Silvester ist für viele Hundehalter eine schwierige Zeit. Die lauten Geräusche von Feuerwerk und Böllern sind für die meisten Hunde Stress pur. Doch wie kann man ihnen in diesen Stunden helfen? Ein Tipp, der immer wieder auftaucht, ist die Verabreichung von Alkohol, genauer gesagt Eierlikör. Dieser Tipp stammt von Deutschlands bekanntestem Hunde-Profi Martin Rütter, der sich dabei auf einen Tierarzt bezieht. Doch diese Empfehlung wird jedes Jahr aufs Neue kritisiert.
Hunde und Alkohol: Die richtige Dosierung ist entscheidend
Martin Rütter beruft sich auf den Tierarzt Ralph Rückert aus Ulm, der in einem längeren Text über die Auswirkungen von Alkohol auf Hunde informiert und verschiedene Tipps zur Angstbewältigung gibt. Bereits 2018 schrieb Dr. Rückert: “Alkohol, speziell in Form von Eierlikör, wird von Hunden sehr gerne aufgenommen. In der korrekten Dosierung besitzt er eine angstlösende Wirkung. Mein Terrier Nogger (knapp 10 kg) bekommt an Silvester um 20 und um 23 Uhr jeweils einen Esslöffel Eierlikör. Es hat ihm bisher immer gut geschmeckt und meiner Meinung nach auch stark geholfen.”
Dr. Rückert wurde schon vor Jahren hart für diesen Tipp kritisiert. Viele Menschen bezeichnen Alkohol als Gift für Tiere, und das stimmt auch, wenn man es übertreibt. Aus diesem Grund erklärt der Tierarzt, wie die korrekte Menge berechnet werden kann. Die Berechnungsformel lautet folgendermaßen:
Gewicht des Hundes bis 25 Kilogramm: Körpergewicht in Kilogramm x 0,4 x 100 / Prozent des Alkohols = Gesamtmenge des zu verabreichenden alkoholischen Getränks in Milliliter.
Gewicht des Hundes von 26 kg bis 50 Kilogramm: Körpergewicht in Kilogramm x 0,3 x 100 / Prozent des Alkohols = Gesamtmenge des zu verabreichenden alkoholischen Getränks in Milliliter.
Gewicht des Hundes ab 50 Kilogramm: Körpergewicht in Kilogramm x 0,2 x 100 / Prozent des Alkohols = Gesamtmenge des zu verabreichenden alkoholischen Getränks in Milliliter.
Die Gesamtmenge sollte auf mehrere Portionen aufgeteilt und im Abstand von zwei Stunden gegeben werden. Zum Beispiel erhält ein Hund mit 15 Kilogramm Körpergewicht und Eierlikör mit einem Alkoholgehalt von 20 Volumenprozent insgesamt 30 Milliliter, die Hälfte um 21:30 Uhr und den Rest um 23:30 Uhr, kurz vor Mitternacht. Die Berechnung ergibt sich aus 15 Kilogramm x 0,4 x 100 geteilt durch 20.
Kritik an Martin Rütters Tipp
Die Gesellschaft für Tierverhaltensmedizin und -therapie (GTVMT) lehnt die Verabreichung von Alkohol an Hunde an Silvester oder in anderen angstauslösenden Situationen ausdrücklich ab. Sie argumentiert: “Es gibt keinen pharmakologisch-medizinisch vertretbaren Grund, dem Hund Alkohol zu geben.” Die Kritiker führen unter anderem an, dass die berechnete Menge an Alkohol nahe an der “Grenze zur Fahrtüchtigkeit” liege. Dies zeige, wie stark der Alkohol die Tiere beeinflussen könne. Auch eine Suchtgefahr werde erwähnt.
Dr. Rückert geht in einem weiteren Text auf die teils scharfe Kritik an diesem Tipp ein. Er schreibt: “Wie anfangs erwähnt, finde ich es eigentlich nicht gut, meinen Silvester-Artikel auf das Eierlikör-Thema zu reduzieren. Ich beschreibe ausführlich das medizinisch perfekte Vorgehen. Niemand sollte überredet oder gezwungen werden, seinem Hund Likör zu geben. Wer das aus welchen Gründen auch immer nicht möchte, sollte es einfach lassen. Dieser Artikel richtet sich ausschließlich an all die Hundebesitzerinnen und Hundebesitzer, die festgestellt haben, dass eine sauber dosierte und geringe Menge Alkohol ihrem Tier dabei hilft, diesen schrecklichen Abend halbwegs gut zu überstehen.”
Als Alternative bietet sich, falls die Zeit ausreicht, Hanföl mit Cannabidiol (CBD) an. Auch dies hat eine beruhigende Wirkung, sollte jedoch nicht ohne Rücksprache mit dem Tierarzt dosiert werden, insbesondere wenn man die Präparate zuvor noch nicht getestet hat.
Weitere Tipps für eine entspanntere Silvesternacht
Der Tipp mit dem Alkohol ist nur einer von vielen Ratschlägen des Hunde-Profis. Eine wirksame Therapie gegen die Silvesterangst erfordert in der Regel ein längeres Training. Um die Hunde von den lauten Geräuschen abzulenken, kann man ihnen beispielsweise einen leckeren Snack geben, mit dem sie sich beschäftigen können, wie gefüllte Spielzeuge oder feste Kauknochen. Diese sorgen dafür, dass Glücks- und Beruhigungshormone freigesetzt werden und lenken den Hund ab.
Des Weiteren kann man versuchen, die Lichtblitze durch Zuziehen der Vorhänge zu mindern und durch leichte klassische Musik, wie Mozart, das Knallen zu übertönen – jedoch nicht zu laut. Ein Rückzugsort, wie eine kleine Höhle aus Decken, sollte dem Hund ebenfalls angeboten werden. Wenn der Hund stattdessen auf das Sofa möchte und den Kontakt zum Menschen sucht, sollte man dies erlauben, da das Tier damit signalisiert, Schutz bei der Vertrauensperson zu suchen. Streicheln ist ausdrücklich erlaubt!
Bei Medikamenten wie “Sedalin”, “Vetranquil”, “Calmivet” oder “Prequillan” sollte man hingegen vorsichtig sein. Diese sedieren den Hund körperlich, verhindern aber nicht, dass das Tier alles genau mitbekommt. Eine medizinische Behandlung ist nur in Ausnahmefällen ratsam, wenn Hunde unter panischer und nicht kontrollierbarer Angst leiden und sich selbst Schaden zufügen könnten. Alternativmedizin wie Globuli oder Bachblüten zeigen keinen Effekt, so Rütter.
Einer der besten Wege, um der Silvesterangst zu entgehen, ist ein Ortswechsel an Orte, an denen entweder aufgrund von Menschenmangel kein Feuerwerk stattfindet oder wo es verboten ist, beispielsweise auf Flughäfen. Wenn spontan nichts frei ist, empfiehlt der Hunde-Profi eine längere Autofahrt auf dem Land, am besten begleitet von gedämpfter klassischer Musik.
Quelle: Original Article