Mit der Katze spazieren gehen – ein großer Trend oder Tierquälerei?

Mit der Katze spazieren gehen – ein großer Trend oder Tierquälerei?

Katzenliebhaber werden in den sozialen Medien mit allerlei “Feel-Good”-Inhalten über ihre geliebten Vierbeiner verwöhnt. Man findet Videos von Katzen, die bei beruflichen Videokonferenzen im Rampenlicht stehen, von Katzen, die allerlei Unsinn anstellen und sich nicht um die Konsequenzen scheren, oder einfach nur von süßen Katzen.

In letzter Zeit sieht man jedoch auch immer häufiger Katzen, die mit ihren Besitzern in einem Rucksack verstaut auf Wanderungen gehen oder an einer Leine durch unbekanntes Terrain spazieren. Laut Katja Henopp, einer auf Katzen spezialisierten Tiertherapeutin aus Wallerfangen, ist der “Leinengang mit der Katze definitiv ein riesiger Trend, der auch im Saarland angekommen ist”. Hier und da sieht man tatsächlich Katzen aus Rucksäcken hervorlugen.

Ist es sinnvoll, mit der Katze spazieren zu gehen?

Die artgerechte Haltung von Katzen ist ein umstrittenes Thema. Während die einen die reine Wohnungshaltung kritisieren, da sie den Bedürfnissen einer Katze nicht gerecht wird, fordern andere sie sogar ein. In der Stadt Walldorf in Baden-Württemberg zum Beispiel haben Katzen aufgrund des Schutzes der gefährdeten Vogelart Haubenlerche derzeit Hausarrest. Kann kontrollierter Freigang mit Geschirr und Leine also die Lösung sein?

Beatrice Speicher-Spengler vom Landesverband des Deutschen Tierschutzbundes hat dazu eine klare Meinung: “Ich halte das für wenig sinnvoll, wenn nicht sogar gefährlich. Eine Katze ist kein Hund.” Laut Speicher-Spengler birgt die Verwendung eines Geschirrs Gefahren. Ist es zu eng, kann es in die Haut schneiden, ist es zu locker, kann sich die Katze leicht losreißen und weglaufen oder auf einen Baum klettern.

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“Eine Katze ist kein Hund”

Katzen haben außerdem ein ganz anderes Bewegungsmuster als Hunde. Sie sind sogenannte Hürdenläufer. Das bedeutet, sie laufen lieber von Versteck zu Versteck und beobachten in aller Ruhe ihre Umgebung. Wenn sie etwas Interessantes entdecken, können sie plötzlich losrennen. “Sie führen also nicht das Tier, sondern das Tier führt Sie”, sagt Speicher-Spengler.

Katzen sind außerdem Fluchttiere. Wenn sie sich erschrecken, laufen sie weg. An Orten mit viel Trubel können Katzen leicht erschrecken. “Wenn eine Katze in Panik gerät, wollen Sie sie nicht an der Leine haben. Es besteht das Risiko, dass sie sich verletzt oder im schlimmsten Fall stranguliert”, warnt Speicher-Spengler.

Wenn man seiner Katze wirklich einen Gefallen tun möchte, rät Speicher-Spengler dazu, den Garten oder Balkon ausreichend zu sichern und sie in einem geschützten Raum an der frischen Luft schnuppern zu lassen. “So kann die Katze selbst entscheiden, ob und wann sie raus will.”

Wann ist der Leinengang doch möglich?

Katja Henopp, Katzenpsychologin, betrachtet die Sache differenzierter. “Für Katzen, die an eine eintönige Wohnungshaltung gewöhnt sind, kann der Leinengang eine echte Bereicherung sein.” Sie betont jedoch, dass es nicht darum gehe, die Katze wie einen Hund an der Leine durch die Straßen zu spazieren, sondern ihr an einem ruhigen Ort die Möglichkeit geben, neue Sinneseindrücke zu sammeln.

Ob die Katze sich mit dem Leinengang anfreundet, hängt vom Charakter der Katze, ihrer Sozialisation und dem richtigen Training ab. Auch die Rasse spielt eine Rolle. Schwieriger ist es bei Katzen aus dem Tierschutz, die traumatische Erfahrungen gemacht haben, bei ängstlichen oder schnell erschreckbaren Katzen oder solchen, die sich gerne zurückziehen und Ruhe suchen. “Aber auch das ist mit viel Training nicht unmöglich”, sagt Henopp.

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Bei gut sozialisierten, stressresistenten, selbstbewussten, neugierigen und auf ihren Menschen bezogenen Katzen besteht eine gute Chance. Dabei ist es wichtig, die Katze behutsam an das Geschirr und die Leine zu gewöhnen. “Es funktioniert nicht, einfach das Geschirr anzulegen und die Katze aus der Wohnung zu ziehen”, betont Henopp.

Langsame Gewöhnung ans Geschirr

Stattdessen sollte man mit positiver Verstärkung arbeiten. “Der erste Schritt besteht darin, die Katze das Geschirr schnuppern zu lassen und dann eine Belohnung zu geben.” Im nächsten Schritt kann man versuchen, das Geschirr auf den Rücken der Katze zu legen und sie belohnen, wenn sie es akzeptiert. So geht es Schritt für Schritt weiter. “Alles im individuellen Tempo der Katze, bis sie das Geschirr akzeptiert.”

Bevor es in die Freiheit geht, sollte man die Katze in der Wohnung an der Leine führen, damit sie ein Gefühl für die Begrenzung bekommt und sich nicht wie gewohnt bewegen kann. Wenn das erledigt ist, kann der erste Ausflug in die Freiheit gewagt werden.

Henopp empfiehlt, eine ruhige Gegend zu wählen und vor allem Begegnungen mit Hunden zu vermeiden. Ein Spaziergang im Innenhof könnte ein guter Anfang sein, später kann man es auf einer abgelegenen Wiese oder einem Feld versuchen.

Nicht an der Tür mit Leine nach draußen

Henopp gibt außerdem den Tipp, nicht schon mit der Katze an der Leine aus der Tür zu gehen. “Wenn der Katze der Leinengang gefällt, wird sie die Tür immer damit verbinden, was für Sie unangenehme Folgen wie ständiges Kratzen oder Maunzen an der Tür haben kann.” Stattdessen sollte man die Katze zunächst in eine Transportbox oder einen Transportrucksack setzen und erst am Zielort wieder herausnehmen und an die Leine nehmen.

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Ob die Katze den Ausflug ins Freie genießt, zeigt sie ihrem Besitzer durch ihre Körpersprache. Anzeichen dafür, dass sie es nicht mag, sind geweitete Pupillen in Kombination mit Anspannung bis hin zur Erstarrung (“Freeze”). In diesem Fall ist es klar, was zu tun ist: Ab nach Hause.

Katzen in Rucksäcken – keine gute Idee

Bei Katzen in Rucksäcken sind sich Speicher-Spengler und Henopp weitgehend einig: Rucksäcke sollten vor allem als Transportmittel dienen, zum Beispiel für den Weg zum Tierarzt. Es ist Tierquälerei, sie stundenlang auf Wanderungen mitzunehmen, wie es oft in den sozialen Medien zu sehen ist, meint Speicher-Spengler.

“Die Katze bekommt möglicherweise nicht genug Luft, es ist warm im Rucksack, was vor allem im Sommer gefährlich sein kann, und die Katze ist stark in ihrer Bewegungs- und Willensfreiheit eingeschränkt.” Dabei kann es leicht zu Verletzungen kommen, wenn die Katze keine Lust mehr auf den Ausflug hat und sich wehrt oder in Panik gerät.

Nur weil Katzen es gerne in Kartons und Kisten gemütlich haben, heißt das nicht automatisch, dass sie sich auch in einem engen Rucksack wohl fühlen. Im Gegenteil. Speicher-Spengler berichtet von monatlichen Vermisstenanzeigen, weil eine Katze aus einer unsicher befestigten Transportbox entkommen ist. Sie hofft, dass sich dieser Trend nicht noch weiter verbreitet.