen. © Hendrik Schmidt/dpa

Den Umgang mit Toten finde er überhaupt nicht erschreckend, im Gegenteil, sagt der 17-Jährige. “Aus meiner Sicht wird zu wenig über das Thema Tod gesprochen.” Gerade in den Städten werde der Tod aus dem Leben verbannt, der einzige Bezugspunkt seien Friedhöfe. “Wenn das Thema aber eintritt und jemand aus der Familie stirbt, ist man komplett damit überfordert und weiß nicht, wie man damit umgehen soll.”

Schwierige Situationen gehören allerdings auch für die Bestatter-Azubis zum Job dazu. Etwa wenn ein 40-jähriger Vater bei einem Verkehrsunfall stirbt oder eine 15-Jährige an einer Überdosis Drogen stirbt. Fälle, die das Leipziger Unternehmen schon betreut hat.

Viel Raum für Gefühle schaffen

Paula Meißner, die bei dem Unternehmen Ananke eine Ausbildung zur Kauffrau für Büromanagement macht, erinnert sich an die Abholung eines Babys in ihrem ersten Lehrjahr. “Es kommt vor allem darauf an, dass man den Angehörigen zeigt, dass man für sie da ist, sie nicht alleine sind.”

Dazu gehöre auch, den Abschied ernstzunehmen, sagt Geschäftsführerin Hedwig Portner, die selbst ausgebildete Trauertherapeutin ist. “Ich sage immer: Hinein in die Trauer, raus aus der Trauer.” Wichtig sei, den Hinterbliebenen möglichst viel Raum für ihre Gefühle zu geben. “Sie dürfen zum Beispiel Särge ihrer Angehörigen anmalen, sie im Kühlraum besuchen oder Eltern dürfen auch ihre verstorbenen Kinder nach Hause nehmen vor der Beerdigung, um besser Abschied nehmen zu können.”

Als angehende Bestattungsfachkraft ist Lennard Wehner im ersten Lehrjahr. © Hendrik Schmidt/dpa

Die Dankbarkeit, die viele Angehörige den Bestattern entgegenbrächten, sei das Schönste am Beruf, sagt Portner. “Wir bekommen gerade von Eltern Dankesschreiben oder Karten, wenn sie noch einmal ein Kind bekommen haben.” Dadurch fühle sich der Beruf sinnvoll an. “Es bewerben sich auch gerade immer mehr Frauen, die Sinnhaftigkeit im Berufsleben suchen.”

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Das Unternehmen könne jedes Jahr zehn Frauen einstellen, sagt Portner. “Männer sind dagegen zurückhaltender.” Deutschlandweit ist das Verhältnis laut Verbandsangaben zwar ausgeglichener – dennoch sind deutlich mehr als 50 Prozent der Auszubildenden zur Bestattungsfachkraft weiblich.

Azubi Lennard Wehner sagt, dass in seiner Klasse gleich viele Männer und Frauen seien. Welche Aufgaben er und Meißner nach dem Ende ihrer Ausbildung einmal genau übernehmen werden, wird sich noch zeigen. “Es gibt Auszubildende, die gerne in der Geschäftsstelle arbeiten wollen, andere übernehmen lieber den Außendienst”, sagt die Geschäftsführerin Portner. Egal wo sie später landen – Urnen, Tod und Trauer werden weiter eine Rolle spielen. (dpa)