Am kommenden Wochenende werden die letzten drei Atomkraftwerke in Deutschland abgeschaltet. Doch welche Auswirkungen hat das auf die Stromversorgung und die Strompreise? In diesem Artikel finden Sie Antworten auf die wichtigsten Fragen.
Wie viel Strom produzierten die Atomkraftwerke zuletzt?
Die drei verbleibenden Kernkraftwerke – Isar 2 in Bayern, Emsland in Niedersachsen und Neckarwestheim 2 in Baden-Württemberg – erzeugten bis zum Schluss eine beträchtliche Menge Strom. Beispielsweise wird das RWE-Kraftwerk Emsland in Lingen allein in diesem Jahr rund zwei Milliarden Kilowattstunden Strom produziert haben, was dem Jahresstrombedarf von rund 500.000 Haushalten entspricht. Auch die Anlagen Neckarwestheim 2 und Isar 2 haben in den letzten Wochen vor der Abschaltung große Mengen an Strom erzeugt.
Im Gesamtenergiemix in Deutschland spielte Atomstrom zuletzt allerdings eine vergleichsweise geringe Rolle. Nur noch 6,5 Prozent des erzeugten Stroms kam 2022 aus den letzten AKW.
Ist die Versorgungssicherheit gefährdet?
Laut Bundesnetzagentur und dem Bundeswirtschaftsministerium besteht keine Gefahr für die Versorgungssicherheit. Es steht ausreichend gesicherte Kraftwerksleistung aus anderen Quellen zur Verfügung, um die Stromnachfrage auch nach Abschaltung der Atomkraftwerke zu decken. Private Netzbetreiber, wie zum Beispiel Amprion, bestätigen zudem, dass genügend Reservekapazitäten für die Stromerzeugung vorhanden sind. Experten betonen zwar, dass sich die Situation durch die Abschaltung der Kraftwerke verschlechtert, aber sie sind zuversichtlich, dass die Stromversorgung weiterhin gewährleistet ist.
Was hat der Weiterbetrieb bis Mitte April gebracht?
Der Weiterbetrieb der Atomkraftwerke bis Mitte April hatte einen eher begrenzten Beitrag. Atomenergie hatte im Januar und Februar 2022 einen Anteil von vier Prozent an der Stromerzeugung in Deutschland, was ein Drittel weniger als im Gesamtjahr war. Der Weiterbetrieb der deutschen Atomkraftwerke hat zwar zur Versorgungssicherheit beigetragen und den Einsatz teurer Erdgaskraftwerke reduziert, aber die Effekte waren insgesamt überschaubar.
Wie sinnvoll wäre ein Betrieb bis Ende 2023 gewesen?
Eine Verlängerung der Laufzeit bis Ende 2023 hätte laut Experten nur einen geringfügigen Preiseffekt gehabt. Der Stromgroßhandelspreis hätte im Jahresmittel um drei Euro je Megawattstunde niedriger gelegen, was für Haushaltskunden einem um 0,3 Cent je Kilowattstunde geringeren Preis entsprochen hätte – ein Rückgang von weniger als einem Prozent.
Wie wirkt sich der Ausstieg auf die Strompreise aus?
Die Marktakteure haben sich bereits auf die neue Situation eingestellt und es sind keine Preisanstiege an den Märkten erkennbar. Kurzfristig haben die Abschaltung der Atomkraftwerke und der Wegfall der günstigen Stromkapazitäten kaum Auswirkungen auf die Strompreise für Haushaltskunden. Mittel- bis langfristig könnten sich jedoch Auswirkungen ergeben, vor allem wenn der Ausbau erneuerbarer Energien nicht schnell genug voranschreitet und die fehlenden Kapazitäten nicht ausreichend ausgeglichen werden können.
Wirtschaftsverbände äußern jedoch größere Bedenken hinsichtlich des Kernkraft-Ausstiegs, da Atomstrom bisher relativ günstig und zuverlässig war. Deutschland hat derzeit weltweit die höchsten Energiepreise und einige Branchen kämpfen bereits mit den steigenden Kosten.
Wohin entwickeln sich die Strompreise?
Für Haushaltskunden, die einen neuen Stromtarif abschließen wollen, sind die Preise deutlich gesunken. Es gibt bereits Stromtarife ab circa 32 Cent pro Kilowattstunde plus Grundpreis. In den kommenden Monaten wird eine weitere Entspannung erwartet, da noch mehr Anbieter mit Preisen leicht über der 30-Cent-Marke werben werden. Bestandskunden hingegen zahlen nach wie vor hohe Preise, bei einem Durchschnitt von 44,4 Cent pro Kilowattstunde.
Experten geben jedoch noch keine Entwarnung für die zukünftige Strompreisentwicklung. Auch in den nächsten Jahren rechnen sie mit Strompreisen von über 10 Cent pro Kilowattstunde – deutlich höher als vor dem Krieg.
Was raten Verbraucherschützer?
Laut der Verbraucherzentrale NRW zahlen viele Haushalte derzeit noch sehr hohe Preise für Strom. Verbraucherschützer empfehlen daher, bei Möglichkeit den Vertrag zeitnah zu kündigen und zu einem günstigeren Anbieter zu wechseln. Tarife von Stadtwerken könnten eine Option sein, insbesondere für Kunden, die in der Energiekrise schlechte Erfahrungen mit Discountern gemacht haben.
Wer übernimmt die Produktion der drei Anlagen?
Kurzfristig wird das Marktgeschehen auf den Spotmärkten entscheiden, welche Kraftwerke tatsächlich den Strom produzieren. Dabei werden die preiswertesten verfügbaren Erzeugungstechnologien bevorzugt eingesetzt. Langfristig haben die Händler und Versorger jedoch bereits ausreichend Strom für die kommenden Monate und Jahre beschafft.
Sind also keine Probleme zu erwarten?
Experten sind zuversichtlich, dass zumindest in den nächsten Monaten die Versorgungssicherheit nicht gefährdet ist. Kohlekraftwerke wurden wieder in den Markt integriert und es stehen zusätzliche Kapazitäten zur Verfügung. Aufgrund des gesunkenen Gaspreises können vermehrt Gaskraftwerke zur Stromerzeugung genutzt werden.
Wie wird die Atomenergie ersetzt?
Die Bundesregierung strebt neben dem Atomausstieg bis 2030 auch einen Ausstieg aus der Kohleverstromung an. Neben dem Ausbau erneuerbarer Energien müssen schnellstmöglich wasserstofffähige Gaskraftwerke und weitere flexible Kapazitäten wie Stromspeicher aufgebaut werden. Experten betonen allerdings, dass zusätzliche Erdgaskraftwerke längst gebaut hätten werden müssen, da die Nachbarländer die wegfallenden Kapazitäten nur begrenzt ausgleichen können.
Die tagesthemen berichten heute um 22.15 Uhr live vom Gelände des Atomkraftwerks Isar 2.
Hinweis: Dieser Artikel dient lediglich zur Information und stellt keine Anlage- oder Rechtsberatung dar.