Die großen Medienhäuser wie NZZ, Ringier und Tamedia haben endlich erkannt, dass sie etwas versäumt haben. Sie wollen nun, ähnlich wie Musik- und Filmplattformen, Digital-Abos anbieten, die von mehreren Nutzern im selben Haushalt genutzt werden können. Bisher verstößt das Weitergeben des Logins gegen die Geschäftsbedingungen, aber einige Verlage zeigen sich kulant und erlauben die Mehrfachnutzung.
Die soziale Komponente fehlt
Die digitale Zeitung hat gegenüber der gedruckten Ausgabe viele Vorteile. Doch in einem Punkt bleibt sie hinter den Erwartungen zurück: Sie ist nicht besonders sozial. Während ein gedrucktes Zeitungsabo oft von mehreren Personen im Haushalt genutzt wird, erlaubt die digitale Distribution nur einen Nutzer pro Abo. Es sei denn, man teilt sich ein Lesegerät. Dies entspricht jedoch nicht der allgemeinen Nutzung von Smartphones und Tablets.
Die großen Schweizer Medienunternehmen bieten ihre digitalen Abos nur für Einzelpersonen oder Unternehmen an, nicht für Familien oder Haushalte.
Diese Tatsache steht im starken Kontrast zu Musik- und Filmanbietern wie Apple, Youtube, Netflix oder Spotify. Sie bieten sogenannte Familien-Abos an, bei denen mehrere Personen gleichzeitig auf verschiedenen Geräten Musik oder Filme genießen können. So können beispielsweise bei Spotify für 20 Franken pro Monat sechs Personen gleichzeitig Musik hören (anstatt 13 Franken für eine einzelne Person), vorausgesetzt sie haben denselben Wohnsitz. Netflix erlaubt mit seinem Premium-Abo das gleichzeitige Schauen von Filmen auf vier Geräten.
Keine vergleichbaren Angebote von Zeitungsverlagen
Leider sucht man bei Zeitungsverlagen vergeblich nach vergleichbaren Angeboten. Die großen Schweizer Medienunternehmen – Tamedia, Ringier, NZZ und CH Media – bieten ihre digitalen Abos nur für Einzelpersonen an. Auf Nachfrage geben zwar alle an, das Thema zu verfolgen und entsprechende Angebote anzustreben. Konkrete Pläne gibt es jedoch noch nicht.
Die NZZ plant, “in absehbarer Zeit” ein Angebot für Mehrfachnutzung für Privatkunden einzuführen.
Am konkretesten sind hier die Pläne der NZZ. Sie hat erkannt, dass es eine Nachfrage nach Gruppen- oder Haushaltsabonnements gibt und arbeitet bereits an einem passenden Angebot. Die erforderliche Technologie ist bereits vorhanden. Zunächst werden jedoch Firmenkunden berücksichtigt, bevor das Angebot für Privatkunden erweitert wird. Derzeit ist es nicht erlaubt, die Login-Daten mit anderen zu teilen. Dies bestätigt Sprecherin Seta Thakur. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der NZZ-Apps steht, dass die Zugangsdaten nicht an Dritte weitergegeben werden dürfen.
Auch Ringier, Tamedia und CH Media verbieten es, die Zugangsdaten mit anderen außerhalb des Haushalts zu teilen. Dennoch sind sie kulanter als die NZZ: Alle drei Verlagshäuser erlauben es ihren Kunden, die Zugangsdaten innerhalb des Haushalts weiterzugeben. So können ihre Magazine gleichzeitig auf bis zu fünf Geräten gelesen werden. Obwohl dieser Zusatznutzen existiert, werben die Verlage nicht aktiv dafür. Verständlicherweise hoffen sie, in Zukunft auch Abos für Familien oder Haushalte verkaufen zu können, die mehr profitieren als ein mehrfach genutztes Einzel-Abo.
Internationale Verlage ziehen nicht nach
Auch internationale Titel wie die New York Times oder die Washington Post bieten keine digitalen Abos an, die gleichzeitig auf mehreren Geräten genutzt werden können, außer für Unternehmen. Vor sechs Jahren erwähnte Mark Thompson, CEO der New York Times, dass Familien-Abos geplant seien. Doch bisher ist nichts daraus geworden. Es gibt jedoch Verlage, die trotz gegenteiliger AGB die Mehrfachnutzung explizit erlauben. So erlaubt beispielsweise die Osnabrücker Zeitung ihren Nutzern den gleichzeitigen Zugang zu ihren digitalen Angeboten auf drei Geräten. In Kanada erlaubt es die führende Zeitung The Globe and Mail ihren Abonnenten ausdrücklich, einen Account gleichzeitig auf vier Geräten zu nutzen.
Es bleibt zu hoffen, dass die großen Schweizer Verlage bald nachziehen und digitale Abos anbieten, die für die Mehrfachnutzung im Haushalt geeignet sind. Die Kunden würden es sicherlich zu schätzen wissen, wenn sie ihr Abonnement mit anderen teilen könnten.