Die Welt und die Mobilität der Menschen entwickeln sich kontinuierlich weiter. Die Verkehrswende ist schon seit langer Zeit ein Thema. Um für die Zukunft gerüstet zu sein, ist es wichtig, die Entwicklung des Zug- und Schienenverkehrs nachzuvollziehen. Wie hat sich der Traumberuf des Lokführers in den letzten 40 Jahren verändert? Darüber haben wir mit Jochen Paul, einem echten Urgestein bei start und über 35 Jahren Erfahrung auf der Schiene, sowie Philipp Sigler, einem jungen Triebfahrzeugführer und Ausschreibungskoordinator bei start, gesprochen.
Weniger Warten, Mehr Fahren
Früher waren Lokführer selten alleine im Führerstand. Jochen Paul, der seine Ausbildung zum Triebfahrzeugführer und Facharbeiter für Eisenbahntransporttechnik bei der Reichsbahn in der ehemaligen DDR absolvierte, erinnert sich: “Ich stand noch als zweiter Mann im Führerstand. Und natürlich gab es früher auch die Heizer, die dem Lokführer Gesellschaft leisteten.” Damals hatten mehrere Triebfahrzeugführer eine feste Lok, um die sie sich kümmerten. “Wir haben viel Zeit damit verbracht, die Lok zu warten und zu prüfen”, erzählt Jochen Paul.
Heutzutage ist das ganz anders, wie Philipp Sigler bestätigt. Er lenkt nicht nur S-Bahnen in Stuttgart, sondern arbeitet auch als Ausschreibungskoordinator. “Wenn wir eine 10-Stunden-Schicht im Schienenpersonennahverkehr, zum Beispiel im Regionalzug, fahren, verbringen wir durchschnittlich 8 Stunden auf der Strecke”, erzählt er.
(c) Philipp Sigler
Das ist deutlich länger als vor einigen Jahrzehnten. “Der Aufwand für Fahrzeugchecks hat sich stark verringert”, erklärt Jochen Paul. Heute prüft sich das Fahrzeug fast komplett selbst und automatisch. “Das bedeutet jedoch nicht weniger Arbeit für die Triebfahrzeugführer – im Gegenteil, wir müssen länger konzentriert sein”, fügt er hinzu. Bei start ist Jochen Paul mittlerweile für die Planung von Fahrzeugumläufen, Dienstschichten und Dienstplänen für Triebfahrzeugführer und Fahrgastbetreuer verantwortlich.
“Einmal Bahner, immer Bahner”
Trotz der 30 Jahre, die zwischen ihren ersten Erfahrungen auf der Schiene liegen, verbindet Jochen Paul und Philipp Sigler die Leidenschaft für die Bahn. “Einmal ein Bahner, immer ein Bahner”, sagt Jochen Paul. Auch Philipp Sigler wusste schon früh, dass er einmal Lokführer sein wollte.
Was die Arbeit so anspruchsvoll macht, fasst Jochen Paul zusammen: “Die Grundlagen des Bahnfahrens sind eigentlich unkompliziert. Ein Zug kann sich nur vorwärts oder rückwärts auf seinen Gleisen bewegen. Trotzdem brauchen wir höchste Konzentration, denn im Regionalverkehr hat der Lokführer bei Geschwindigkeiten von bis zu 160 Kilometern pro Stunde die volle Verantwortung und muss sicher auf die unterschiedlichen Streckensignale reagieren.” Philipp Sigler fügt hinzu: “Der Betrieb ist die komplexeste Komponente des Bahnfahrens. Dazu gehört es, die unterschiedlichen Signale richtig zu erkennen und angemessen zu reagieren.” Diese Signale und Reaktionen haben sich über die Jahrzehnte nicht grundlegend verändert.
Die Faszination für die Bahn bleibt
Jochen und Philipp sind begeisterte Bahner und waren schon früh von den Abläufen und der Technik fasziniert. Doch heute ist es selten, im Führerstand mitzufahren. “Die Bahn ist ein ziemlich geschlossenes System. Als Kind kommt man kaum noch an und in die Loks und Züge”, erzählt Jochen Paul. “Trotzdem bleibt es für viele Kinder ein Traum, das Steuer auf der Schiene in der Hand zu haben.”
(c) Philipp Sigler
Und der Beruf des Triebfahrzeugführers hat eine Zukunft – da sind sich Jochen und Philipp einig. “Vollautomatische Regionalzüge werden so schnell nicht fahren. Zwar gibt es weltweit einige wenige selbstfahrende U-Bahnstrecken, aber das sind abgekapselte Systeme ohne große Umwelteinflüsse. Auf U-Bahngleise kann kein Baum fallen”, sagt Philipp Sigler. Jochen Paul ergänzt: “Bei Geschwindigkeiten von über 100 km/h würden sich Zugreisende kaum einer reinen Computersteuerung anvertrauen. Unsere Zunft wird also noch lange bestehen – und das ist auch gut so.”